Jecker AustauschSo läuft der Kölner Karneval als Düsseldorfer – und umgekehrt!

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Kölner mit Alt, Düsseldorfer mit Kölsch: Stefan Worring (Kölner Stadt-Anzeiger, r.) und Thorsten Breitkopf (Rheinische Post) haben den jecken Austausch gewagt.

  • Wie läuft der Karneval in Düsseldorf und Köln? Ein jecker Austausch
  • Stefan Worring vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ war für den Test in der Landeshauptstadt, Thorsten Breitkopf von der „Rheinischen Post“ ist nach Köln gekommen.

Köln/Düsseldorf – Köln ist anders. Das zeigt schon die Fahrt im Zug, also in einem echten Zug, nicht im Zoch, von Düsseldorf nach Deutz. Gut eine Woche vor den tollen Tagen am helllichten Tag im Lackschuh-Karnevals-Dress mit Narrenkappe - das erregt ein bisschen Aufsehen in der NRW-Hauptstadt.

Vielleicht liegt es auch an der Dose Früh-Kölsch, die ich als Zeichen rheinischer Versöhnung (und natürlich zur Eingewöhnung) bei mir trage. Am Düsseldorfer Hauptbahnhof werde ich in etwa so angeguckt, als hätte ich sie nicht mehr alle.

Unverkleidete in der Minderheit

Das lässt mit jeder weiteren Haltestelle in Richtung Dom nach. Nicht nur, dass den Kölnern so viele Tage vor Altweiber ein Kostümierter überhaupt nicht auffällt. Es ist auch ein bisschen so wie mit der Inflation. Denn kurz hinter Leverkusen sind die Unverkleideten flugs in der Minderheit. Der Freitag vor Karneval zieht die Jecken in ihr Mekka. Und sogar auf den Werbetafeln für die Verkehrsbetriebe lachen einen die Höhner an.

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Wer in die Lanxess-Arena will, muss 2G nachweisen - Zuschauer genau wie Künstler oder Personal.

Köln ist anders. Das zeigt auch der Besuch der "Lachenden Kölnarena". Allein das Betreten lehrt den Düsseldorfer Demut. Weit mehr als 10.000 Menschen drängen sich auf den Rängen. Und das 13-mal pro Session. In manchen Jahren kamen 200.000 Besucher - mehr als Krefeld Einwohner hat. Ich erwarte eine brillante Begrüßungsrede eines mit Orden behängten Ober-Präsidenten. Doch es kommt ein älterer Herr im Frack auf die Bühne, dessen einzige Aufgabe es ist, Dutzende Vereinsnamen zu nuscheln, um dann frenetisch "Köllleeee" zu rufen, um dann ein gigantisches Echo aus der vollen Arena zu erhalten. Kein Witz, kein Aufwärmer, keine Tanzmariechen.

Kölner Karnevalsmaschine ist angelaufen

Von einer Sekunde auf die andere ist die Kölner Karnevalsmaschine angesprungen. Im Sekundentakt ziehen Garden und Korps ein wie bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele. Nur dass es keinen Kommentator gibt, sondern nur den kleinen älteren Mann, der "Köllleee" ruft und nicht lange auf das durch die Arena rollende "Alaaf" der Massen warten muss. Dieses Spektakel dauert eine ganze Weile.

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Kölner Trifolium: Das Dreigestirn begrüßt die Jecken in der Arena

Dann kommt der Prinz mit seiner Prinzessin, die ein wohlgenährter und stark geschminkter Mann ist, und dann noch ein zweiter Prinz, den sie Bauer nennen. Drei Tollitäten mögen Düsseldorfer für zu viel halten, doch fairerweise muss man sagen, dass Köln fast doppelt so groß ist wie die Landeshauptstadt und der Stadt am Dom somit rein statistisch sogar noch ein dritter Prinz oder eine zweite Prinzessin zustünden, aber sei es drum.

Viel Musik – kaum Redner

Dann kommt die zweite Überraschung. Denn in der "Lachenden Kölnarena" wird viel Musik geboten. Brings, Querbeat und Höhner (kenn ich schon aus der S-Bahn). Stimmung machen die, aber zum Lachen? Einen einzigen Redner gibt es. Und der ist auch nicht lustiger als der Stadionsprecher der Esprit-Arena. "Schunkel-Grölende Kölnarena" wäre wohl der treffendere Name für diese Veranstaltung. Spaß macht sie trotzdem.

