Klinikverbund in KölnNachbarstädte zeigen, wie eine Kooperation funktionieren kann

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Das Klinikum in Leverkusen

  • Ein Klinikverbund zwischen der Uniklinik Köln und den Kliniken der Stadt Köln wird breit diskutiert.
  • Henriette Reker wirbt für die Verbundlösung. Derzeit prüfen verschiedene Unternehmensberater die juristische und wirtschaftliche Lage.
  • Wie der Zusammenschluss gelingen kann, zeigt ein Blick auf die Nachbarstädte Leverkusen und Solingen.

Köln – Es klingt ganz gut: „Charité des Westens“, Spitzenmedizin von internationaler Bedeutung, die Gesundheitsbranche als Jobmotor, Köln als Standort des zweitgrößten Klinikkonzerns in Deutschland – gleich nach dem Original in Berlin. Dies alles verheißt der angedachte Verbund zwischen der Uniklinik Köln und den Kliniken der Stadt Köln, jedenfalls in den Vorstellungen der Befürworter. Denn wohin der Weg geht, ist noch unklar.

Derzeit prüfen verschiedene Unternehmensberater – die einen im Auftrag der Uniklinik, die anderen im Auftrag der Stadt – die juristische und wirtschaftliche Lage. Die Stadt Köln ist Eigentümerin ihrer Kliniken. Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte unlängst, dass sie die städtischen Gremien noch 2019 über eine Zusammenarbeit abstimmen lassen möchte.

Henriette Reker wirbt für Verbundlösung

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich auch in den letzten Tagen mehrfach für eine Zusammenarbeit der Städtischen Kliniken (Klinikum Merheim, Krankenhaus Holweide, Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße) mit der Universitätsklinik ausgesprochen. Bei einer Betriebsversammlung der Städtischen Kliniken warb sie nach Angaben von Teilnehmern für einen Verbund der beiden Kliniken. Es werde aber keine Fusion und keine Übernahme geben.

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Auch bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer sagte Reker, dass ein Verbund der Krankenhäuser für die Entwicklung des Klinikstandorts Köln von großer Bedeutung sei. Zuvor hatte eine Studie der Boston Consulting Group die Gesundheitswirtschaft ihren rund 68 000 Beschäftigten als zweitgrößten Kernmarkt der Stadt Köln heraus gestellt. Doch auch das Innovations- und Gründungspotenzial der Gesundheitswirtschaft mit perspektivisch internationaler Strahlkraft, die Anzahl und Qualität der hier ansässigen Forschungseinrichtungen sowie die überregionale Wirkung dieses Sektors unterstreichen laut der Studie die Attraktivität sowie die strategische Relevanz für Köln.

OB Reker hält den Verbund der Krankenhäuser für attraktiv, weil die Uniklinik in Lindenthal keine Erweiterungsmöglichkeiten besitze, die städtischen Kliniken im Rechtsrheinischen diese aber böten. Zudem würden in den kommunalen Krankenhäusern viele Patienten behandelt. Deren Daten seien für die Forschung der Uniklinik interessant. (red)

Sie klang verhalten optimistisch. „Ich kann nicht sagen, ob es gelingt, aber ich habe Signale dafür, dass es gelingen kann.“

Verbund der Krankenhäuser in Solingen und Leverkusen

Um zu sehen, wie eine Kooperation gelingen kann, genügt ein Blick über die Stadtgrenze. Die kommunalen Krankenhäuser in Leverkusen und Solingen wollen künftig in einem Verbund zusammenarbeiten. Die Hauptziele sind: wirtschaftlich stärker werden; als kommunale Krankenhäuser überleben; Konzepte in der Fort- und Weiterbildung verbessern; Medizin (Arzt und Pflege) zum Wohle der Patienten stärken.

Das Ziel ist in Sicht. „Die entscheidende politische Weichenstellung soll im 3. Quartal 2019 erfolgen“, sagt Hans-Peter Zimmermann, Geschäftsführer des Klinikums Leverkusen. Bis dahin sollen alle Details geklärt sein. Gesellschaftsrechtlich soll der Verbund eine Holding sein, an der beide Städte mit jeweils 50 Prozent beteiligt sind. Die Holding wiederum soll mit 94 Prozent an den beiden Kliniken beteiligt sein, sechs Prozent bleiben in städtischem Besitz. Wenn alles klappt, kann die Kooperation am 1. Januar 2020 starten.

