Kinder aus der Ukraine malen vom KriegGrab für Putin, Panzer zwischen Kinderwagen

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Anastasia (11)

Köln – Sie kommen aus Lwiw, Czernowitz und Kiew, Donezk, Slawske und Irpin. Ihre Blicke sind freundlich und viel zu erwachsen. In der Ferdinand-Lasalle-Realschule in Mülheim sind 20 Kinder aus der Ukraine gestrandet. In einem Projekt mit ihrer Lehrerin Mariya Kautz haben sie in Bildern ausgedrückt, was sie bewegt: Uliana (11) und Julia (12) haben ein Grab für den russischen Präsidenten Vladimir Putin gemalt, Oleksandr (13) eine Frau in blau-gelbem Gewand, die über einem zerstörten russischen Panzer steht, Anastasia (11) eine blutende Frau vor einer Friedenstaube und Panzer zwischen Kinderwagen.

Kinder in Kölner Klassen

Nachdem die Familie einer Schülerin zwei ukrainische Kinder und ihre Mutter aufgenommen hatte und die Kinder mit in den Unterricht brachte, startete die Schule mit zwei Lehrerinnen, die aus der Ukraine kommen, einen Aufruf – mehr als 50 Kinder hätten gleich am nächsten Tag aufgenommen werden können. Statt eine Willkommensklasse zu gründen, wurden die Kinder auf die bestehenden Klassen aufgeteilt, Deutsch als Fremdsprache und interkulturelle Kommunikation lernen sie abseits des Klassenverbands. Für die Mütter gibt es ein Elterncafé.

Mehr als die Hälfte der Kinder geflohen

„Nach einer ersten Spendenaktion wollten wir ein Zeichen der Solidarität setzen“, sagt Schulleiterin Marion Engels. „Es ist wichtig, dass die Kinder so schnell wie möglich in Schulen und Kitas integriert werden.“ Jetzt hofft die Schule, möglichst bald geflüchtete Lehrerinnen einstellen zu können.

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Mehr als die Hälfte der 7,5 Millionen Kinder sind seit dem Einmarsch der russischen Armee laut Unicef geflüchtet, 2,5 Millionen von ihnen in andere Länder. Es ist die größte Fluchtbewegung von Kindern seit dem Zweiten Weltkrieg. Millionen Kinder, denen durch den Krieg die Unbeschwertheit genommen wurde, das Vertrauen in die Welt – das sieht man in den Gesichtern der Kinder in Mülheim, die lächeln und doch verloren wirken.

Wir haben Julia, Oleksandr, Vira, Anatoli, Anastasia, Uliana und Viktoria nach ihren Heimatstädten und Hobbys, ihre Erfahrungen der vergangenen Wochen und ihren Wünschen für die Zukunft gefragt.

Julia (11)

Was sind Deine Hobbys?

Theater und Ukulele spielen.

Woher kommst Du?

Aus Irpin, einem Vorort von Kiew. Ich habe viele Bilder gesehen und weiß, dass Irpin jetzt fast komplett zerstört ist.

Ist Euer Haus auch getroffen worden?

Nein, aber ein Nachbarhaus. Durch die Sprengung sind alle Scheiben in unserer Wohnung explodiert. Ich habe Bilder davon gesehen.

Wann seid ihr geflohen?

Am 24. Februar, als der Krieg ausbrach. Wir waren zuerst noch bei meiner Oma in Czernowitz. Meine Ukulele konnte ich leider nicht mitnehmen. (Inzwischen hat eine Kölnerin Julia eine Ukulele geschenkt)

Was ist besonders schwer für Dich?

Dass ich meine Freundinnen nicht sehe. Und meinen Vater vermisse ich. Eine Freundin ist nach Lwiw geflohen, von einigen weiß ich nicht, wo sie sind. Der Vater von einer Freundin ist Chirurg – er muss seit Kriegsbeginn in einem Keller arbeiten.

Was hast Du gemalt?

Einmal Hände mit den Flaggen von der Ukraine und von Deutschland. Ich bin beeindruckt, wie herzlich wir aufgenommen wurden. Und dann ein Grab für den Mann, der diesen Krieg zu verantworten hat. Ich nenne seinen Namen nicht. Ich habe viele Bilder von Gräbern in meiner Heimatstadt Irpin gesehen.

Oleksandr (13)

Kannst Du kurz deine Heimatstadt beschreiben?

Czernowitz ist eine sehr alte Stadt mit schönen Häusern und Pflastersteinen in den Gassen.

Was macht Dich traurig, wenn du an deine Heimat denkst? Dass Papa dort ist und dass Krieg ist und wir nicht wissen, wie lange der Krieg dauert und wann wir zurückkönnen. Wir haben oft die Sirenen gehört, das war unheimlich.

Was sind Deine Hobbys?

Volleyball spielen und malen. In Köln male ich sehr viel. Ich höre dabei immer russische Musik – und dann entsteht einfach etwas.

Kannst Du uns deine Bilder erklären?

Ich habe eine Frau gemalt, die die Ukraine symbolisiert und die über Russland und seine Panzer triumphiert. Dann habe ich Kampfvögel gemalt – ukrainische, europäische und amerikanische, die einen russischen Vogel attackieren. Ich habe einen Soldaten gemalt, der mit einem Schutzschild seine Stadt verteidigt. Und auch den Kölner Dom und den Rhein. Wollte ich eigentlich gar nicht, das kam einfach so.

Was wünscht Du Dir?

Frieden.

Vira (11)

Kannst Du Deine Stadt beschreiben?

Ich komme eigentlich aus Donezk. Wir sind während des Kriegs 2014 nach Kiew geflohen, seitdem lebe ich dort. Kiew ist noch größer als Köln.

