Ein Tag auf der Kölner HunderennbahnJa, wo laufen Sie denn?

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Hunderennbahn

„Windhunde müssen rennen“, sagt Petra Schuster, „die folgen ihrem Hetz- und Jagdtrieb, das ist gut für die.“

  • Bei Hunderennen sind alle in Bewegung: Die Hunde jagen dem falschen Hasen hinterher, die Besitzer rennen in Richtung Ziel, um ihre Vierbeiner dort abzufangen.
  • Der Tierschutz steht an erster Stelle, eine Tierärztin untersucht jeden einzelnen Hund. Wetten ist hier absolut verboten.
  • Ein Tag auf der Hunderennbahn im Stadtwald zwischen Köln und Hürth.

Köln – Im Kölner Stadtwald liegt jenseits des Decksteiner Weihers, nach ein paar hundert Metern in Richtung Hürth linker Hand die Hunderennbahn des Köln-Solinger Windhund-Sportvereins. An Renntagen – fünf, sechs Mal im Jahr – hört man die Durchsagen des Lautsprechers aus einiger Entfernung ganz gut, das erleichtert die Orientierung. Martin Haas ist Vorsitzender der Landesgruppe Rheinland im Deutschen Windhundzucht- und Rennverein. Eben gab es eine kleine Pause im Ablauf. „Einige der Besitzer haben mehrere Hunde am Start. Und wenn die Hunde gewechselt werden, dann braucht das seine Zeit.“ Die Hunde, die schon gelaufen sind, müssen zum Beispiel auslaufen – „was Sportler halt so machen“, sagt Haas. 

„Wir wechseln jetzt von Kunststoff auf Fell“, ruft jemand zu Haas herüber. Das war Herr Schmuck, er ist hier der Hasenzieher. Der „Hase“ – ist ein Köder oder Dummy, der an einer technischen Vorrichtung rund um die Bahn gezogen wird und dem die Hunde folgen wie der Esel der Karotte. Nur zehnmal so schnell. „Hasen“ gibt es in vielerlei Gestalt – jetzt wird das Flatterband ersetzt durch ein Lockmittel aus Fell. „Morgens“, sagt Herr Haas, „nimmt man lieber Kunststoff, wenn das Gras auf der Bahn noch feucht ist – ein Fell würde sich dann mit Wasser vollsaugen und zu schwer werden.“ Und vielleicht ein bisschen eklig.

Tempo 60 und ein bisschen mehr: Windhunde rennen gerne und sehr, sehr schnell

Tempo 60 und ein bisschen mehr: Windhunde rennen gerne und sehr, sehr schnell

Mit der Fernbedienung in der Hand steuert der Hundezieher die Maschine mit Kart-Motor, die an einem Geländer im Inneren der Bahn entlangrast und den „Hasen“ vor den Hunden herzieht. „Herr Schmuck ist gebürtig aus Gelsenkirchen“, sagt Herr Haas, „aber der ist schon ewig bei uns.“

Schwieriger Job, das mit der Maschine? „Och“, sagt Herr Schmuck, „man muss natürlich gucken, dass mit Batterien, Sprit oder Benzin alles in Ordnung ist.“ Schon mal was schief gegangen – hat schon mal ein Hund den „Hasen“ gefangen? „Neinnein“, sagt Schmuck, „das passiert nur bei einem technischen Defekt. Aber üblicherweise hat man genug Reservepower, um noch mal zu beschleunigen.“ Aber klar: „Und wenn gar nichts mehr hilft, muss man den Hasen abschmeißen.“

Brötchen und Schnitzel in der „Kottwitz-Klause“

In der „Kottwitz-Klause“ – ein schmuckes Holzhäuschen mit Gastronomie und Außenbewirtung – ist die Küche den ganzen Tag im Betrieb. Hier ist alles selbst gebaut. Morgens gibt es belegte Brötchen und einen Kaffee für 2,50 Euro. Nebenan brutzeln schon die Frikadellen und es ist alles bereit für die frischen Reibekuchen, die nachher angeboten werden. Ab Mittag gibt es große Schnitzel und Pommes. Vor der Küche hängt zwischen großen Ketchup-, Senf- und Mayo-Flaschen ein Schild mit dem Hinweis, dass – „sollten wir überhitzte Hunde in verschlossenen Autos vorfinden“ – „alles“ unternommen wird, um den Tieren zu helfen. Alles.

Bei Hunderennen sind alle unterwegs: Die Hunde jagen dem falschen Hasen hinterher, die Besitzer rennen in Richtung Ziel, um ihre Vierbeiner dort abzufangen. Wenn hinter der Ziellinie der „Hase“ abrupt stoppt, verlieren die Hunde umgehend das Interesse an der Beute und freuen sich stattdessen wie verrückt, dass die Besitzer da sind. „Die Windhunde sind Sichtjäger“, sagt Herr Haas, „sie reagieren auf die schnelle Bewegung der Beute.“

Martin Haas, vom Deutschen Windhundzucht- und Rennverein

Martin Haas, vom Deutschen Windhundzucht- und Rennverein

Aus Tierschutz-Sicht gibt es keine Einwände. „Windhunde müssen rennen“, sagt Petra Schuster, „die folgen ihrem Hetz- und Jagdtrieb, das ist gut für die.“ Sie ist Tierärztin und sieht seit ein paar Jahren auf der Rennbahn nach dem Rechten. „Wir begnügen uns nicht mit Stichproben“, sagt sie, „jedes Tier und jede Pfote wird von mir untersucht.“ Und wenn der Kreislauf in Ordnung und die Pfoten nicht verletzt sind, dann spricht nichts gegen eine Runde im Vollsprint. Anlass zur Sorge besteht nicht: „Es geht ja um nichts.“ Für die Sieger gibt es schöne Hundedecken und vielleicht einen Wimpel.

