Veedelszöch im Kölner SüdenDas Herz des Karnevals schlägt in den Veedeln

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Wo bleiben die Kamelle? Erwartungsvoll in Weiß.

Südstadt

Europawahl-Stimmung

Europawahl-Stimmung

„Wir feiern hier jedes Jahr Jubiläum“, sagt Zugleiter Hans Mörtter, „schließlich haben wir jedes Jahr ein Jahr mehr.“ Mit 348 Teilnehmern hatte der Veedelszug in der Südstadt vor 21 Jahren begonnen, heute laufen mehr als 3300 Jecken mit. Zahlreiche Grundschulen und Kindergärten waren ebenfalls dabei. Darunter die Kita Villa Luna, die sich passend zum Namen mit Pappe und Mülltüten als Mond und Sterne verkleidet hatten. „Wir haben ganz kurzfristig zugesagt“ sagt Leiterin Vimalas Borsch. Sterne gab es auch bei der Gruppe von Pulse of Europe, die sich als Einstimmung auf die Europawahl im Mai mit blauen Europa-Flaggen schmückte. Ein Thema, dass auch die Ortsgruppen der Grünen und der CDU aufnahmen. (hof)

Raderthal 

Die Studien-Clique ist als Bushaltestellen gekommen.

Die Studien-Clique ist als Bushaltestellen gekommen.

Die Jungs und Mädels haben sich beim Studieren in Bayreuth kennengelernt. Jetzt stehen sie mitten auf der Schulze-Delitzsch-Straße und warten auf den kleinsten Zug der Stadt. Mit einem perfekten Gruppenkostüm. Gelbe Ponchos und grüne Schilder: Sie sind Bushaltestellen. Um den Hals hängen Fahrpläne aus ihren Heimatdörfern. Nun stehen sie aber mitten im Trubel. Denn der Zug in Raderthal mag zwar klein sein – das „Reiterkorps“ bestehend aus zwei Schaukelpferden ist in diesem Jahr um zwei Stockpferde gewachsen – die Stimmung ist aber riesig. „Das ist eine schöne Veranstaltung und lokal organisiert“, sagt Johannes Remy, der die Studienfreundinnen seiner Schwester, die mittlerweile in Köln wohnt, hierher gelotst hat. „Der Zug ist die Seele der ganzen Aktion“, sagt Manfred Linke, der seit Jahrzehnten in der Straße wohnt und die mittlerweile neunte Ausgabe mitorganisiert hat. Er spricht aber von einem Straßenfest, auf das seine Nachbarn und er ein halbes Jahr hinarbeiten. Inzwischen ist viel Routine dabei. Und doch ist hier alles ein wenig anders. Wenn Linke von einem „klassischen Dreigestirn“ spricht, meint er lediglich, dass nicht wie im Vorjahr erneut drei glatzköpfige Männer das Trifolium der Straße verkörpern. In diesem Jahr wurde die Ehre Bauer Olaf, „Prinzin“ Sonja und Jungfrau Nina zuteil. Die Kostüme sehen amtlich aus.

Robert Treutel (l.) alias Comedian Bodo Bach war in Weiß neben FC-Veteran Karl-Heinz Thielen mit von der Partie.

Robert Treutel (l.) alias Comedian Bodo Bach war in Weiß neben FC-Veteran Karl-Heinz Thielen mit von der Partie.

Und doch kommt niemand in der Schulze-Delitzsch-Straße auf die Idee, den Karneval zu ernst zu nehmen. Bevor das Dreigestirn sich an die Spitze des Zuges durch die Straße setzt, singt Anwohnerin Biggi Wanninger mit Nachbar Tino Selbach, dem Kölschen Tenor, begleitet von den „SDS-Allstars“ noch einige Lieder.