Etwa ein dreiviertel Jahr dauerten die Vorgespräche. Die Initialzündung liegt knapp zehn Jahre zurück. 2010 trafen sich die ärztlichen Direktoren verschiedener kommunaler Kliniken aus der Region, um sich über eine mögliche Zusammenarbeit auszutauschen. Es entstand die Arbeitsgemeinschaft kommunaler Krankenhäuser Rhein/Berg, in der unter anderem die Krankenhäuser aus Bergisch Gladbach, Dormagen, Grevenbroich, Neuss, das Krankenhaus Porz am Rhein, die Kliniken der Stadt Köln mit dem Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße und den Krankenhäusern in Merheim und Holweide sowie die Kliniken Solingen und Leverkusen vertreten sind.

Vor zwei Jahren war es Zeit für den entscheidenden Schritt

Für Leverkusen saß Jürgen Zumbé, Ärztlicher Direktor und Direktor der Klinik für Urologie, mit am Tisch. „Bereits 2015 gab es eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit im regionalen Krankenhausverbund. Wir wollten handeln, solange die Kliniken wirtschaftlich stark und gesund sind“, so Zimmermann. Diese Chance habe man leider nicht wahrnehmen können, räumt er ein.

Vor gut zwei Jahren war die Zeit reif für den entscheidenden Schritt. „Damit aus der Absichtserklärung etwas Zählbares entstehen kann, mussten mindestens zwei Kliniken einen gesellschaftsrechtlichen Einstieg machen.“ Warum griffen Leverkusen und Solingen zur Fackel, um die Flamme den Berg hinaufzutragen?

In der AG waren zeitweise mehr als zehn Krankenhäuser vertreten. „Unsere Häuser haben eine ähnliche Größenordnung. Wir sind Kliniken der Maximalversorgung. Im Bereich der Perinatalmedizin arbeiten wir seit geraumer Zeit schon erfolgreich zusammen“, sagt Zumbé. Zudem brachte etwas, was mittlerweile für viele Krankenhäuser in Deutschland gilt, auch Leverkusen und Solingen in Zugzwang. Beide Kliniken stehen unter finanziellem Druck. Das Städtische Klinikum Solingen hatte zuletzt ein Defizit von 2,5 Millionen Euro, das Klinikum Leverkusen erreichte in den zurückliegenden zehn Jahren jeweils Abschlüsse knapp im schwarzen Bereich.

Als kommunale Krankenhäuser eigenständig bleiben

Es war klar, dass es keine Fusion geben sollte. „Wir wollen als kommunale Krankenhäuser bestehen und eigenständig bleiben.“ Doch bevor diese Wünsche in Erfüllung gingen, kam der Bericht des Unternehmensberaters. Beide Klinikleitungen verständigten sich schließlich auf ein gemeinsames Unternehmen. In getrennten Gesprächen wurden Perspektiven, Chancen, Risiken, Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Vorteile und Nachteile bewertet sowie medizinische, wirtschaftliche und rechtliche Ziele ausgelotet.

Das im September 2018 in Auftrag gegebene Prüfgutachten lag Ende Februar 2019 vor. Ergebnis: Ein Verbund bringt für beide Häuser eine Stärkung. Das vorgeschlagene Konzept basiert auf zwei Bausteinen: Durch erweiterte, teilweise auch neu strukturierte medizinische Leistungen werden zusätzliche Erlöse in Höhe von etwa drei Millionen Euro pro Jahr erwartet. Gleichzeitig sollen die Kosten langfristig reduziert werden. Gespart werden soll laut Gutachten im sekundären und tertiären Bereich. Im Klartext: Gespart werden kann vor allem bei bei Dienstleistungen wie Labor, Pathologie, Radiologie, Wäscherei, Sterilisation, Gebäudereinigung, bei der Patientenverpflegung sowie in der Verwaltung und in der Technik.

Empfohlen wird im Bericht eine neue gemeinsame Service-Gesellschaft. Eine solche Gesellschaft existiert in Leverkusen mit der Klinikum Leverkusen Service GmbH bereits seit 2003. „Wir fühlen uns verantwortlich für die Gesundheitsversorgung in Leverkusen. Das bedeutet nicht, dass wir alles selber machen müssen“, erläutert Geschäftsführer Zimmermann.

Das Ganze ist zwar ein paar Nummern kleiner als in Köln, aber ein Kraftakt ist der Verbund allemal. Der mit den Unterschriften unter die Verträge erst richtig beginnt. Hans-Peter Zimmermann und Jürgen Zumbé, die Baumeister des Verbundes auf Leverkusener Seite, denken über die eigene Stadtgrenze hinaus. „60 Prozent unserer Patienten kommen aus Leverkusen. Daneben ziehen wir mit unserer Spitzenmedizin bereits jetzt Patienten von außen. Das möchten wir ausbauen. Um am Markt bestehen zu können, ist es wichtig, die Patienten im kommunalen Kreislauf zu halten“, sagt Zimmermann.

