Keim-Ausbruch in Kölner Radiologiepraxis„Warum wurden wir nicht früher informiert?“

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Petra J. leidet bis heute unter den Folgen der Infektion. Die Ärzte diagnostizierten einen „lebensbedrohlichen Zustand“. 

  • In der Kölner Radiologiepraxis des Medizinischen Versorgungszentrums in der Zeppelinstraße haben sich 28 Patienten mit einem gefährlichen Bakterium angesteckt.
  • Dies hatte für die Patienten zum Teil schwere Folgen. Franz O. ist drei Monate nach der Behandlung gestorben.
  • Betroffene kritisieren nun fehlende Kommunikation.
  • Wir haben mit den Betroffenen gesprochen und bei der Geschäftsführung nachgefragt.

Köln – „Mehr als vier Monate geht das jetzt schon so“, sagt Inge A.: „Aber ich lass mich nicht unterkriegen.“ Die 70-jährige Kölnerin ist eine der Patientinnen, die im Medizinischen Versorgungszentrum MVZ in der Innenstadt mit einem Keim infiziert wurden. Durch eine CT-gesteuerte Spritze in den Rücken, mit der ihre chronischen Schmerzen an der Wirbelsäule bekämpft werden sollten.

Einige Tage nach der Injektion ist sie Anfang Februar dieses Jahres als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert worden. „In letzter Sekunde“, wie sie sagt. Der Keim hatte eine lebensbedrohliche Hirnhautentzündung verursacht. Seitdem bekommt Inge A. hochdosierte Infusionen mit Antibiotika, wurde schon dreimal als angeblich geheilt aus der Klinik entlassen – und musste wieder zurück. „Weil der Keim zurückgekommen ist.“ Das Antibiotikum wurde deswegen bereits gewechselt. Immer wieder ist sie seitdem am Rückenmark punktiert worden. Denn die Entzündungswerte können nur im Gehirnwasser verlässlich gemessen werden. „Die Werte sind zwar rückläufig, aber das waren sie schon häufiger“, sagt A..

Mehrere Patienten betroffen

Nicht nur bei Inge A. ist ungewiss, ob sie je wieder ganz gesund wird. Nach der ersten Berichterstattung meldeten sich mehrere Patienten beim „Kölner Stadt-Anzeiger“, die bis heute in Behandlung sind, einige von ihnen stationär, mindestens einer auf einer Intensivstation. Neben Inge A. weiß die Redaktion von zwei weiteren Patienten, die vermutlich infolge der Infektion im MVZ eine Meningitis erlitten.

Die Praxis sprach in ihrer letzten Stellungnahme von 28 Betroffenen, Experten vom größten Ausbruch dieses Keims aus einer ambulanten Praxis in ganz Europa. Franz O. war drei Monate nach der Spritzenbehandlung gestorben – seine Witwe Ursula O. fühlt sich von der Praxis „schlecht und viel zu spät informiert“. Ähnlich geht es mehreren Betroffenen. „Die Krankheitsverläufe hätten bei einer sofortigen Information durch das MVZ vermutlich bei einem Großteil der Patienten bei weitem nicht die Schwere erreicht“, glaubt Petra J. Die Kölnerin ist eine von mehreren Patienten des MVZ, die sich meldeten.

„Eine Information aller eventuell betroffenen Patienten hätte meiner Meinung nach beim ersten Verdacht – also vermutlich schon in der Woche vor Karneval – erfolgen müssen, spätestens aber bei der Schließung der Abteilung an Karneval. Stattdessen habe ich erst am 28. März von den verunreinigten Spritzen erfahren.“ sagt Petra J. „Warum nur so spät?“

Anruf- und Briefaktion, um Patienten zu erreichen

Das MVZ hatte gegenüber dieser Zeitung angegeben, am 2. März von der Kölner Uniklinik über den Verdacht „miteinander zusammenhängender Infektionen nach Infiltrationstherapie“ informiert worden zu sein. In der Folge sei das Gesundheitsamt eingeschaltet und die Therapieform ausgesetzt worden. 

Michael Herbrik, ärztlicher Geschäftsführer des MVZ, hatte auf die Frage, warum einige Betroffene erst Ende März informiert wurden, geantwortet, dass die Praxis erst da „die Information über mehrere weitere betroffene Patienten“ erhalten habe. „Leider wurde zudem festgestellt, dass mehrere Patienten nicht hinreichend informiert wurden, so dass eine unmittelbare Anruf- und Briefaktion initiiert wurde, um auf diesem Wege sicherzustellen, dass sämtliche potentiell betroffene Patienten informiert sind und im Bedarfsfall einer schnellen Behandlung zugeführt werden.“ Diese Anruf- und Briefaktion erreichte offenbar nicht alle Patienten. Mehrere Betroffene sprechen davon, nie eine Nachricht der Praxis erhalten zu haben.

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Konfrontiert mit harscher und detaillierter Kritik von Patienten, die sich infolge der ersten Berichterstattung dieser Zeitung meldeten, verwies das MVZ auf laufende Ermittlungen.

Petra J. erhielt im Zeitraum von Dezember 2018 bis Februar 2019 Spritzen in der Praxis. Am 9. Februar hatte sie Schüttelfrost und starkes Fieber, vier Tage später war ihr übel, starke Kopfschmerzen überfielen sie. Am 3. März trat erneut hohes Fieber auf, am 4. März ging sie in ein Kölner Krankenhaus. Hier wurde das Bakterium Pseudomonas aeruginosa festgestellt. Zehn Tage später wurde sie entlassen – der Ursprung des Keims konnte zunächst nicht lokalisiert werden.

Angeblich „defekte Geräte“ 

Am 22. März folgte die Termin-Absage für eine erneute Spritze im MVZ. Wegen „defekter Geräte“, hieß es. Diese Auskunft erhielten mehrere Patienten . Fünf Tage später wurde J. erneut mit Fieber und Schüttelfrost ins Hospital eingeliefert. Erst am 28. März wurde sie telefonisch über die Ursache ihrer Beschwerden informiert. „Nun wusste ich endlich, wo der Fokus lag und teilte dies den Ärzten mit. Ein erneutes MRT zeigte starke Entzündungen und Abszesse in der Lendenwirbelsäule. Die Ärzte wiesen mich darauf hin, dass ich mich in einem lebensbedrohlichen Zustand befinde.“

Wenige Tage später wurden die Abszesse operativ entfernt, die Wirbelsäule gespült. Petra J. nimmt seit Monaten hochdosiert Antibiotika und soll sich möglichst wenig bewegen. „Die Entzündung ist weitergezogen in die Wirbelkörper und Bandscheiben. Ob ich je wieder sportlich so aktiv sein und Motorrad fahren kann wie vorher, weiß ich nicht. Im Moment fühle ich mich wie ein Wrack.“  

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