ImmisitzungKölner Eingeborene in bunten Multi-Kulti-Karneval integrieren

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„Wir sind der Irre vom Bosporus“: Viele kleine Erdogans schwirren ihrem Chef durch den Kopf.

„Wir sind der Irre vom Bosporus“: Viele kleine Erdogans schwirren ihrem Chef durch den Kopf.

Köln – Wikipedia ist hoffnungslos hinterm Halbmond. Schreiben die Internet-Schlaumeier doch, Ziel der Immisitzung sei „die Förderung der Integration von Migranten in den Kölner Karneval“. Voll daneben, andersrum wird ein Schuh draus. Denn im mittlerweile neunten Jahr integrieren die Immis mit stetig wachsendem Erfolg die Kölner Eingeborenen in ihren bunten, überschäumenden Multi-Kulti-Karneval. Seit dem Premierenabend am Donnerstag tun sie es nach dem Motto „Jede Jeck is von woanders“ erneut im Bürgerhaus Stollwerck.

Elf (sic!) so was von in Kölle angekommene Nationen stehen da auf der Bühne und lassen ihren kölschen Blick mit gehörig Migrationshintergrund sowohl auf die Welt als auch aufs Veedel fallen. Allen voran Sitzungspräsidentin Myriam Chebabi, genannt „Immi-Mymmi“, die das brasil-gelb-grüne Jungfrauenkostüm gut füllt. Ihr Wunsch fürs neue Jahr: „Herr, lass Hirn regnen.“

„Herr, lass Hirn regnen“: Sitzungpräsidentin Myriam Chebabi

„Herr, lass Hirn regnen“: Sitzungpräsidentin Myriam Chebabi

Warum das dringend nötig ist, zeigt ein Blick in Erdogans Kopf, in dem sich die unterschiedlichsten Unter-Erdogans tummeln und dem Sultan alles mögliche soufflieren – vom Weltfrieden bis zum Weltmachtanspruch. Einig sind sie sich am Ende nur in einem: „Wir sind der Irre vom Bosporus!“

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„Kultursensible Toilette“, eine pünktliche KVB und die Sexismus-Debatte

Dass es auch bei uns mitunter reichlich irre zugeht, zeigt sich am Beispiel der „kultursensiblen Toilette“ in der Alten Feuerwache, deren Planung im vergangenen Jahr einen – na, was wohl? – Shitstorm auslöste. Ein muslimisches Klo sei „für’n Arsch“, befinden die Immis und spinnen den Gedanken genüsslich weiter. Bis hin zu Kabinen für Paare und Boxen für „lesbische transsexuelle Transvestiten, gefangen im Körper einer vormals heterosexuellen Frau“.

Urkölsch werden zudem Fake-News abgehandelt. Vermeldet wird etwa, dass die KVB mal pünktlich waren und der Bahnfahrer dafür von OB Henriette Reker persönlich empfangen und geehrt wurde. Oder dass die Oper bald fertig sei. Mitunter rutschen die Sketche aber in albernen Blödsinn ab, etwa als Chebabi als mondäne „Lady Blabla“ mit Worten kämpft und dabei aus „Bitte“ ein „Titte“ wird.

Victoria Riccio und Bülent Yilmaz.

Victoria Riccio und Bülent Yilmaz.

Dann aber geht es gleich wieder topaktuell und witzig rund, etwa in Sachen Sexismus-Debatte. Wird der männliche Bewerber von der Chefin doch gefragt, ob seine Frau nicht genug verdiene und er arbeiten müsse. Ihr fällt dabei aber das Sixpack unterm Hemd auf, was im Vorschlag mündet, das Gespräch doch „in entspannter Atmosphäre“ im Hotel fortzusetzen.

Von russischer Folklore über indischen Pop bis zum Hillbilly-Country-Song

Neben der Vielzahl von Sketchen mit acht hervorragenden Darstellern – darunter eine herrliche Bollywood-Persiflage mit für die Immisitzung typisch-tollen Kostümen – geben zwei Puppen, „der Franzose“ und der kartoffelköpfige Kölsche (geführt und gesprochen von Robby Göllmann und Andreas List), ihren Senf zum Weltgeschehen dazu und verfallen in so tiefgreifende Betrachtungen wie darüber, wer denn wohl die Hopfenpflanzen fürs Kölsch bestäubt, wenn die Insekten sterben.

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Und dann ist da noch die Band. Die ebenfalls acht Musiker spielen sich souverän und locker durch die Musik dieser Welt, von russischer Folklore über indischen Pop bis zum Hillbilly-Country-Song. Sie sorgen so dafür, dass die Revue, für die Joschi Vogel Regie geführt hat, eine Weltkugel-runde Sache geworden ist.

Karten für die Immisitzung gibt es nur noch für einige der insgesamt 23 Vorstellungen.

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