Weltall bis ZirkusDiese Karnevalskostüme sind in Kölner Läden besonders begehrt

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Julia Klamp kauft Goldstoff für „Stars und Sternchen“

Julia Klamp kauft Goldstoff für „Stars und Sternchen“

Köln – Wenn der große Karl das hören könnte! Er würde posthum herzlich lachen. Dass Kölner Karnevalisten einen Faible für Goldknopfjacken haben, ist ja nicht neu. Aber dass im „Karnevalshaus“ auf der Breite Straße nach Auskunft einer Verkäuferin von all den zurzeit gefragten Uniformen vor allem die Napoleon-Uniform verlangt wird, hätte den vor einer Woche verstorbenen Modezaren mit seiner offen deklarierten Abneigung gegen kleine Männer gewiss im höchsten Maße amüsiert. Napoleon Bonaparte war bekanntlich keine 1,70 Meter groß. Aber vielleicht wollen die uniformierten Jecken kommende Woche noch über sich hinauswachsen.

Was sie auf jeden Fall wollen: ins Weltall. Alles, was mit Sternen zu tun hat, mit Star Wars, sei der Hit, sagt Bianca Breuer. Der Inhaberin von „Else Seasons“ wurde in den letzten Tagen buchstäblich alles aus den Händen gerissen oder vom Bügel gezerrt, was silber ist. Sie stellt außerdem fest, dass immer mehr selber gemacht und selber zusammengestellt wird. Auch das Thema Nachhaltigkeit sei inzwischen im Karneval angekommen. „Hauptsache, ich kann das Kleid im Sommer noch mal anziehen“, laute ein häufiges Argument.

Vor diesem Hintergrund hat Breuer gut daran getan, sich seit Monaten mit Hippie-Kleidern einzudecken, die man auch bei einer sommerlichen Gartenparty tragen könnte. Das allerschönste im Karnevalsgeschäft ist nach Worten der Geschäftsfrau, dass man alle so leicht glücklich machen könne. Ob ein Kleid hundertprozentig passe, ob zu viel Bauch oder zu wenig Busen vorhanden sei, spiele in diesen Tagen keine Rolle.

Harlekin, Zirkusdirektor und natürlich Clowns

Selbst gemacht ist für Nicole Schönemann seit jeher ein Thema. Ihre Mutter Hannelore habe bereits vor 35 Jahren in Sülz als erste in Köln eine Boutique für individuelle Karnevalskleidung eröffnet. Sie selber schneidert seit etwa einem Vierteljahrhundert jecke Kostüme auf Kundenwunsch. „In diesem Jahr ist das Zirkus-Thema groß.“ Harlekin, Zirkusdirektor und natürlich Clowns. Aber auch das, was im Zirkus zunehmend verpönt ist, werde auffallend gefragt: Tiere. „Giraffen, Zebras, Wildkatzen.“ Individuell geschneidert und ein wenig auf sexy getrimmt. Extrem wichtig dabei: „Das passende Täschchen zum Kostüm.“

In Richtung Weltall wird sich auch Julia Klamp aufmachen. Gemäß dem Motto „Stars und Sternchen“ hat die Lehrerin gerade einen goldenen Stoff erstanden. Es verdichten sich aber auch Hinweise darauf, dass viele Jecken kostümtechnisch Anleihen bei Verstorbenen machen werden. Bei Lagerfeld, klar, aber auch bei Freddie Mercury.

Ausgepolstertes Sixpack auf dem Bauch

Ein letztes Mal zupft Alexander Barth den roten Umhang an seinem Rücken zurecht, streicht über das ausgepolsterte Sixpack auf seinem Bauch, blickt prüfend an seinem blauen Anzug herunter und nickt seinem heroischen Bild im Spiegel eines Kölner Karnevalsausstatters zu – die Entscheidung zugunsten des Supermankostüms ist gefallen. Wie der Frontmann der Kölner Karnevalsband „Rabaue“ sind viele Jecken in letzter Minute auf der Suche nach einem originellen Karnevalsoutfit – und teils ganz schön im Stress: Sich von der Masse abzuheben, werde nämlich immer entscheidender.