Endlich spricht mich auch eine junge Frau auf meine etlichen (schönen und schweren) Orden auf dem Smoking an. Die hat mir Düsseldorfs Ex-Prinz Rüdiger I., genannt der Spritzenprinz (weil er Orthopäde ist), nur ausgeliehen. Also reine Protzerei. Sie bleibt die Einzige. Düsseldorfer Orden sind in Köln so viel wert wie venezolanische Bolivar nach einer Hyperinflation.

Und als ich ihr sage, dass ich mich als Düsseldorfer hier inkognito bewege, entpuppen sich die Dame und meine ganze Sitzreihe als Nicht-Kölner. Nicht mal Imis, wie die nicht in Köln geborenen, aber dort lebenden genannt werden, sondern echte Fremde, aus Lindlar, Hürth, Bergisch Gladbach und Gummersbach. Das "Kölleee-Brüllen" beherrschen auch sie perfekt. Eine Eingemeindung der Herzen.

Auf der Immi-Sitzung als Düsseldorfer

Köln ist anders. Immer wieder. Der nächste Gang führt zur Immi-Sitzung. Dort sind die "Fremden" die Veranstalter. Die müssten also Verständnis für einen Düsseldorfer in Köln haben. Grundsätzlich stimmt das auch, aber anders als ich gedacht hatte. Also, dass die Präsidentin Brasilianerin ist und andere Akteure aus Ägypten, der Türkei oder sonstwoher kommen, war mir schon bewusst.

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Die Immisitzung in Köln

So wundert es mich auch nicht, dass mir ein freundlicher Mann vom Veranstalter bei einem (erstaunlich leckeren) Glas Kölsch erklärt, wie tolerant sie wirklich sind. Denn man habe sogar einen (er erhebt die Stimme) Düsseldorfer im Ensemble. Der heiße Robby Göllmann, würde aber auch nicht gesehen, weil er nur der Puppenspieler sei, und dürfe obendrein nur mit französischem Akzent sprechen - wohlgemerkt nicht mit düsseldorferischem. Aber sonst: Sehr tolerant seien sie. Im Karneval ist dem Kölner Brasilien dann doch näher als die Landeshauptstadt.

Politisch korrekter Karneval

Und anders als in der Arena ist hier Lachen auch Programm, wenngleich auch nicht immer. Denn es geht sehr politisch zu. Vor allem politisch korrekt. Der Besuch einer Düsseldorfer Herrensitzung würde die Mehrzahl der Besucher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Rand der Empörung inklusive demonstrativen Verlassens des Saals bringen. Vielleicht hat deshalb der Mann am Eingang gesagt "Das ist kein Karneval", der dann aber von einem anderen lautstark eines besseren belehrt wurde.

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Die Präsidentin der Immisitzung

In Düsseldorf sagt man: Zum Kölner musst du geboren sein, Düsseldorfer bist du nach 14 Tagen. Köln will groß sein, der Kölner macht sich klein. Bergheimer und Menschen aus Bergisch Gladbach dürfen sich auch nicht auf Reisen als Kölner bezeichnen, die Deutzer sind von der Schäl Sick, und wer wenigstens auf der richtigen Seite des großen Stroms lebt, muss auch unbedingt dort geboren sein. Da dürften nicht mehr viele echte Kölner übrigbleiben.

Das ist in Düsseldorf anders. Wenn ein Erkrather, Meerbuscher oder Ratinger sich als Düsseldorfer bezeichnet, dann freut das den Düsseldorfer. Wahrscheinlich, weil Düsseldorf dadurch ein kleines bisschen größer ist. Und Düsseldorfer zu sein, heißt auch nicht, dass man dort das Licht der Welt erblickt haben muss. Man muss es nur sein wollen, dann ist man's. So wie der Geschäftsführer des Comitee Düsseldorfer Carneval, Hans-Jürgen Tüllmann (Westfale), Oberbürgermeister Thomas Geisel (Schwabe), ja, sogar Joseph Beuys - der war Krefelder.

Köln bleibt anders. Denn auch diese alternative Immi-Sitzung ist ein Geschäftsmodell. Mehr als 23-mal pro Session wird das immer gleiche Programm dargeboten, nicht von Hobby-Narren, sondern von Profi-Schauspielern. Köln ist die Hauptstadt der Karnevals-Industrie. Alaaf!

Thorsten Breitkopf RP (1)

Düsseldorfer Thorsten Breitkopf war im Kölner Karneval unterwegs.