Am Abend steht die Präsidentin der Stunksitzung wieder im E-Werk auf der Bühne. „Das Straßenfest ist zusätzlicher Spaß für mich“, sagt sie. Sie liebe das Chaotische, Ungeordnete, das einen angenehmen Kontrast zur professionellen Sitzung darstellen dürfte. (phh)

Zollstock

Zollstocker Instrumente

Zollstocker Instrumente

In großen Schritten nähert sich die Teilnehmerzahl des Zollstocker Zochs der 1000: 957 Jecke in 28 Gruppen waren dieses Jahr dabei. Zum ersten Mal lief mit Andreas Brocke ein katholischer Pfarrer bei der Kita St. Maria Empfängnis mit. „Wir sind auch stolz, dass Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, auf dem Prunkwagen der GAG mitfährt“, sagte Michael Siegenbruck, 2. Vorsitzender der Freunde des Zollstocker Veilchendienstagszuges. Als dritter prominenter Gast ließ Achim Petry, Sohn des Sängers Wolfgang Petry, vom Wagen der „Chevaliers“ Kamelle regnen. Bei Sonnenschein zogen so Clowns, Aliens, Musikinstrumente oder „rut un wiess“ verkleidete Jecken durch die Straßen. (lgr)

Weiß

Momentaufnahme: Ein stolzer Pirat mit einer kölschen Amazone

Momentaufnahme: Ein stolzer Pirat mit einer kölschen Amazone

Karl-Heinz Thielen steht vergnügt auf dem Senatswagen der Weißer KG Kapelle Jonge. Die Karnevalisten sind sichtlich stolz, ihn dabei zu haben. Der 78-Jährige spielte in der Mannschaft des 1. FC Köln, die im ersten Jahr der Bundesliga, 1963, Deutscher Meister wurde. Mit 15 Toren hatte der Weißer daran großen Anteil. Bislang hat er den Karnevalszug immer mit seiner Familie als Zuschauer verfolgt. In diesem Jahr aber hat ein anderer Weißer Jeck Thielen als Gast auf dem Wagen der KG vorgeschlagen. Comedian Robert Treutel, besser bekannt als Bodo Bach und seit einigen Jahren Weißer, durfte im Vorjahr schon die „Jonge“ beim Werfen von Kamelle und Strüssjer unterstützen. Er überredete Thielen, ihn zu begleiten. „In meinem Alter, da habe ich für solche Sachen ja nicht mehr viel Zeit“, sagt Thielen mit einem breiten Grinsen. Von hier oben sei das ja schon etwas ganz anderes, freut er sich.

Zum 57. Mal ziehen die Weißer durch ihr Dorf. 35 Gruppen haben sich eingefunden mit rund 1250 Teilnehmern. Die Schüler der Albert-Schweitzer-Schule werden musikalisch wieder von ihrer eigenen Samba-AG unterstützt. Die „Weißer Dorftussis“ sind gewohnt auffällig gekleidet. Das Tanzcorps Agrippina Colonia begeistert die Zuschauer zwischendurch mit ihren Choreografien samt imposanten Hebefiguren. In vielen Vorgärten und Garageneinfahrten haben sich die Weißer mit Buffets und Kölsch auf den Zug vorbereitet. Zum ersten Mal überhaupt sind in diesem Jahr die Feldhamster dabei – Eltern, Erzieherinnen und Kinder aus der Kita auf dem Sürther Feld. „Wir dachten, wir gehen einfach mal mit“, erläutert Jennifer Hauslik. Die Erzieherin sagt, die Idee sei spontan entstanden. 120 Eltern, gut die Hälfte, haben mitgemacht. Gemeinsam haben sie Kostüme gebastelt und Wurfmaterial organisiert. „Wir haben daraus einen Elternabend gemacht“, sagt Hauslik. Mit lohnendem Ergebnis: Den kleinen Hamstern macht es sichtlich großen Spaß. (phh)

Sürth

1966: Ein einziger Wagen fuhr im allerersten Zug mit.

1966: Ein einziger Wagen fuhr im allerersten Zug mit.

Alle Jahre wieder zieht ein bunter und gut gelaunter drei Kilometer langer Lindwurm durch die engen Straßen in Sürth. Eine Mischung aus Musikkapellen, Fußtruppen und üppig geschmückten Festwagen. Für zwei Männer aber ist der diesjährige Zug etwas ganz Besonderes: Paul Münsberg und Hans Reinartz sind die Gründungsväter des Sürther Karnevalszuges.