„Wetten ist absolut verboten“, sagt Haas, „in England und USA ist das anders.“ In diesen Ländern werden die Hunde von Beginn an bei Trainern untergebracht und auf Tempo gedrillt. „Hier bei uns haben die Besitzer ihre Hunde von klein auf bis zum, naja, natürlichen Ableben“, sagt Haas. „In den Ländern mit Profi-Hundesport wird der Hund als Sportgerät betrachtet“, erzählt er, „und wenn das Sportgerät seine Leistung nicht mehr bringt – können Sie sich ja denken, was dann mit dem Hund passiert.“ Nein, lieber nicht.

Herr Schmuck, der Hasenzieher

Herr Schmuck, der Hasenzieher

Der Köln-Solinger Windhund-Sportverein

Der Verein

Im Jahr 2004 fusionierten der Solinger und der Kölner Windhund-Rennverein zum Köln-Solinger Windhund-Sportverein 1921/1925 e.V.

Termine

Beinahe sonntäglich wird auf der Hunderennbahn trainiert. Willkommen ist jeder – es gibt für Hund und Besitzer keine Vorgaben. Termine: So., 23. Sept.; So., 30 Sept., So., 17. Okt., So., 14 Okt., So., 21. Okt., So., 28. Okt.

Details:

www.ksw-sportverein.de

Jeder-Hund-Rennen

Am So., 3. Oktober, findet das Jeder-Hund-Rennen auf der Bahn statt. Die Hunde gehen in 6 Klassen an den Start:

kurzbeinige Hunde bis 33,9 cm

kleine Hunde bis 41,9 cm

mittelgroße Hunde bis 51,9 cm

mittelgroße Hunde bis 57,9 cm

große Hunde ab 58 cm

Windhundmischlinge

Startgeld: 5 Euro.

Weil die teilnehmenden Hunde die Lockmaschine nicht gewohnt sind, dürfen (und sollen) die Besitzer gerne mitlaufen, um die Hunde zum Spurt zu animieren.

Gerade läuft ein einsamer Whippet ein Solorennen. Die Besitzerin hatte sich eben noch bei Renate Günther, der Rennleitung, mit flehenden Worten gemeldet. „Kann er nicht noch laufen?“ „Ja sicher“, sagt Frau Günther, „20 Euro Startgeld, dann kriegen wir das schon hin.“ Obwohl am Samstag eine Hundeausstellung war, lässt der Rennplan am Sonntag noch Platz für Improvisation. Es laufen nicht alle Hunde vom Vortag, und Solorennen sind ohnehin vorgesehen. „Da starten die Hunde“, sagt Frau Günther, „die nicht so im Training sind oder die sich mit anderen Hunden nicht so gut vertragen.“ 

Rennen 11. Am Start stehen drei Irish Wolfhounds, schöne, große Tiere mit langem Haar, das Rennen geht über 280 Meter. Der „Hase“ rauscht an der Startbox vorbei, die Klappen springen auf und die Tiere schießen hinaus auf die Bahn. Beziehungsweise nicht: Der mittlere der drei Starter, eine Hündin mit dem Namen Power&Elegance Bugatti Famosa Lancia rast los, die Hunde rechts und links von ihr aber nicht so. Der eine sieht aus, als würde er abwinken; der andere tappert nach drei Schritten zurück und solidarisiert sich. Die Besitzer sind gleich zur Stelle, die beiden Hunde freuen sich. Lustig.

„Also Pinkeln geht gar nicht“

Oder nicht: „Eine Schande ist das“, sagt Haas mit überraschenden Furor. „Muss man verstehen“, sagt die Tierärztin, „die Veranstalter fürchten, dass sich Hunde ein Beispiel nehmen, wenn die Starter stehen bleiben. Oder pinkeln, das wäre noch schlimmer.“ Sie lacht, „also Pinkeln geht gar nicht.“

Essen, Trinken, den Hunden zugucken: Die „Kottwitz-Klause“ auf der Hunderennbahn

Essen, Trinken, den Hunden zugucken: Die „Kottwitz-Klause“ auf der Hunderennbahn

Vor der Kottwitz-Klause genießt ein Herr die Sonne, dessen Turnschuhe – purpur und schwarz – perfekt zu den Haarfarben seiner weiblichen Begleitung passen. Eine Frau trägt ein schwarzes T-Shirt mit der goldenen Aufschrift: „Die mit dem Windhund rennt“.

Gleich hinter dem Ein- und Ausgang stehen ein paar Partyzelte, Händler bieten hier Leckerzeug, Accessoires und Schmuck an – für die Hunde, für die Damen und Herren Besitzer und manches an Schmuck, wo man nicht sicher sein kann, für wen. Muss man ja vielleicht auch nicht.  

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