Der Autor Thorsten Breitkopf (40) ist Wirtschaftsredakteur der „Rheinischen Post“, gebürtiger Bergischer und seit zehn Jahren Wahl- Düsseldorfer. Den Düsseldorfer Karneval entdeckt er seit einigen Jahren als Senator der Prinzengarde Blau-Weiss.

So ist der Karneval in Düsseldorf als Kölner

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Nummerngirl bei der Herrensitzung in den Rheinterrassen Düsseldorf

"Ich kumm us däm Dorf öm dä Dom röm" Kasalla, "Stadt met K"

Schöne Helena, wo bleibst du? Schon zwei Nummern sind ohne dich gelaufen. Die freundliche Dame im keuschen Glitzerkleidchen, ja, die mit dem Silberblick, die eigentlich vorne am Eingang die Tickets kontrolliert, hat dich vertreten.

Noch sind die 650 Herren geduldig, die an langen Tischen sitzen und sich das Bier aus Pittermännchen selber zapfen. "Dä Müllmann" hat gefragt: "Sind wir nicht die Krone der Schöpfung?" und "De Rhingschiffer" haben mit der Ansage "Das ist doch kein Beerdigungskaffee - loss mer den Weibern zeigen, dass wir besser feiern können!" den Saal in erste verhaltene Wallung gebracht.

Merkwürdige Herrensitzung

Sonntagmorgen, 10.21 Uhr in den Düsseldorfer Rheinterrassen, die Herrensitzung der KG 1. Löschzug 1952 Oberbilk, Mitglied im Comitee Düsseldorfer Karneval, läuft seit einer halben Stunde. Vorhänge mit aufgedruckten Barocksäulen sollen dem eher nüchtern gestalteten Funktionssaal Wärme verleihen. Eine Kleiderordnung scheint es nicht zu geben: Anzugträger mit Narrenkappen treffen auf Clubs mit bedruckten Shirts, so manches scheint bei der letzten Wäsche eingegangen zu sein. Kostüme sind selten, der Altersdurchschnitt ist Ü 50.

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Alt statt Kölsch: Gewöhnungsbedürftig für einen Kölner Jecken

Wiljo Mooreen und seine Kumpels aus Dormagen haben FC-Trikots an, fahren zum Karneval mal nach Köln, mal in die Landeshauptstadt. "Macht Spaß hier, die Redner sind okay", sagt er, "nur Musik können sie in Düsseldorf nicht". Und Büttenredner Jens Singer ergänzt: "Die Düsseldorfer hören einfach besser zu als die Kölner." Singer ist hauptberuflicher Regierungsdirektor, der zwar heute nicht auf dem Programm steht, der aber zwischen NSA- und Amri-Ausschuss als "Dä Schofför der Kanzlerin" durch die Säle beider Städte zieht.

Nummerngirl und Obszönitäten

Und dann kommt sie doch noch, die schöne Helena, das Nummerngirl. In schwarzer Wäsche und auf High Heels - die Rheinbahn hatte Verspätung. Der Saal johlt und pfeift. "Ruhig, sie kommt ja gleich wieder", freut sich Sitzungsleiter Hans Unger und trägt "das alte Düsseldorfer Kinderlied" vor: "Düsseldorfer Junge / sitze op d'r Kö/ gucken dicke Titten / Schwänzchen in die Höh", bevor er Oli, den Köbes ankündigt, der knallhart beim Thema bleibt und witzelt: über Sex, Sex, Selbstbefriedigung, Bordelle und äh - Sex.

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Prinz Carsten II. beim Funkenbiwak in Düsseldorf

Nicht nur der Schützenverein Klein-Jerusalem aus Neersen verabschiedet Oli mit stehenden Ovationen. Zugegeben, der Mann verkauft das gut, aber da wundert sich der Kölner, sowas hat er im Gürzenich noch nicht erlebt. Zeit, sich auf den Weg zu machen. Draußen hat es angefangen zu schneien.

Köln ist auch im Düsseldorfer Karneval präsent

„Denn ich bin nur ne kölsche Jung" Brings, „Kölsche Jung"

Im dichten Schneetreiben geht es zum Funkenbiwak der Prinzengarde auf den Marktplatz. Musik von Höhnern, Brings oder Querbeat vom Band begleitet die Auftritte der Korps und Tanzgruppen. Eine Digitaluhr am Rathaus verkündet, dass die Stadt seit zehn Jahren, 144 Stunden, 22 Minuten und 22 Sekunden schuldenfrei ist.