Qualität des Krankenhauses sei entscheidend

Für Klinikdirektor Zumbé entspricht dies auch dem Lebensgefühl der Menschen in der Region. „Die Menschen denken und empfinden ähnlich, da spielt Kirchturmdenken auch in medizinischen Fragen kaum eine Rolle. Entscheidend ist die Qualität des Krankenhauses – nicht in welcher Stadt es steht. “

Den Verbund sieht Zimmermann nicht als abgeschlossene Zweier-WG. Im Gegenteil. Das Signal an die Kollegen in der Region ist deutlich: „Glaubt ihr wirklich, dass ihr alle allein als eigenständige Krankenhäuser überleben könnt?“ In der Frage stecken sowohl die Antwort als auch die Einladung an potenzielle Partner drin. „Wir überlegen nicht erst seit gestern, was wir alleine machen und was wir besser mit Partnern anbieten können.“ Der Gesundheitspark im Stadtteil Schlebusch ist etwa 13 Hektar groß und punktet mit viel Grün.

„Der Wald ist unser Alleinstellungsmerkmal, den geben wir nicht auf“, sagt der Geschäftsführer. Ist auch nicht notwendig. Laut Zimmermann wird das Klinikum einen Teil des angrenzenden, etwa vier Hektar großen Areals des ehemaligen Freibades Auermühle nutzen können. Das soll im neuen Bebauungsplan der Stadt festgeschrieben werden.

Direkt auf dem Campus sind Baumaschinen bereits im Einsatz. Das Gebäude, in dem früher Neurologie und Geriatrie untergebracht waren, wird komplett saniert und zu einem Haus der psychiatrischen Versorgung ausgebaut. Das macht nicht das Klinikum Leverkusen: Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat zwei der drei Etagen gekauft und will dort eine stationäre Einheit mit 30 Betten, eine Tagesklinik mit 30 Plätzen sowie eine psychiatrische Institutsambulanz einrichten. Zudem gibt es Kontakt zu den Kliniken der Stadt Köln. „Sie werden womöglich ebenfalls in das Gebäude einziehen“, sagt Zimmermann. Holger Baumann, Geschäftsführer der Kliniken Köln, bestätigt: „Unsere Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) am Standort Holweide leistet eine hervorragende Arbeit, und wir sind in fortgeschrittenen Gesprächen zu einer möglichen Tagesklinik unserer KJP am Klinikum Leverkusen.“

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Zurück zum geplanten Verbund: Wo sind die beiden Partner bereits jetzt Spitze, wo können sie es in der Kooperation werden? Das Klinikum Leverkusen steht für eine Maximalversorgung mit besonderer Exzellenz für neurologische, urologische und onkologische Versorgung. Das Klinikum Solingen bringt diese Exzellenz für die neurochirurgische und HNO-ärztliche Versorgung ein.

Beide Partner können im künftigen Verbund mit einem gemeinsamen Brustzentrum und einem onkologischen Zentrum sowie bei der er Neurologie und Neurochirurgie weitere Bereiche der Spitzenmedizin abdecken. „Die Medizin hat sich weg von den Generalisten hin zu einem System aus Departments und Experten entwickelt. Dieses System gibt es in Leverkusen bereits. Nicht der Klinikdirektor ist in allen Teilbereichen der Spezialist, sondern die Verantwortung verteilt sich zunehmend in Departments auf mehrere Schultern“, erläutert Klinikdirektor Zumbé. Er kündigt die Erweiterung des operativen Spektrums in der Urologie – bisher überwiegend in der Behandlung des Prostatakarzinoms etabliert – auf rekonstruktive Eingriffe, nierenerhaltende Tumorchirurgie und Harnableitungsverfahren mit Blasenentfernung an. Dies wird durch die bereits bestehende Roboterchirurgie gewährleistet. 

„Zudem kommt in den Kliniken für Allgemeinchirurgie und Gynäkologie das »Da-Vinci-System« verstärkt zum Einsatz.“ Passenderweise ist mit Daniel Porres ein international renommierter Experte der urologischen Roboter-Chirurgie als designierter Nachfolger Zumbés als Chef der Urologie neu im Team. Wie gut er ist, kann der Laie nur erahnen. Fußballfan Zumbé bezeichnet seinen Nachfolger als „Lionel Messi des computer-assistierten Da-Vinci-Operationssystems“. 

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