Verkehr in Köln115 Millionen Euro für den Güterbahnhof in Gremberg

Lesezeit 4 Minuten
Der Bahnhof Gremberg: Rund 200 000 Güterzüge werden hier pro Jahr abgefertigt.

Der Bahnhof Gremberg: Rund 200 000 Güterzüge werden hier pro Jahr abgefertigt.

Gremberg – Sieben Kilo wiegt das knallgelbe Eisen, das Rainer Wisser (57) in seinen Händen hält. „Da wissen Sie, was Sie nach einer Schicht getan haben. Das geht ganz schön auf die Knochen. Im Winter ist der Schienenkopf nass, rutschig und kalt, im Sommer trocken, da haben wir hier zwischen den Gleisen auch schon mal Temperaturen von 40 Grad. Und nicht ganz ungefährlich ist es noch obendrein.“

Die Arbeit der Hemmschuhleger auf dem Güterbahnhof in Gremberg, der mit zwei Ablaufbergen und 64 Gleisen zu den größten in Deutschland gehört, mutet archaisch an. Immer noch müssen sie bei der Zusammenstellung der Züge in der Süd-Nord-Richtung einen Teil der Wagen per Hand abbremsen, damit die nicht in vollem Tempo aufeinanderkrachen. 70 Züge täglich werden in Gremberg neu sortiert, das sind rund 2800 Wagen.

Jahrelange Modernisierung

Der Güterbahnhof Gremberg gehört mit den Standorten Köln-Kalk, Hagen, Hamm, Oberhausen und Wanne-Eickel zum Produktionszentrum Duisburg/Hagen der DB Schenker Rail mit insgesamt 2700 Mitarbeitern. In Gremberg sind es knapp 600, davon 175 im Rangierdienst, 50 Wagenmeister, 200 Lokführer für die Fernzüge, 75 in der Lok-Instandhaltung und 98 in der Güterwagen-Werkstatt. Mit rund 200.000 Güterzügen jährlich werden 22 Prozent des gesamten Güterverkehrs über dieses Produktionszentrum abgewickelt.

Die größten der 1400 Kunden sind Thyssen (16,1 Millionen Tonnen), Kombi-Verkehr (8,2 Millionen) und die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (3,5 Millionen). Mit den zehn größten Kunden bestreitet DB Schenker 53 Prozent des Transportvolumens in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 700 Betriebe sind über private Gleisanschlüsse an das Netz der DB in NRW angeschlossen. (pb)

Vor zehn Jahren hat die Modernisierung begonnen, in Nord-Süd-Richtung ist sie bereits abgeschlossen. Projektleiter Wisser koordiniert den Umbau seit Jahren. Allein der Einbau der Gleisbrems- und Fördertechnik einschließlich zweier neuer elektronischer Stellwerke wird rund 100 Millionen Euro kosten. Im November sollen die letzten Gleise der Süd-Nord-Richtung umgerüstet sein. „Dann werden wir über eine leistungsfähige und hochflexible Zugbildungsanlage verfügen, die theoretisch mehr als 5000 Wagen am Tag verarbeiten kann.“ Dazu kommen noch rund 15 Millionen Euro für eine neue Beleuchtungsanlage mit LED-Technik, die bis 2017 errichtet wird.

Die Investition der DB Netz AG in den Ausbau von Gremberg war dringend erforderlich, die Anlage liegt direkt an der Güterzugtrasse Rotterdam–Genua, der Ausbau der Nordseehäfen von Antwerpen, Amsterdam und Rotterdam könnte nach den Prognosen von Verkehrsexperten bis zum Jahr 2030 zu einem Wachstum des Schienengüterverkehrs um bis zu 58 Prozent führen.

Bei den sogenannten Einzelwagen-Güterzügen ist DB Schenker einziger Anbieter auf dem Markt. „Die Konkurrenz pickt sich nur die Rosinen raus, fährt ausschließlich Ganzzüge von A nach B“, sagt Wisser. „Wir haben hier Güterwagen, die auf ihrem Weg von Flensburg nach Garmisch bis zu viermal umgestellt werden.“

Das wird ab November auf allen acht Gleisbündeln in beiden Richtungen nahezu automatisch ablaufen. Von jedem Güterzug, der von seinem Versandbahnhof losfährt, sind die wichtigsten Informationen wie die Reihenfolge der Wagen schon in Gremberg bekannt. „Der Zug kommt hier an, wird entkuppelt und für den Abdruckbetrieb über den Ablaufberg vorbereitet. Die einzelnen Wagen rollen danach automatisch und zentimetergenau in die Richtungsgleise beispielsweise nach Mannheim, München oder Frankfurt. Wir müssen die Waggons am Ende nur noch kuppeln, einen Bremstest machen und schon ist der Zug abfahrbereit.“ Lediglich der Kuppelvorgang wird noch von Rangierern per Hand vorgenommen.

Harte Arbeit fällt weg

Über automatische Kupplungen habe man zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn Anfang der 1990er Jahre mal nachgedacht. „Daraus ist nie etwas geworden“, sagt Wisser. „Heute ginge das schon gar nicht mehr. Da müsste man sich in Europa ja zunächst auf ein einheitliches System verständigen.“ Die neue Bremstechnik in den acht Gleisbündeln, von Eisenbahnern als Harfen bezeichnet, ist maßgeschneidert. Mit sieben Metern pro Sekunde rollen die Wagen in die Richtungsgleise, werden zunächst auf vier und zwei Meter abgebremst und dann in Schrittgeschwindigkeit über die Förderanlage bis zum Ziel geführt. Ein Job, der den Hemmschuhlegern viel Erfahrung abverlangt. Es geht darum, den Bremsweg richtig einzuschätzen, damit der Wagen möglichst zielgenau zum Stehen kommt.

Ihr Aufgabe wird in Kürze wegfallen, ihre Arbeit werden sie dennoch nicht verlieren, weil die Bahn dringend Personal benötigt. „Die meisten werden zu Rangierbegleitern oder Lok-Rangierführern ausgebildet“, sagt Wisser. Und ihrem alten Arbeitsplatz wohl kaum hinterhertrauern. Dazu war er einfach zu hart und nicht gerade gut bezahlt.

KStA abonnieren