Kapazitäten „nahezu erschöpft“Köln ringt um Unterbringungen für tausende Geflüchtete

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Anlaufstelle-D

Blick auf die Anlaufstelle für Geflüchtete am Breslauer Platz in Köln

Köln – Die Unterbringung geflüchteter Menschen entwickelt sich für die Stadt Köln zu einem zunehmenden Problem. Sozialdezernent Harald Rau rechnet in den kommenden Monaten mit einer Zuwanderung von Asylsuchenden aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Ländern auf dem Westbalkan.

Die Stadt bringt zurzeit rund 10.000 Geflüchtete unter – davon 4.000 aus der Ukraine. Bis zum März 2023 werden es insgesamt voraussichtlich mehr als 15.000 sein. Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, würden im Frühjahr 2023 mehr Geflüchtete in Köln eine Unterkunft benötigen als auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/2016. Der bisherige Höchststand datiert aus dem Juli 2016 – damals brachte die Stadt 13.842 Geflüchtete unter.

Das Szenario setzt die Stadtverwaltung erheblich unter Druck. Die bisherigen Kapazitäten der städtischen Unterkünfte seien bereits jetzt „nahezu erschöpft“, hieß es am Donnerstag. In seiner Not will das Sozialdezernat im November erneut eine Halle auf dem Messegelände in Deutz mieten, um dort Menschen unterzubringen. 1.000 Plätze könnten dort kurzfristig geschaffen werden.

Die Anmietung eines größeren Beherbergungsbetriebes mit 376 Plätzen in Kürze soll eine vorübergehende Entlastung bringen. Da Hotels und Pensionen – anders als in den vergangenen Jahren – wieder vielfach durch den Tourismus und das Messegeschäft stark nachgefragt seien, wären nicht mehr so viele Betreiber wie zu vor dazu bereit, ihre Immobilien für die Unterbringung Geflüchteter anzubieten.

Darüber hinaus prüft die Verwaltung weitere Flächen und Standorte, die kurzfristig zur Unterbringung genutzt werden können. „Die Stadt Köln wird alle ihr zur Verfügung stehenden Optionen ausschöpfen, um eine erneute Belegung von Sport- und Turnhallen im Stadtgebiet zu vermeiden“, sagte eine Stadtsprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bei den Überlegungen spielen auch Großzelte eine Rolle – die Stadt befinde sich derzeit bereits in Verhandlungen mit Betreibern.

Kölns Sozialdezernent Harald Rau will menschenwürdige Unterbringung

„Die Verwaltung arbeitet unter Hochdruck an der kurz- und mittelfristigen Schaffung von Platzkapazitäten für Geflüchtete – die zu erwartenden Zuwanderungsbewegungen übersteigen unsere bestehenden Kapazitäten“, sagte Sozialdezernent Harald Rau.

Die Stadt mache jedoch alles möglich, um „eine menschenwürdige Unterbringung bestmöglich zu gewährleisten“. Harald Rau: „Wir stehen außerdem im Austausch mit der Bezirksregierung Arnsberg, um die Weiterleitung von in Köln ankommenden Geflüchteten neu zu koordinieren und eine bessere zentrale Verteilung auf andere Kommunen zu erreichen.“

Die Bezirksregierung Arnsberg ist grundsätzlich für die Verteilung aller Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen zuständig. Grundsätzlich werden die Geflüchteten nach dem Königsteiner Schlüssel innerhalb Deutschlands verteilt. Demnach muss das Land Nordrhein-Westfalen 21 Prozent aller Asylbewerber in Deutschland aufnehmen. Köln wiederum ist gesetzlich verpflichtet, davon fünf Prozent unterzubringen.

Kölns OB Henriette Reker fordert Hilfe von Land und Bund

Auch finanziell bringt die Unterbringung die Stadt in die Bredouille. Im ersten Halbjahr 2022 betrugen die Unterbringungskosten rund 41 Millionen Euro – davon übernahm die Stadt 23,9 Millionen. Nach Auskunft der Kämmerei sei für das zweite Halbjahr mit Kosten von weiteren 79,5 Millionen Euro zu rechnen, von denen – falls zusätzliche Unterstützung von Bund und Land ausbleibt – geschätzte 50 Millionen von der Stadt bezahlt werden müssten.

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Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte Ende der vergangenen Woche eine stärkere finanzielle Unterstützung seitens Land und Bund gefordert. „Die Kommunen stehen bei der Aufnahme von Geflüchteten vor enormen Herausforderungen und dürfen dabei nicht alleine gelassen werden“, sagte sie. Die Stadt benötige ein „Signal der Entlastung“ und „konkrete Zusagen des Bundes“. Diese blieben bislang allerdings aus.

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