Abo

Brief von Domian an Bernd StelterAbsurde Kapriolen politischer Korrektheit

Lesezeit 4 Minuten
Bernd Stelter und seine Kritikerin Gabriele Möller-Hasenbeck auf der Bühne des Gürzenich

Bernd Stelter und seine Kritikerin Gabriele Möller-Hasenbeck auf der Bühne des Gürzenich

  • Um den Doppelnamen-Witz von Bernd Stelter und die Kritik daran ist eine hitzige Debatte entbrannt.
  • Ist die Kritik angebracht? Ist sie überzogen?
  • In seiner Kolumne „Was mich betrifft“ schreibt Domian einen offenen Brief an Bernd Stelter.

Lieber Bernd Stelter, lassen Sie sich bitte bloß nicht entmutigen, und machen Sie weiter so schöne Witze über Menschen mit Doppelnamen. Denn sie haben es verdient. Zumindest einige von ihnen. Nehmen wir Annegret Kramp-Karrenbauer. Wie lange habe ich gebraucht, mir diesen Namen zu merken! So schnell vertauscht man ein paar Buchstaben, und schon ist das Desaster groß, rutschte mir doch einige Male „Krampf-Karrenbauer“ heraus. Eine angesehene ARD-Kollegin sagte während einer Sendung immer wieder „Kamp-Karrenbauer“, und ein amerikanischer Freund von mir nannte die CDU-Politikerin lange Zeit „Kampf-Kammenbauer“.

Als ich zum ersten Mal von Annegret Kramp-Karrenbauer hörte, dachte ich sofort: Wie kann man sich solch einen Namen zulegen, wenn man beabsichtigt, in die Politik zu gehen!? Heute nennen viele Leute sie einfach AKK. Das ist aber kein Kürzel, das Respekt und Hochachtung zum Ausdruck bringen soll, wie zum Beispiel das JFK für John F. Kennedy, den ermordeten US-Präsidenten. Die Leute bedienen sich dieses Kürzels schlichtweg deshalb, weil sie den Namen nicht unfallfrei aussprechen können oder er ihnen zu lang und zu sperrig ist.

Zur Person

Jürgen Domian ist Moderator und Buchautor. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ richtet er Briefe an Menschen, die ihn bewegen – zu Themen, die ihn berühren. 

Nun kam es auf der WDR-Fernsehsitzung im Gürzenich zum Eklat. Bernd Stelter machte Witze über AKK. Daraufhin waren Pfiffe im Saal zu hören, und etwas später marschierte eine Dame, ansatzweise verkleidet als Matrose, Pardon Matrosin, auf die Bühne und beschimpfte Stelter: „Fragt mal irgendjemand, was für einen Scheißnamen ein Mann hat, den die Frau annimmt?“ Doch, ja, liebe aufgebrachte Dame, das fragen sich tatsächlich auch viele!

Die Frau kommt übrigens aus Weimar und heißt Gabriele Möller-Hasenbeck. Schade, dass Stelter sie auf der Bühne nicht nach ihrem Namen gefragt hat. Ich glaube, der ganze Saal hätte schreiend unter den Tischen gelegen. Matrosin Möller-Hasenbeck scheint nicht die geringste Ahnung vom Karneval zu haben. Zu Recht kommentiert Kölns oberster Karnevalist, Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn, den ganzen Vorfall so: „Im Karneval hat der Narr die Freiheit, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Das ist Satire, und da hilft es, auch mal über sich selbst zu lachen.“

Die Sprachpolizei ist im Alltag schon nervend genug

Ich finde, die mittlerweile absurden Kapriolen politischer Korrektheit dürfen nun nicht auch noch den Karneval beherrschen. Dann haben wir bald gar nichts mehr zu lachen. Es ist im Alltag schon nervend genug, die Sprachpolizei im Nacken sitzen zu haben. Sag bloß nicht „Studenten“, wenn du Studierende meinst! Schäm dich, wenn du „Rednerpult“ sagst und nicht „Redepult“! Du bist ein Macho, wenn du „keiner“ statt „niemand“ sagst! Und so weiter.

Bitte jetzt keine Aufregung! Ich bin auch für gendergerechte Sprache, aber alles in Maßen und mit gesundem Menschenverstand. Wie politisch politisch korrekte Sprache sein kann, wurde mir erst neulich bewusst. In einer Radio-Diskussion, in der es um Bildung und Bildungschancen für Flüchtlinge ging, sagte eine engagierte Flüchtlingshelferin: „Wir müssen auch versuchen, den Absentismus in den Griff zu bekommen.“ Sie sprach sehr schnell und baute diese Aussage beinahe beiläufig in ihren Gedankengang ein. Irgendwann später fragte ein beherzter Mitdiskutant, was sie denn mit Absentismus gemeint habe. Schweigen, Zögern, dann die Antwort: „Ja, wenn die Leute die Schule schwänzen.“ Sie wollte „Flüchtlinge“ und „Schuleschwänzen“ nicht in einen Zusammenhang bringen und verschleierte den Sachverhalt mit einem seltsamen Fremdwort. So geht es nicht, finde ich.

„Wärst du doch in Weimar geblieben“

Aber zurück zu den Doppelnamen und Gabriele Möller-Hasenbecks Kritik. Es gibt ja diesen uralten Schlager mit dem Titel „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“. Wäre es eventuell möglich, den Schlager umzutexten und aus „Düsseldorf“ „Weimar“ zu machen? Mein Moderatoren-Kollege Micky Beisenherz twitterte: „Über alles lacht der Karnevalist. Verklemmte Weiber! Emanzen, die einem alles verbieten wollen! Doofe Veganer! Körnerfresser! Türken, Schwarze, Zigeunerschnitzel! Und die lustigen Homos! Aber bei Doppelnamen, da hört’s auf!!!“

Die Präsidentin des Landgerichts Hildesheim übrigens heißt Britta Knüllig-Dingeldey und ist die Nachfolgerin von Ralf Guise-Rübe. Wer als Büttenredner über so etwas keine Witze macht, hat im Karneval nichts verloren. Frau Britta Knüllig-Dingeldey, das sei noch erwähnt, wurde ernannt von der damaligen niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz. Ich glaube, hier hat Loriot, der ja bekanntlich auch große Freude an Doppelnamen hatte, heimlich die Fäden gezogen.

Also, lieber Bernd Stelter, vergessen Sie den Vorfall im Gürzenich ganz schnell! Bleiben Sie so, wie Sie sind! Denn genau so werden Sie von den Jecken geliebt. Bitte keine selbstverordnete Schere im Kopf! Und sollte ich jemals, warum auch immer, in einer Ihrer Büttenreden vorkommen, dürfen Sie aus „Domian“ getrost „Doofian“ machen. Ich werde es mit Humor nehmen. Alaaf!

Ihr Jürgen Domian

KStA abonnieren