Kölner WohnprojektSo hat sich der Alltag für die Jugendlichen in der Krise verändert

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Die jungen Bewohner dürfen im Speisesaal nur noch an Einzeltischen sitzen.

Die jungen Bewohner dürfen im Speisesaal nur noch an Einzeltischen sitzen.

Höhenberg – Sascha räumt im Speiseraum frisch gespültes Besteck in die Kästen. Der 19-Jährige hilft in der Küche des Jugendwohnprojekts St. Gereon der Katholischen Jugendagentur Köln bei der Arbeit. Er und 55 weitere junge Frauen und Männer zwischen 15 und 27 Jahren leben hier und werden von Pädagogen auf ein selbstständiges Leben vorbereitet. „Ich habe mich freiwillig zum Küchendienst gemeldet, um den Koch zu unterstützen“, sagt Sascha. Eine sinnvolle Beschäftigung sei in Zeiten der Kontaktsperre wegen der Covid-19-Pandemie besonders wichtig.

Sascha hilft in der Küche.

Sascha hilft in der Küche.

Die hat für das Leben der Bewohner einschneidende Veränderungen gebracht. „Nach den ersten Tagen, als Covid-19 in Deutschland im Fokus der Öffentlichkeit angekommen war, zeigten sich viele unserer jungen Menschen vom Ernst der Lage unbeeindruckt“, erläutert Einrichtungsleiter Peter Steffen. Die Schließung der Schulen und die damit verbundenen bundesweiten „Corona-Ferien“, hätten bei einigen zuerst Freude ausgelöst: „Für unsere zwölf pädagogischen Mitarbeitenden im Haus bestand zu diesem Zeitpunkt ein Schwerpunkt der Arbeit darin, bei unseren Bewohnern das Bewusstsein für die Situation zu schärfen, ohne Panik zu erzeugen.“

Intensive Aufklärungsarbeit bei den Kölner Jugendlichen

Das sei im Einzelfall, insbesondere bei den im Haus lebenden Flüchtlingen aufgrund von Sprachbarrieren eine große Herausforderung gewesen. Doch die intensive Aufklärungsarbeit in diesen ersten Tagen habe sich aus heutiger Sicht als sehr richtig herausgestellt. Steffen schätzt, dass sein Team schnell auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert habe. So seien im Haus neben ausführlichen Warnhinweisen mehrere Desinfektionsstationen im Eingangsbereich, im Speisesaal und den anderen öffentlichen Bereichen eingerichtet worden.

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Die Bewohner würden inzwischen auch die strengen Regeln rund um die Handhygiene und die Schutzabstände einhalten. „Auch am Freizeitverhalten kann man gut erkennen, dass die sozialen Kontakte stark reduziert sind und vieles sich auf die Sozialen Netzwerke im Internet verlagert“, sagt Steffen.

Veränderte Sitzordnung im Speisesaal

Da die Jugendlichen in Einzelapartments mit eigenem Bad und WC wohnen, seien in dieser Beziehung keine Veränderungen nötig gewesen. „Doch im Speisesaal haben wir die Sitzordnung verändert, so dass es jetzt nur noch Einzelplätze gibt“, betont der Leiter. Zudem lasse das Team nur noch 15 Jugendliche gleichzeitig hinein.

Jugendwohnprojekt St. Gereon

Im Jugendwohnprojekt St. Gereon leben junge Menschen, die aus vielerlei Gründen nicht mehr zu Hause wohnen können oder wollen, zusammen. Voraussetzung für eine Aufnahme ist, dass ihre Ausbildung in Gefahr ist. Außerdem sind im Haus Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und verschiedenen afrikanischen Ländern untergebracht.

Mit sozialpädagogischer Betreuung werden sie vom Team auf ihrem Weg in ein eigenverantwortliches Leben begleitet. Das Jugendwohnprojekt bietet Heranwachsenden, die aufgrund individueller Beeinträchtigungen intensiver betreut werden müssen, unterschiedliche Betreuungsformen im Rahmen der Jugendhilfe unter einem Dach an. Jede der Betreuungsformen wird auf den einzelnen Jugendlichen abgestimmt und kann bei Bedarf auch angepasst werden, ohne dass ein Wechsel der Einrichtung nötig ist.

Die Arbeit der Einrichtung basiert auf Methoden der pädagogisch orientierten Einzelfallhilfe sowie der sozialen Gruppenarbeit. Durch Vernetzung mit anderen sozialen Einrichtungen im Stadtteil und der Kommune wird die Arbeit zielorientiert unterstützt und bei Bedarf fortgesetzt. Die zwölf pädagogischen Mitarbeiter sind rund um die Uhr in fünf Schichten an 365 Tagen im Jahr für die Bewohner da. Köche und Hauswirtschaftskräfte sorgen für eine Vollverpflegung mit drei Mahlzeiten am Tag und die Hygiene im Haus. Darüber hinaus gibt es im Haus zwei Haustechniker. (aef)

Besuchern ist bis auf Weiteres der Zutritt zum Haus nicht gestattet. Die Freizeitangebote laufen unter Einhaltung des Sicherheitsabstands weiter. So kann im Innenhof mit einem regelmäßigen Fitnessangebot wie Zumba oder Hip-Hop-Tanzen ersatzweise dem Bewegungsdrang sowie dem Wunsch nach einer sportlichen Betätigung entsprochen werden.

Hausband hat ihren Probebetrieb eingestellt

Den Jugendlichen steht auch ein Lauftreff in der Merheimer Heide offen. Außerdem finden im großen Tagungsraum des Hauses gelegentlich ein Filmabend mit Projektion auf eine Großbildleinwand oder Bingo statt. „Im Grunde versuchen wir alles zu unternehmen, um die gute Stimmung im Haus zu wahren, auch wenn die Jugendlichen sich dabei nicht zu nahekommen dürfen“, so Steffen. Die Hausband allerdings hat ihren Probebetrieb eingestellt. Stattdessen üben die einzelnen Musiker in ihren Appartements.

Die Bewohner des Projekts erledigen weiterhin ihre schulischen Aufgaben. Hausaufgaben bekommen sie von der Schule per E-Mail geschickt. „Den Schülern und Auszubildenden ist inzwischen bewusst, dass die jetzt angeordneten Schulschließungen für sie zum Nachteil werden können, da die jetzt entfallenden Unterrichtsinhalte in irgendeiner Form nachgearbeitet werden müssen“, sagt Steffen. Wie das im Einzelnen aussehen wird, sei noch völlig unklar.

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