„Wir waren die Stammtischbrüder „Klävbooze“ und trafen uns regelmäßig auf ein Kölsch in der Alten Post. Dort an der Theke ist die Idee entstanden, einen eigenen Karnevalszug auf die Beine zu stellen“, erzählt der heute 85-jährige Paul Münsberg.

Gemeinsam mit den inzwischen verstorbenen Karl Babel, Ferdi Hardt, Karl Loggen, Helmut Mauer, Peter Krützer und Albert Wirth bauten die acht Männer in der Schreinerei Münsberg &Wirth einen Festwagen mit dem Motto „Die Gentlemen bitten zur Kasse“ und zogen damit am Karnevalssonntag durch Sürth. Das war 1966. „Wir hatten Kamelle, selbst gebundene Strüßje und mehr Zuschauer als Zugteilnehmer“, erinnert sich der 85-Jährige. Dieser Wagen war der Startschuss einer Tradition. „Wir Klävbooze haben anfangs alles aus der eigenen Tasche bezahlt; aber das wurde einfach zu teuer, deshalb haben wir 1969 in der Gaststätte Maassen einen Verein gegründet. Ganz ordentlich: Mit Vorsitz, Schriftführer und vor allem einem Schatzmeister“, sagt Paul Münsberg. Der erste Karnevalszug nach der Vereinsgründung mit dem Motto „Es ist zu schön um wahr zu sein“ hatte beachtliche zehn Wagen, vier Fußgruppen und fünf Musikkapellen. Seitdem wurde der Sürther Karnevalszug von Jahr zu Jahr länger, bunter, aber auch kostspieliger. „In den letzten Jahren haben wir unser Budget durch Haussammlungen aufgestockt. Da kamen immer zwischen 6000 und 7000 Euro zusammen. Leider gab es dieses Jahr keine Freiwilligen mehr, die mit der Sammelbüchse von Tür zu Tür ziehen wollten. Um den Karnevalszug nicht zu gefährden, haben wir deshalb eine Teilnahmegebühr von zehn Euro pro Person eingeführt. Die Kindergärten und Grundschulen zahlen eine Pauschale von 100 Euro. „Leider gab es deshalb viel Unmut“, so die Vereinsvorsitzende Ingrid Birkenhauer.

Rolf Bahr, Geschäftsführer der IG Sürther Karnevalszug, bedauert, dass die Jugend und die vielen Neubürger sich nur zögerlich oder gar nicht ehrenamtlich engagieren. „Brauchtum und Tradition sind doch das Herzstück eines Veedels, dies aber kann nur erhalten werden, wenn die Sürther auch bereit sind, mal zwei Stunden ihrer Freizeit zu opfern oder zu spenden.“ 50 Jahre ist schon eine stolze Zahl, ein runder Geburtstag, und es wäre doch sehr schade, wenn in zehn Jahren am Karnevalssonntag alle Sürther nach Rodenkirchen fahren müssten, um bütze, schunkele und fiere zu können.

Meschenich

Vor Kölnberg und Eigenheim: Pänz im Meschenicher Zoch

Vor Kölnberg und Eigenheim: Pänz im Meschenicher Zoch

Der neue Weg für die 229 Teilnehmer, die sich in diesem Jahr dem Zug durch den südlichsten linksrheinischen Stadtteil angeschlossen haben, beginnt hinter der Kirche an der Brühler Landstraße, verlässt die Hauptstraße schnell Richtung Unterdorf und endet kurz vor dem Friedhof. Kinderfreundlicher sollte die neue Strecke sein. Dennoch zählen die Organisatoren rund um Hans-Peter Waser von der Bürger- und Vereinsgemeinschaft etwas weniger Teilnehmer als in den vergangenen Jahren. Einer der Gründe liegt bei den Älteren: Das Damenkomitee der Löstigen Krade hat sich aufgelöst. Die Karnevalistinnen, die als eine der ersten Frauengesellschaften auf Kölner Stadtgebiet aktiv waren, haben angesichts fehlenden Nachwuchses aufgegeben. Dennoch ist eine Handvoll in der kleinsten Gruppe im Meschenicher Zug mitgegangen. Eva Zink, 63, Marese Schöpe, 63, die Ehrenpräsidentin der Krade Maria Schäfer und andere wollten nicht gänzlich auf die Teilnahme verzichten. Das Schild am Bollerwagen der vier Damen weist sie als „Golden Girls“ aus. „Wir wollen, dass die Tradition nicht ganz stirbt“, sagt Schäfer, die am Aschermittwoch Geburtstag feiert.

