Keine Unterlagen für Briefwahl„Da will man wählen, und die Stadt kriegt es nicht hin“

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Briefwahlunterlagen der Stadt Köln

  • Knapp 167.000 Briefwahlanträge sind bei der Stadt Köln vor der Europawahl am Sonntag eingegangen.
  • Doch mit der Bearbeitung scheint das Wahlamt überfordert. Tausende Briefwahlunterlagen sind bislang nicht angekommen, weil Anträge bis heute nicht bearbeitet worden sind.
  • Viele Kölner haben jetzt Sorge, ihre Stimme nicht abgeben zu können. Es ist nicht die erste Panne der Stadt Köln bei einer Wahl.

Köln – Noch sind es fünf Tage bis zu der Wahl, die über Europas Zukunft entscheiden soll. Möglichst viele Menschen sollen ihre Stimme abgeben – zuletzt warb dafür am Sonntag die Großdemonstration „Ein Europa für alle“ in Deutz. Doch in Köln ist es zumindest für Briefwähler nicht so einfach, sich zu beteiligen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ gibt es erhebliche Schwierigkeiten.

Mehr als 2200 Bürger haben sich inzwischen beim Wahlamt darüber beschwert, dass die Stadt ihnen die vor Wochen beantragten Unterlagen für die Briefwahl noch immer nicht zugeschickt hat.

Laut Angaben der Stadt sind bis Dienstagnachmittag knapp 167.000 Briefwahlanträge eingegangen – 125.000 rote Wahlbriefe, in denen sich die abgegebenen Stimmen befinden, kamen wieder zurück. 800 verschickte Wahlunterlagen waren nicht zustellbar. Was mit den anderen mehr als 41.000 Anträgen geschehen ist und ob sie bereits bearbeitet wurden, bleibt unklar. Sollten sie noch nicht bei den Antragstellern angekommen sein, wird es mit der Briefwahl extrem knapp. Daher bittet die Stadt darum, ausgefüllte Wahlbriefe umgehend in die Briefkasten der Post oder der Verwaltung zu legen.

Briefwahl und Direktwahl

Wer noch Briefwahlunterlagen zu Hause hat, sollte diese schnellstmöglich abschicken. Wahlbriefe können auch beim Wahlamt in Kalk (Ottmar-Pohl-Platz 1), geöffnet bis Freitag täglich von 8 bis 18 Uhr, abgegeben oder in die Hausbriefkästen eingeworfen werden. Diese werden bis Sonntag 18 Uhr geleert. Später eingegangene Stimmen werden nicht mehr berücksichtigt. Die Briefwahlscheine werden wie die anderen Stimmzettel am Sonntagabend ab 18 Uhr ausgezählt.

Die Direktwahlschalter in den neun Kundenzentren der Stadt sind am Mittwoch von 7.30 bis 14 Uhr, am Donnerstag von 7.30 Uhr bis 18 Uhr und am Freitag von 7.30 Uhr bis 14 Uhr geöffnet. (arb)

Das alles nutzt aber nichts, wenn gar keine Briefwahlunterlagen angekommen sind – wie im Fall von Bruno Griskewitz. „Da will man wählen, und die Stadt kriegt es nicht hin“, sagt er. Seine Frau und er haben Anfang Mai die Briefwahlunterlagen beantragt, aber seitdem nichts mehr vom Wahlamt der Stadt gehört – bis Montag. Da rief Griskewitz unter der auf der Wahlbescheinigung angegebenen Telefonnummer bei der Stadt an. Die Auskunft: Der Antrag wurde noch gar nicht bearbeitet. Eigentlich wollte das Ehepaar über den Wahltag in den Urlaub fahren, nur durch Zufall sind sie noch in der Stadt. „Selbst wenn sie es jetzt noch bearbeiten, kann das ja nicht sein. Normalerweise wären wir jetzt weg“, ärgert sich der 64-Jährige.

Mit diesem Problem ist das Ehepaar Griskewitz nicht alleine. Auch Hans Junggeburth aus dem Severinsviertel hat am 4. Mai einen Briefwahlantrag abgeschickt. „Ich kenne ein halbes Dutzend Leute, die sagen, dass sie keine Unterlagen erhalten haben“, sagt der 81-Jährige. Nach zehn Tagen – so lange soll der Prozess durchschnittlich dauern – rief der auch Junggeburth bei der Behörde an. Ob der Antrag eingegangen sei und bearbeitet werde, fragte er. „Das können wir nicht prüfen, hieß es“, so Junggeburth.

Als er nach ein paar Tagen das zweite Mal anrief, sagte man ihm, er solle selbst zum Wahlamt am Laurenzplatz kommen. „Ich bin auch nicht mehr der Jüngste, aber glücklicherweise noch recht mobil“, sagt der Rentner von sich selbst. Also ging er gemeinsam mit seiner Frau zum Wahlamt. Doch auch dort konnte man ihm keine zufriedenstellende Auskunft geben.

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Ähnlich ging es Thomas Jansen aus Rondorf. Er rief gestern bei der Stadt an: „Mir wurde mitgeteilt, dass man von der Vielzahl der Anträge überrascht gewesen sei und mit der Bearbeitung nicht nachkomme“, erzählt der 55-Jährige und befindet: „Das ist doch wieder typisch für die Stadt Köln." Es sei ein Skandal, findet auch Hans Junggeburth: „Es ist ja fast schon eine Wahl-Behinderung oder –verhinderung“, sagt der Rentner. Auf diesem Wege würden tausende, möglicherweise zehntausende Stimmen verloren gehen.

Stadt reagiert gelassen

Die Stadt reagiert jedoch gelassen auf die Beschwerden. „Alle Anträge, die das Wahlamt vorliegen hat, sind mit ein bis zwei Tagen Versatz abgearbeitet beziehungsweise an Druckdienstleister übergeben worden“, teilte das städtische Presseamt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Auch die Postdienstleister hätten keine Rückstände, so die Verwaltung. Zudem vermutet man bei der Stadt Fehler bei den Wählern: „Das Wahlamt kennt Fälle, bei denen Bürger sagen, sie hätten Unterlagen angefordert und nicht erhalten – während bei uns im Haus nie Anträge eingegangen sind“, sagte ein Stadtsprecher.

Nicht zum ersten Mal hakt es in Köln im Zusammenhang mit den Wahlen. Bereits vor der Bundestagswahl 2017 kam es vermehrt zu Pannen. So führte ein Produktionsfehler bei einem von der Stadt beauftragten Unternehmen dazu, dass mangelhafte Briefwahlunterlagen verschickt wurden. Bürger erhielten Wahlumschläge, deren Unterseite offen waren. Zudem befand sich der QR-Code zur Beantragung der Unterlagen genau dort, wo der Brief gefaltet worden war und war so für Smartphones unlesbar.

Die schwerwiegendste Panne unterlief der Stadt jedoch bei der OB-Wahl 2015. Aufgrund fehlerhafter Stimmzettel musste die Wahl um fünf Wochen verschoben werden. Mehr als 800.000 Wahlbenachrichtigungen mussten neu gedruckt werden. Es entstanden zusätzliche Kosten in Höhe von 550.000 Euro.

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