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Kölner Kliniken„Erst Finanz-Sanierung, dann Gespräche über Zusammenarbeit“

Lesezeit 7 Minuten
Klinik Merheim Banneyer

Die Kliniken in Köln-Merheim

Köln – Bisher haben sich die Chefärzte aus der Diskussion um die Zukunft der städtischen Klinken bewusst herausgehalten. Doch das Ausmaß der Finanzkrise mit wirtschaftlichen Risiken, die von externen Wirtschaftsprüfern insgesamt auf bis zu 25 Millionen Euro geschätzt werden, und der Rauswurf des Geschäftsführers Roman Lovenfosse-Gehrt (53) zwingen sie zum Handeln. Sie fürchten, dass die öffentliche Diskussion über die wirtschaftliche Schieflage dem Image ihrer Häuser schweren Schaden zufügt.

„Wir sind kein Übernahme-Kandidat. Wir arbeiten mit der Uniklinik auf einem vergleichbaren Niveau“, sagt Professor Axel Goßmann (51), Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Merheim, zu den Fusionsplänen mit der Uniklinik, die von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker angestoßen wurden. Die 4300 Mitarbeiter an den drei städtischen Häusern seien „völlig zu Recht verunsichert. Das sind alles hoch engagierte Leute, die unsere Wertschätzung verdienen. Wir dürfen ihnen nicht das Gefühl geben, dass wir hier nur noch abgewickelt werden“, so Goßmann.

Erst prüfen, dann entscheiden

Grundsätzlich könne eine Kooperation mit der Uniklinik sinnvoll sein. „Mich wundert, dass die Politik in Köln schon Stellung bezieht, obwohl eine Untersuchung noch gar nicht stattgefunden hat“, sagt Goßmann. „Es wäre fast fahrlässig, das nicht zu prüfen. Und dann auf dieser Grundlage zu entscheiden.“ Mit den wirtschaftlichen Problemen des eigenen Hauses habe das nur am Rande zu tun. „Da muss es sowieso eine Zäsur geben. Weiter-so geht nicht. Wir müssen schnellstmöglich in ruhigeres Fahrwasser kommen.“

Alles zum Thema Henriette Reker

Ganz ähnlich sieht das der Ärztliche Direktor der Kinderklinik an der Amsterdamer Straße. „Bevor man die Frage einer Kooperation überhaupt beantwortet, müssen wir zunächst die Sanierung unserer Häuser in Angriff nehmen“, sagt Prof. Michael Weiß (58). Die Politiker in Köln müssten sehr schnell eine Lösung für die chronische Unterfinanzierung der städtischen Kliniken finden. Das sei ein strukturelles Problem. „Die Uniklinik wird uns mit Sicherheit nicht übernehmen, nur um unsere Schulden zu bezahlen.“

Für die Finanzkrise machen die Chefärzte zwei Entwicklungen verantwortlich. Die Kliniken hätten erhebliche Investitionen in die Sanierung und Modernisierung allein stemmen müssen, weil das Land die Fördermittel immer weiter gekürzt habe. „Wenn wir die Zins- und Tilgungslast nicht hätten, wäre das Budget ausgeglichen“, sagt Goßmann. Der bundesweite Pflegemangel führe dazu, dass Operationen ausfallen und Betten nicht belegt werden können. Ein besonders eklatantes Beispiel: In der Kinderchirurgie an der Amsterdamer Straße ist derzeit eine ganze Station mit 20 Betten geschlossen. Aus Mangel an Pflegepersonal.

12,5 Milliarden Investitionsstau

Dass vor allem Großstadt-Kliniken in kommunaler Trägerschaft mit ihrem Budget nicht auskommen können – mit dieser Auffassung stehen die beiden Chefärzte aus Köln nicht alleine da. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass NRW jährlich eine Milliarde Euro zu wenig in seine Kliniken steckt. Der Investitionsstau beläuft sich demnach mittlerweile auf 12,5 Milliarden Euro. Für die Kliniken werde das immer mehr zum Problem, so die Untersuchung. Viele Krankenhäuser müssten Investitionen in eine moderne Infrastruktur aufschieben. Um drängendste Probleme zu lösen, sei es oftmals nötig, dafür nicht vorgesehene Mittel einzusetzen, die dann wiederum zur Finanzierung von Personal und Sachmitteln fehlten.

„Wir können das noch eine Weile begleiten, bis wir so tief gefallen sind, dass wir tatsächlich ein Übernahmekandidat für kommerzielle Anbieter werden, die mehr an der Rendite als an der Krankenversorgung interessiert sind.“ Prof. Michael Weiß sieht das ganz nüchtern. „Das ist unser Thema für 2018. Wenn wir geschafft haben, die Kliniken auf eine solide finanzielle Basis zu stellen, können wir über eine Zusammenarbeit mit der Uni-Klinik reden.“

Hausgemachte Probleme trugen zur Schieflage bei

Zur Schieflage hätten auch hausgemachte Probleme beigetragen. So habe der wirtschaftliche Druck die Geschäftsführung dazu verleitet, Pflege-Fachkräfte nach deren Ausbildung nicht oder nur mit Zeitverträgen zu übernehmen. Das räche sich jetzt – vor allem im OP-Bereich. „Wir waren damals noch nicht in dieser Mangelsituation“, sagt Professor Goßmann. „Trotzdem war das eine falsche strategische Entscheidung.“

Wegen der finanziell angespannten Situation seien die Kliniken zu stark nach den Kriterien eines Wirtschaftsunternehmens geführt worden, kritisiert sein Kollege. „Eine Kinderklinik mit 300 Betten kann man nie so fahren, dass sie immer voll ausgelastet ist“, so Professor Weiß. „Es war immer unser Versorgungsauftrag, dass wir den Bürgern sieben Tage in der Woche rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Die Städte München und Stuttgart schießen auch jedes Jahr Geld zu. In Hamburg ist das Altonaer Kinderkrankenhaus an die Uniklinik verkauft worden.