Wie verlief deine Flucht?

In Kiew haben wir gehört, wie Bomben explodieren. Wir waren zuerst in Czernowitz und danach in Rumänien. Die Flucht hat mehr als eine Woche gedauert.

Was sind Deine Hobbys?

Ich bin bei den Pfadfindern und singe. Meine Mutter singt auch.

Was vermisst Du besonders?

Papa und meine Freundinnen. Einige Freundinnen kann ich gerade nicht erreichen.

Was ist in Köln anders als in Kiew?

In Deutschland tragen noch alle Menschen Masken – in der Ukraine seit dem Ausbruch des Kriegs niemand mehr. Hier sind die Oliven billiger. Das ist gut, weil ich sie gern mag. In Kiew sind sie ziemlich teuer.

Anatoli (15)

Kannst du Deine Heimatstadt beschreiben?

Slawske ist eine sehr alte Stadt in den Karpaten, in die auch immer viele Touristen gekommen sind. Einer der schönsten Orte in der Ukraine! Am liebsten mag ich den höchsten Berg, Trostian, da kann man auch Skifahren.

Was sind Deine Hobbys?

Schach und Fußball. Ich bin Fan von Dynamo Kiew und dem FC Barcelona.

Was war besonders schwer, als Du erfahren hast, dass ihr Slawske verlassen müsst?

Ich war traurig, mich von meinen Freunden trennen zu müssen. Ein älterer Freund dient für die Armee und wurde von einer Granate getroffen – zum Glück kann er wieder laufen. Und natürlich, dass mein Vater nicht hier ist – er ist Feuerwehrmann und in der Ukraine geblieben.

Was gefällt dir an Köln?

Die Brücke mit den Liebesschlössern.

Was hast Du gemalt?

Der Bär mit der blutigen Tatze steht für Russland, daneben habe ich die Wappen von Polen, Deutschland und der EU gemalt. „Gemeinsam zum Sieg“ steht über Anatolis Bild.

Anastasia (11)

Woher kommst du?

Aus Salischtschyky, das ist eine kleine, sehr friedliche Stadt mit zwei Parks und einer Promenade. Das Wetter ist meistens gut. Ich gehe oft spazieren mit meinen Freundinnen.

Was vermisst Du gerade besonders?

Unsere drei Hunde, die wir nicht mit nach Deutschland nehmen konnten.

Was sind Deine Hobbys?

Ich mache seit drei Jahren Kickboxen. Und ich male sehr gern.

Was gefällt Dir an Köln?

Der Dom ist toll, der Zoo auch – und ich war schon im Phantasialand, das war auch sehr schön.

Kannst du uns etwas zu Deinen Bildern erzählen?

Die traurige Frau, die blutet, steht für die Ukraine. Sie möchte Frieden. Ich habe auch Panzer gemalt und dazwischen Kinderwagen.

Uliana (11)

Was sind Deine Hobbys?

Mit Knete spielen und lesen.

Was ist schwierig für dich gerade?

Dass Papa nicht da ist und wir nur telefonieren können. Meine Freundinnen fehlen mir auch.

Was gefällt Dir in Deutschland? 

Wir sind hier in Sicherheit. Und wir können zur Schule gehen, das ist fast normal. Nur kann ich die Sprache noch nicht.

Was hast Du gemalt?

Ich habe das Grab eines Menschen gemalt, dessen Namen ich nicht aussprechen möchte (es ist Putins Grab). Außerdem habe ich eine Friedenstaube mit der Flagge von Europa und der Ukraine gemalt.

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Viktoria (15)

Beschreibst du kurz deine Heimatstadt?

Lwiw hat tolle alte Häuser, vor allem eine wunderschöne Oper. Ich denke, jeder, der nach Lwiw kommt, mag die Stadt. Ich liebe vor allem den Marktplatz. Da ist immer viel los.

Was macht die Situation für dich gerade besonders schwer?

Die Ungewissheit, wie lange der Krieg dauert und wann wir zurückkehren können. Eine Freundin von mir ist nach Polen geflohen, die anderen sind in der Ukraine geblieben.

Was ist dir an Köln bislang aufgefallen?

Die Menschen sind lebensfroh, freundlich und nehmen uns gut auf.

Was sind Deine Hobbys?

Ich bin gern mit meinen Freundinnen draußen.

Erzählst du etwas über dein Bild?

Ein Baby, das mit Tränen in den Augen von der Ukraine nach Deutschland fliegt.  

Dimytro (11)

Erzählst Du uns etwas von deiner Heimat?

Slawske mag ich wegen den guten Menschen. Im Winter kann man Ski-Urlaub machen. In Sommer in die Berge gehen, Waldbeeren und Pilze sammeln.

Was vermisst Du besonders?

Am schwersten war es für mich Abschied von meinen Tieren nehmen. Ich habe einen Kater, einen Hund und zwei Goldfische.

Was ist in Deutschland anders als in der Ukraine?

Ich bin überwältigt von der Seilbahn über den Rhein. Die deutsche Sprache ist komisch, und schwer.

Hattest Du schon ein lustiges Erlebnis?

Als ich das erste Mal in die Klasse kam, hat mich die Lehrerin gefragt, ob ich Deutsch kann. Ich habe verstanden, „ob ich gut malen kann“. Da habe ich zugestimmt... Am Anfang haben mich alle in der Klasse anfassen wollen. Das war komisch. Sie haben mich gefragt, ob ich wirklich aus der Ukraine komme.

Was hast Du für ein Bild gemalt? Einen Baum mit Friedenstauben aus vielen Ländern. Oben sitzen eine weiße ukrainische und eine schwarze russische Taube.

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