Kinderkliniken schlagen AlarmAuch in Köln breitet sich RS-Virus stark aus

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RS-Virus in Köln

Auch in Köln leiden ungewöhnlich viele Kinder an RS-Virus-Infektionen.

Köln – Kinderkliniken sind derzeit extrem stark ausgelastet – fast überall im Land und damit auch in Köln. Es ist allerdings nicht das Coronavirus, das derzeit für eine extrem hohe Belegung sorgt, sondern ein anderes Virus: Das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) löst Atemwegserkrankungen aus, die vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern schwer verlaufen können.

Im Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße werden derzeit 17 Patientinnen und Patienten mit akuter RSV-Infektion behandelt, davon zehn mit Sauerstoffbedarf. „Seit Anfang September behandeln wir eine für diese Jahreszeit ungewöhnlich hohe Zahl von Kindern mit RSV-Infektionen“, sagt Prof. Michael Weiß, Ärztlicher Direktor im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße. Mehr als 70 Kinder seien seitdem stationär wegen einer RSV-Infektion aufgenommen worden.

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Professor Jörg Dötsch von der Uniklinik Köln

„Wir sind sehr stark belegt“, sagt auch Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln. Behandelt würde eine auffallend hohe Anzahl an Kindern mit RS-Viren. „Eine solche Infektwelle tritt normalerweise erst im Januar oder Februar auf“, sagt Dötsch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) ist.

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Diese ungewöhnlich frühe und starke Welle hänge unmittelbar mit den Corona-Maßnahmen zusammen: „Wir haben Infekten, die über Tröpfchen übertragen werden, lange den Riegel vorgeschoben, die Kinder wurden abgeschirmt. Dadurch haben viele diese Infektion bisher nicht durchgemacht. Jetzt erkranken viele Kinder gleichzeitig“, erklärt Dötsch. Die Fälle träten daher nun geballt auf. Aktuell würden rund 20 Kinder mit RS-Viren in der Uniklinik behandelt. Dazu kämen Kinder mit anderen Infektionserkrankungen, etwa durch Magen-Darm-Viren verursacht, die ebenso durch die Corona-Schutzmaßnahmen seltener auftraten.

RS-Viren können Gefahr für Neu- und Frühgeborene sein

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Vor allem für Säuglinge und Frühgeborene können RS-Viren gefährlich sein.

Bei älteren Kindern lösen RS-Viren meist einfache Erkältungssymptome aus. Doch insbesondere für Früh- und Neugeborene, Kinder im ersten Lebensjahr sowie vorerkrankte Kleinkinder könne das Virus Weiß zufolge „eine besondere Gefahr darstellen, wenn sich durch die Entzündung in den noch sehr engen unteren Atemwegen eine zunehmende Atmungsbehinderung und Atemnot entwickelt“. In der Klinik ist für die Kinder dann eine Behandlung mit Sauerstoff oder eine Druckluft-Zufuhr nötig, um das Atmen zu erleichtern, sowie eine Überwachung des Herz-Kreislauf-Systems.

„Eltern erkennen eine mögliche Erkrankung mit dem RS-Virus daran, dass das Kind sehr schnell und schwer atmet“, erklärt Dötsch. Beim Atmen würden sich die Nasenflügel schnell bewegen, die Haut zwischen den Rippenräumen ziehe sich ein. Das Kind wirke außerdem sehr krank, wolle nicht spielen oder essen. „Fieber kann, muss aber nicht unbedingt auftreten.“

Kinderärzte warnen vor Kollaps der Kliniken

Die aktuelle Situation stelle die Kinderkliniken Weiß zufolge „vor große Probleme bei den begrenzten freien Bettenkapazitäten und dringend benötigten Sauerstoff-Behandlungsplätzen“. Die Kinderkliniken in NRW stünden in engem Austausch und unterstützten sich gegenseitig bei der Versorgung der Patienten.

In einem offenen Brief, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, wendet sich der Verband Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands an das NRW-Gesundheitsministerium. „Schon jetzt zeigt sich in den meisten Kinderkliniken in NRW eine dramatische Auslastungssituation“, obwohl die Infektsaison noch gar nicht begonnen habe, heißt es darin. „Vielfach werden kranke Kinder abgewiesen, weil kein Platz vorhanden ist, vielfach müssen Rettungswagen lange Wege in Kauf nehmen, um eine aufnahmebereite Klinik zu finden.“ Die Kinderärzte, die den offenen Brief verfasst haben, appellieren an die Politik, zu handeln, um einen „Versorgungsengpass“ oder gar „einen Kollaps in den Kinderkliniken zu verhindern“. Unter anderem gelte es, den Mangel an Pflegepersonal abzubauen.

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„Unser Personal ist aktuell sehr erschöpft“, bestätigt Klinik-Direktor Dötsch. Das hänge mit der langen Belastung durch die Pandemie und der nun schnell darauf folgenden, starken Infektwelle zusammen. Dennoch: „Eltern können sich darauf verlassen, dass wir jedes Kind behandeln. Wir weisen kein Kind ab.“ Bei schwer kranken Kindern werde die Klinik immer ein Bett schaffen. Bei leichteren Verläufen könne eine Verlegung nötig sein. „Wir arbeiten eng mit den anderen Kinderkliniken in Köln und der Region zusammen.“

Dötsch bittet um Verständnis dafür, dass die Wartezeit in der Notaufnahme „sehr lang“ sein, mitunter auch mehrere Stunden dauern könne. Die Patientinnen und Patienten würden nach der Schwere der Erkrankung behandelt. Eine baldige Verbesserung der Situation in den Kinderkliniken ist nicht zu erwarten. Denn RSV-Infektionen treten Weiß zufolge „bis ins Frühjahr auf, so dass diese angespannte Versorgungslage uns noch über einen längeren Zeitraum begleiten kann“.

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