„Natürlich ist das absolut wichtig“, sagt Barth. „Du wirst gesehen und willst gesehen werden. Da muss es schon etwas Aufregendes sein.“ Seine Freunde, erzählt der 33-Jährige, gehen dieses Jahr wieder als Cowboys – doch das sei langweilig. Mit 49 Euro ist das Supermankostüm jedenfalls noch unterhalb seiner magischen 111-Euro-Schmerzgrenze, sagt Barth.

Als Individuum auffallen

Nicht nur zur Masse dazuzugehören, sondern als Individuum aufzufallen, werde immer wichtiger, berichtet Corinna Dahlhaus, die beim Karnevalsausstatter Deiters für den Kostümeinkauf zuständig ist. Entsprechend groß ist das Sortiment der Ausstatter: Piratenkutten, Prinzessinnenkleider, Marienkäferflügel und silberig glitzernde Ganzkörperanzüge mit angenähtem Einhorn hängen neben Undefinierbarem in – so scheint es – möglichst Bunt. Daneben Perücken, Brillen, Hüte, Pappnasen in sämtlichen Formen, Farben und Größen. Ebenfalls gefragt: Verkleidungen zum Pantomimen mit schwarz-weißem Oberteil, hellen Samthandschuhen und französischer Baskenmütze sein.

Luisa Mennicken sucht nur ein goldenes T-Shirt – bisher ohne Erfolg. „Meine Freundinnen und ich wollen als Sonne, Mond und Sterne gehen, den Rest haben wir schon“, berichtet die 22-Jährige. „Wir versuchen immer etwas zu haben, was nicht jeder hat.“ Für ihr Zweitkostüm, das der Kinderbuchfigur Karlsson vom Dach nachempfunden sein soll, hat sie sogar einen Propeller zum Anschnallen auf dem Rücken selbst gebastelt. „Weil es einfach individueller ist.“

SEK-Outfits ganz oben auf der No-Go-Liste

Glaubt man auch der Bilanz anderer Jecken, scheinen insbesondere SEK-Outfits – dem Anschein nach in den vergangenen Jahren relativ beliebt – mittlerweile auf der No-Go-Liste ganz oben zu stehen.

Wie sehr sich Kostümgeschmäcker ändern können, fällt jetzt auch Willi (70) und Hannelore Vosen (69) bei ihrem Rundgang auf. „So hätten wir uns früher niemals rausgetraut“, berichten sie – und zeigen auf einen Ständer, auf dem neben Nonnenkutten und Priesterhemden sogar ein Bischofskostüm hängt. „Man merkt, dass es bei vielen Dingen heute einfach offener zugeht.“ Doch ihnen gefalle das Angebot.

Große Auswahl für Last-Minute-Käufer

Die große Auswahl kommt den Last-Minute-Käufern sehr zugute. In der Hand ein giftgrünes Oberteil, wühlt sich Philipp Ruhmhardt durch das Sortiment: „Es ist jedes Jahr erneut der Kampf“, sagt er lachend. „Aber das gehört ja auch zur Show.“ Für den letzten Schliff seiner Verkleidung zum Comic-Bösewicht „Joker“ fehle dem 37-Jährigen immerhin nur noch eine Kleinigkeit, für eine entspannte Bestellung im Internet dafür aber auch die Zeit.

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Für Unentschlossene in letzter Minute hat Kostümexpertin Corinna Dahlhaus einen Tipp: „Wer gar keine Zeit mehr hat, für den ist ein Clownkostüm sehr empfehlenswert. Da muss man nur noch eine Pappnase, eine Perücke und eine Konfettikanone nachkaufen, die bekommt man selbst am letzten Tag noch überall. Und passende ausgefallene Sachen hat jeder im Schrank.“

Einige Gänge weiter hat sich Alexander Barth einen grauen Nadelstreifenanzug mit roter Ansteckblume über das Supermankostüm geworfen und begutachtet sich erneut vorm Spiegel und bilanziert: „Damit wird es noch mehr zum Hingucker.“

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