Wir bekommen erste Nachhilfe im Düsseldorfer Karneval, denn der Tonnenbauer nebst -bäuerin und -garde aus Niederkassel zieht mit großer Entourage in Klompen (= Holzschuhe) auf. Mit der Tonne, einer Art Fass auf Schubkarre, hat man früher auf den Feldern die Gülle verteilt. Noch heute gibt es Karnevalssonntag ein Tonnenrennen. So sieht Tradition aus.

Die wohl dem Wetter geschuldeten nur etwa zwei- bis dreihundert Besucher applaudieren zurückhaltend, aber freundlich. „Der Düsseldorfer tut sich schwerer", sagt Hannelore Löffler, „er feiert, wenn die Zeit da ist." Sie hat mit den „Gartenzwergen vom Faselbusch" schon manchen Rosenmontagszug mitgemacht: „Wir müssen erstmal warm werden."

Mercedes-Limousinen und Helau

Auftritt Prinz Carsten II. und seine Venetia Yvonne beim „größten rheinischen Gardetreffen": Sie fahren mit staatsmännisch-schwarzen Mercedes-Limousinen vor und werden von einer kleinen Equipe zur Bühne eskortiert. Man lobt sie "für die unendliche Freude", die sie verbreiten, gratuliert ihm zum dritten Kind und ihr zum heutigen Geburtstag. "Düsseldorf, Helau!" Artig bedankt sich Yvonne: "Ihr tragt uns durch die Säle."

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Feiernde Gerresheimer in der Brauerei Schumacher bei Alt

Das gerät alles so kühl wie die Außentemperaturen, vielleicht liegt es aber auch an den 19 (!) Auftritten, die das Paar am Vortag zu bewältigen hatte. In den Abgang der Tollitäten platzt der Spielmannszug der Kölschen Funken rut-wieß, gefolgt von einem hundertköpfigen Aufgebot. So könnte eine Prinzenequipe auch aussehen. Markus Ritterbach, Ex-Präsident des Kölner Festkomitees und heute Kommandant, kann sich ein Grinsen nicht verkneifen: "Dass wir hier in der Überzahl sind, konnten wir nicht ahnen."

Karneval in der Düsseldorfer Kneipe

„Drink doch eine met, stell dich nit esu an" Bläck Fööss, „Drink doch eine met"

Weiter geht es zum "Närrischen Frühschoppen" im „Goldenen Kessel", dem Stammhaus der Brauerei Schumacher. Hier herrschen Zustände wie auf dem Kölner Autobahnring, es droht der Kollaps. Wir treffen seine Durch-Laucht, Sellerieprinz Manfred I. (54). Er schwärmt vom großen Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly, vom kleinsten Zug der Stadt in Itter ("Drei Wagen, fünf Fußgruppen, super!") und lästert über die Bühnenpräsenz des Prinzen: "Der Mann war mal Torwart bei der DEG, da ist Emotion doch total fehl am Platz."

Oder Eva Hlouschek (30), die für ihre Bürgerwehr einen Brauch wiederbelebt, der 54 Jahre ruhte: das Gerresheimer Grafenpaar. Die smarte junge Frau ist beruflich in der Computerbranche unterwegs und liebt in der Freizeit das Abtauchen in die Traditionen des Karnevals. Oder Jochen Kücking (84), seit vielen, vielen Jahren Stammgast im Schumacher. "<<Rivalität>> mit Köln? Ist doch alles Quatsch", sagt er, das sei "künstlich gemacht wie bei Schalke und dem BVB".

Hier in der Kneipe kommt alles zusammen, hier ist man nah an der Ursuppe des Karnevals. Hier kann der, der sich darauf einlässt, erleben, warum rheinischer Karneval Weltkulturerbe ist, ob Heimathirsch oder Imi, ob Düsseldorfer oder Kölner. Wenn die "verkommenste Garde der Stadt" zur "Schwarzen Natascha" tanzt, wenn die Gläser klirren mit leckerem Bier, wenn der Lappenclown dem Gardisten um den Hals fällt, dann fühlt sich das an wie Heimat.

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Jecker Austausch: Eva Hlouschek und Stefan Worring vom „Kölner Stadt-Anzeiger“

Der Autor Stefan Worring (59) ist Fotograf und stellvertretender Lokalchef. Worring ist seit 37 Jahren Imi aus Kurpfalz, er hat einen Bildband über den Karneval veröffentlicht und ist Teil des Jecken Teams des „Kölner Stadt- Anzeiger“.

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