Gut gelaunt und seit längerem zum ersten Mal wieder dabei: Die Herrenmannschaft des SC Meschenich. Zur guten Laune beigetragen hat zwischenzeitlich das 1:0 des FC. Trainer Maikel Zimmermann hält sein Telefon über die Köpfe seiner Mannschaft. Die Jungs haben aber auch sonst reichlich Grund für Ausgelassenheit. Auf ihrem Vereinsgelände entsteht bald ein nagelneuer Kunstrasenplatz. Und sie spielen nach jahrelanger Durststrecke wieder um den Aufstieg in ihrer Spielklasse. Grund dafür ist neuer Schwung, den Zimmermann und sein Mitstreiter Kevin Vehle in die Mannschaft gebracht haben. Die beiden Endzwanziger sind gebürtige Meschenicher. Ihnen liegt der Verein sichtlich am Herzen. Der Karneval, so scheint es an diesem Tag, kaum weniger. (phh)

Rodenkirchen

Den Artikel zum Zoch in Rodenkirchen finden Sie hier.

Godorf

Wurfgewaltige Pharaonen beim Zug in Godorf

Wurfgewaltige Pharaonen beim Zug in Godorf

Ob Pharaonen oder Hunnen, beim Rosenmontagszug in Godorf durften sich alle Jecken über Besucher aus einer vergangenen Zeit freuen. Die 250 Zugteilnehmer waren aufgeteilt in 14 Gruppen und beglückten die jecke Schar von 11.30 bis 13.15 Uhr mit Kamelle und guter Laune. Der Godorfer Rosenmontagszug ist klein, aber: „Die Teilnehmerzahl bleibt seit einigen Jahren auf diesem Level – Gott sei Dank“, sagt Zugleiter Peter Koch, der zur veranstaltenden KG Die Hexen gehört. Selbst einen Kinderprinzen hatten die Godorfer: Paul I. (Hecker) vom Garde Corps Blau-Gelb Colonia schloss den Zug. Vor sich hatte die Kindertollität unter anderem die Löstige Mädche un Junge von Godorf, Scheng & Co, die Godorfer Hunnen, „den letzten Piraten von Godorf“, eine einzige Piratin und die KG Voll un Doll, die es sich im Steampunk-Stil in einem Bierfass gemütlich gemacht hatte. (mepo)

Hochkirchen/Rondorf

Samba op d’r Stroß beim Zug durch Hochkirchen und Rondorf

Samba op d’r Stroß beim Zug durch Hochkirchen und Rondorf

Der Umzug kroch im Schneckentempo voran, weil viele Zugteilnehmer am Straßenrand immer wieder Bekannte entdeckten. Großes Hallo, dann wurde mit vollen Händen verteilt, Popcorn, Erdnussflips, Strüßjer. Auch Live-Musik gab es reichlich. Außer der Trommelgruppe Samba del Rondo waren die anderen Kapellen von weit her angereist. Die Spielmannszüge Komet und Hinschenfelde etwa kamen aus Hamburg. Mario Kotaska steckte dahinter. Der TV-Koch lebt in Rondorf. Am Ende des Zochs, organisiert von der KG Löstige Öhs und der KG Der Reiter, fuhr das Rodenkirchener Dreigestirn, Prinz Jörg I., Jungfrau Johanna und Bauer Uli. Für sie ist es Ehrensache, die Züge im Kölner Süden zu begleiten. „Wir wollen die Leute ermuntern, ihren eigenen Karneval im Dorf zu feiern statt in der Innenstadt bei kommerziellen Events mitzumachen“, so Prinz Jörg. (kaw)

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