Bislang keine finanziellen Zuschüsse

In Köln jedoch sollten die städtischen Kliniken das bislang alles ohne finanzielle Zuschüsse regeln. Das war eine zu optimistische Sicht der Dinge.“ Es sei ein großer Segen für die Amsterdamer Straße, dass die Spendenbereitschaft der Kölner so hoch ist, sagt Weiß. Das dürfe aber kein Ersatz für dringend erforderliche Investitionen sein. „Nach dem Motto: Für Kinder wird ja immer gespendet, das kriegt ihr dann ja selbst hin.“

Die Baupläne für die neue Säuglingsstation seien 15 Jahre alt, jetzt werde man sie wohl umsetzen können. „Ein Bau mit derart kleinen Zimmern ohne Mutter-Kind-Betreuung ist heute einfach nicht mehr konkurrenzfähig.“ Die Diskussion um den Klinikverbund habe auch ihr Gutes. Der Öffentlichkeit müsse klarwerden, „dass ein Krankenhaus keine Fließbandproduktion ist“. Und es eine Fusion trotz der finanziell völlig unterschiedlichen Ausgangslage nur auf Augenhöhe geben kann.

Zwei Maximalversorger

Dann habe sie auch eine Chance – die Charité des Westens. Prof. Axel Goßmann spricht gar von einer „Luxussituation, weil wir in Köln zwei Maximalversorger auf universitärem Niveau haben“. Linksrheinisch die Uni-Klinik, rechtsrheinisch die städtischen Kliniken mit der Anbindung an die Privat-Uni Witten/Herdecke. Beide seien hoch spezialisiert – und das auf unterschiedlichen Feldern. „Wir haben hier in Merheim die Schwerverbrannten-Station, plastische Chirurgie, da gibt es in weitem Umkreis keine vergleichbare Klinik, auch die Uniklinik nicht“, so Goßmann. „Die hat eine hochaufgestellte Herzchirurgie, die haben wir nicht. Bei uns gibt es eine weitere ausgewiesene Fachklinik, die Lungenklinik, eine vergleichbare Struktur gibt es bei der Uniklinik nicht, dafür ist dort die Onkologie stark aufgestellt, bei uns nicht in dem Maße. Wir könnten in vielen Fachbereichen zusammenarbeiten.“

Auf anderen medizinischen Feldern seien doppelte Strukturen wie bei der Behandlung von Schlaganfällen wegen des großen Einzugsgebiets durchaus sinnvoll. „Ein Patient aus der Eifel muss nicht bis nach Merheim gebracht werden, einer aus dem Bergischen Land nicht bis nach Lindenthal“, so Goßmann weiter. „Die Expertise beider Kliniken ist bei Schlaganfällen gleichermaßen exzellent.“ Mit dem Verbund entstünde der größte Standort in Deutschland. „Das hätte ein ganz anderes Gewicht, was Wissenschaft und Forschung angeht. Das bedeutet ja nicht, dass wir eines der beiden Schlaganfallzentren aufgeben.“ Auch Holweide besitze eine hohe Bedeutung für das Rechtsrheinische. Während andere Krankenhäuser aus wirtschaftlichen Gründen Geburtskliniken schließen, werde hier eine der größten in NRW mit einem Perinatalzentrum auf dem Level 1 betrieben.

Zusammenarbeit von Kinderklinik und Uni

In der Forschung und Fortbildung arbeiten die Kinderklinik an der Amsterdamer Straße und in der Uni schon lange zusammen, beispielsweise beim jährlichen Wolkenburg-Symposium für Kinderärzte. Der Kongress für Kinder- und Jugendmedizin wurde 2017 durch die Kinderklinik der Uni und das Lehrkrankenhaus Amsterdamer Straße gemeinsam ausgerichtet. Professor Weiß hat wie sein Kollege Goßmann klare Vorstellungen von einem Verbund.

„Was die Bauten angeht, sind wir im Nachteil, weil hier wenig investiert wurde. Wenn wir kooperieren, geht das nur auf Augenhöhe.“ Perfekte Partnerschaft bedeute, dass beide Häuser die Grundversorgung garantieren. „Wenn wir alle komplizierten Krankheiten an die Uniklinik abgeben und hier nur noch Bronchitis und akute Notfälle behandeln, würden wir uns auf das größte Kreiskrankenhaus der Republik reduzieren. Dann bekommt man auf Dauer keine Mitarbeiter mehr.“

Wachstum zulasten Dritter

Ob es tatsächlich zum Klinikverbund, zur Charité des Westens, kommt, ist für den Chef der Kinderklinik vor allem eine politische Entscheidung, die nicht allein in Köln getroffen wird. Er könne sich vorstellen, dass die anderen Unikliniken in NRW eine Fusion nicht sonderlich fair finden, wenn sie weniger Forschungsgelder bekommen, weil Köln durch den Zusammenschluss mehr abgreift und damit die städtischen Kliniken alimentiere. „Das könnte als Wachstum zulasten Dritter politisch diskutiert werden, ist aber nicht unser Thema“, sagt Weiß.  

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