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Köln-NeubrückNeuer Namensvorschlag für Heinrich-Lersch-Straße stößt auf Widerstand

Lesezeit 4 Minuten
sda

Die Heinrich-Lersch-Straße soll gegen den Willen der Anwohner umbenannt werden.

Neubrück – Umbenennung ja, doch der neue Name der bisherigen Heinrich-Lersch-Straße in Neubrück steht derzeit noch nicht fest. SPD und Linke hatten die Änderung der Straßenbezeichnung wegen der Nazi-Vergangenheit des bisherigen Namensgebers beantragt. Die beiden Fraktionen hatten als Ersatz mit Regine Hildebrandt eine engagierte Bürgerrechtlerin aus den letzten Jahren der DDR, und spätere ostdeutsche SPD-Politikerin und Ministerin, vorgeschlagen.

Die Straßenbezeichnung hatte die Stadtverwaltung nach Überprüfung durch das zentrale Namensarchiv – neben einigen anderen Vorschlägen – auch schon abgenickt und zur Abstimmung in die Bezirksvertretung freigegeben. Nun brachten die beiden Parteien mit Unterstützung der Grünen nach einer Idee der Brücker Geschichtswerkstatt um Historiker Fritz Bilz kurzfristig mit Käthe Schlechter – der ersten Vorsitzenden des Kölner DGB-Kreisfrauenausschusses– einen weiteren Vorschlag in die Diskussion. Der soll es letztlich werden, falls die Verwaltung dem neuen Namen zustimmt. Ansonsten wolle man bei Regine-Hildebrandt-Straße verbleiben.

Monatelange Diskussionen

Im Vorfeld der vergangenen Sitzung der Kalker Bezirksvertretung war eigentlich klar, dass die Heinrich-Lersch-Straße in Neubrück, die im Juli 1967 eingeweiht worden war, umbenannt wird.

Nach monatelangen Diskussionen und mehrfachem Verschieben der Abstimmung sollte der Straßenname auf Antrag von SPD und Linke aus dem Stadtplan verschwinden. Der im Juni 1936 verstorbene Autor Lersch war im Mai 1933 in die Preußische Akademie der Künste berufen worden. Er gehörte im Oktober 1933 zu den 88 deutschen Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten. Im August 1935 wurde er Mitglied der NSDAP, wollte auch in die SS eintreten und erhielt im selben Jahr den Rheinischen Literaturpreis.

Verwaltung schaltet NS-Dokumentationszentrum ein

Das von der Verwaltung eingeschaltete NS-Dokumentationszentrum und die Geschichtswerkstatt hatten sich eindeutig für eine Umbenennung ausgesprochen.

Die CDU stellte die ganze Diskussion nochmals auf Anfang und plädierte erneut , die alte Bezeichnung beizubehalten. Schließlich hätte sich die Mehrheit der Anwohner bei einer Befragung entsprechend geäußert. Die CDU-Vertreter verstünden nicht, wieso sich Politik und Verwaltung „so gegen den Bürgerwillen stemmen“ wollten.

Lebenslauf von Heinrich Lersch wird überprüft

Richtig ist, dass die Verwaltung nicht nur den Lebenslauf von Lersch genau überprüft, sondern auch die betroffenen Bürger zur Sache befragt hatte. 417 Bewohner und Gewerbetreibende wurden angeschrieben. 210 von ihnen äußerten sich und sorgten für eine als „sehr hoch“ eingeschätzte Rücklaufquote von 50,3 Prozent. 189 Anwohner hatten sich explizit gegen einen neuen Namen ausgesprochen und als Gründe zu hohe Kosten sowie den eigenen hohen Aufwand wegen der Adressänderung angegeben. Die Stadt wiegelte ab. Die nach der Umbenennung nötigen Änderungen in Ausweispapieren und Führerscheinen seien kostenlos, hieß es. Ansonsten sei der Aufwand nicht höher als bei einem gewöhnlichen Umzug.

Obwohl sich die Bewohner mehrheitlich für eine Beibehaltung ausgesprochen hatten, entschied die Verwaltung, dass das öffentliche Interesse einer Umbenennung überwiege. „Erschreckend, wie sich die Stadt über das Votum der Anwohner hinweggesetzt hat“, kommentierte Bezirksvertreter Michael Lange (CDU).

Mehrere Namensvorschläge

Wenn schon neuer Name, dann hätten SPD, Linke und Grüne, so kritisierte CDU-Stadtrat Stephan Pohl, „doch die aufgebrachten Anwohner wenigstens an den von der Verwaltung und vom Neubrücker Bürgerverein vorgeschlagenen neuen Straßennamen beteiligen sollen.“ Auf der Liste standen beispielsweise Gemarkungs-Bezeichnungen wie Am Gräbchen und Pohlsteinsweg oder Buchbinderstraße. Ebenfalls wurde der Name des Bauhaus-Künstlers Christian Dell und die vom Bürgerverein wegen der Nähe zum Rather See favorisierte Seestraße ins Spiel gebracht.

„Aber nur Regine Hildebrandt und der wohl neue Name Renate Schlechter wurden nach vorne gestellt und durchgezogen“, schimpfte Pohl. Dabei hätten beide Personen nichts mit Neubrück zu tun und würden auch nicht in den Rahmen mit Benennungen nach Schriftstellern und Künstlern passen.

Das sahen SPD, Linke und Grüne natürlich anders. „Die beiden beschlossenen Vorschläge passen zu unserem bezirklichen Leitbild, Straßen vorzugsweise nach Frauen zu benennen“, erklärte SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Klein. Vor allem der neueste Vorschlag Käthe-Schlechter-Straße passe „auch sehr gut ins Bild der Straßennamen von Neubrück und hat darüber hinaus einen Bezug zu Köln, wie es auch der Bürgerverein gewünscht hatte.“

REGINE HILDEBRANDT

1941 in Berlin-Mitte geboren, studierte sie zwischen 1959 und 1964 Biologie an der Berliner Humboldt-Universität, arbeitete in der Arzneimittelforschung und promovierte 1968 über einen Frauenförderplan. Während des politischen Umbruchs in der DDR engagierte sich Hildebrandt in der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“. Sie trat der SPD bei und war 1990 Arbeitsministerin in der ersten freigewählten Regierung der DDR. Hildebrandt starb 2001 an den Folgen einer Brustkrebserkrankung. 

KÄTHE SCHLECHTER

1909 in Köln geboren war das Mädchen aus einer Nippeser Arbeiterfamilie eine der gut ausgebildeten weiblichen Angestellten des frühen 20. Jahrhunderts. Sie war in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend und arbeitete als Sekretärin von Wilhelm Sollmann, Chefredakteur der Rheinischen Zeitung, die von den Nazis verboten wurde. Nach dem Krieg war sie beim Bund-Verlag , engagierte sich in der Gewerkschaft Druck und Papier und war Vorsitzende des Kreisfrauenausschusses. Sie starb 1986.

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