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Raumstation ISSDiese Kölnerin wird vielleicht die erste deutsche Astronautin

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Laura Winterling möchte als erste deutsche Frau ins Weltall fliegen.

Laura Winterling möchte als erste deutsche Frau ins Weltall fliegen.

  • Laura Winterling ist Diplom-Physikerin und möchte als erste deutsche Frau in den Weltraum fliegen.
  • Die 35-Jährige hat sich für das Projekt „Die Astronautin“ beworben — und schon mehr als 300 Konkurrentinnen hinter sich gelassen.

Köln – Wie reagieren Menschen, wenn man sie auf der Straße anspricht und sie spontan zu einem Kaffee einlädt? Unsere Kollegin Susanne Hengesbach probiert das regelmäßig aus. Nun machte sie eine ganz besondere Begegnung.

Heute Abend werde ich mich draußen auf eine Bank setzen und warten, bis von Westen her ein Fußballfeld über mich hinwegsaust“, verkünde ich einer Freundin, nachdem ich gerade von meinem Kaffee-Gespräch zurückgekommen bin. Noch bevor sie Zweifel an meinem Geisteszustand anmelden kann, erzähle ich ihr von dem aufregenden Zusammentreffen mit der Frau, die definitiv höher hinaus will als alle anderen Menschen, die ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe: Laura Winterling möchte nämlich als erste deutsche Frau in den Weltraum fliegen. Und die Chancen der Diplom-Physikerin stehen offenbar gar nicht schlecht.

Ich laufe der 35-Jährigen am Weyertal über den Weg. Das dortige Café Local sei für sie fast zu einer Art Büro geworden, erzählt die Wahl-Sülzerin. Hier sitze sie oft lange und arbeite am Laptop. Heute hat sie zum Glück etwas Zeit und eröffnet mir einen Einblick in eine Welt, die ich mir total anders vorgestellt habe.

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Stichwort Fußfallfeld: Dass die Internationale Raumstation ISS in etwa diese Größe hat, überrascht mich. Ich wusste auch nicht, dass dieses Ding mit 28.000 Kilometern pro Stunde im Orbit unterwegs ist und somit alle 90 Minuten die Erde umkreist.

Dadurch, dass die Raumstation das Sonnenlicht reflektiere, sei sie „heller als der hellste Stern und in Köln oft gut zu sehen“, erläutert Winterling, die natürlich mit anderen Augen nach oben schaut, weil sie immer weiß, wer gerade oben ist.

Acht Jahre als Astronauten-Instruktorin

Dass die gebürtige Fränkin inzwischen jeden Astronauten kennt, liegt daran, dass sie acht Jahre lang bei der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) als Astronauten-Instruktorin tätig war und Weltraumfahrern wie Sunita Williams, Sergei Volkov oder Chris Hadfield unter anderem ihr technisches Wissen über das Weltraumlabor Columbus und das Versorgungsraumschiff ATV weitergegeben hat; über jenes knapp 21 Tonnen schwere Teil, das die Raumstation ab und zu anschiebt, damit diese mit ungebremster Geschwindigkeit in 400 Kilometern Höhe weiterkreist.

Als Astronauten-Trainerin habe sie zu der weltweit wahrscheinlich einzigartigen Gruppe von Lehrern gehört, „die anderen etwas beibringen, was sie selber wahrscheinlich nie machen werden“.

Als Astronautin beworben

Die Betonung liegt auf dem Wörtchen „wahrscheinlich“; denn womöglich sitzt sie in vier, fünf Jahren mit in der Raumkapsel. Jedenfalls gehört Winterling zu dem Kreis von 400 Frauen, die sich für das Projekt „Die Astronautin“ beworben haben, einer Initiative von Claudia Kessler, die als deutsche Chefin des Bremer Unternehmens HE Space hoch spezialisierte Fachkräfte für die Raumfahrtindustrie vermittelt.

Von diesen 400 Bewerberinnen wurden bisher bereits 310 bereits ausgesiebt, so dass Winterling jetzt nur noch 89 Konkurrentinnen hat. Ende des Jahres werde sie mehr wissen, verrät sie.

„Einmal alles von oben sehen“

Fragt man die zierliche Frau mit den langen dunklen Haaren, weshalb sie unbedingt in den Weltraum will, antwortet sie das, was vielleicht auch ein Extrem-Bergsteiger erwidern würde. „Einmal das alles von oben sehen. Das wollte ich schon immer.“

Während sich viele ihrer Altersgenossinnen in ihrer Heimatstadt Bayreuth in der Festspielzeit unentgeltlich als „blaue Mädchen“ auf dem Grünen Hügel verdingten, zog es Winterling im Jahr 2000 nach Florida, wo sie als junge Abiturientin das Riesenglück hatte, außergewöhnlich viele Shuttle-Starts mitverfolgen zu können. Am Strand von West Palm Beach stehend, konnte sie freilich noch nicht ahnen, dass sie die Menschen, die damals vom nahe gelegenen Raketenstartgelände Cape Canaveral ins All starteten, einmal persönlich kennenlernen würde.

Es vergingen noch sieben Jahre, bis sie sich – inzwischen an ihrer Physik-Diplomarbeit sitzend – bei der ESA für ein Trainee-Programm bewarb, was den Start ihrer Karriere markierte. In den Folgejahren saß sie immer wieder im Münchener Kontrollzentrum „inmitten des Teams der Eurocoms, jenen Menschen, die verantwortlich sind für die Kommunikation mit den Astronauten“.

„Wovor hat man am meisten Schiss?“, frage ich die Frau, die die erste deutsche Astronautin werden möchte. „Dass man es nicht wird“, entgegnet sie und lacht. Dann zeigt Winterling mir auf ihrem Smartphone Fotos von der ISS-Raumstation und veranschaulicht mir, was dort passiert.

„Jeden Morgen, wenn Sie die Augen aufmachen, können Sie davon ausgehen, dass sechs Leute da oben rumkreisen.“ Diese trügen während ihres jeweils halbjährigen Aufenthalts in der Station auch keine Raumanzüge, wie ich annehme, sondern „T-Shirts und Shorts“.

Auf meine Frage, ob die da oben auch ein wenig Privat- oder Intimsphäre hätten, nickt Winterling. „Ja, 0,6 Quadratmeter – also in etwa das Volumen einer Telefonzelle“. Damit sich in der Schwerelosigkeit die Muskeln nicht abbauten, seien die Astronauten verpflichtet, „jeden Tag zwei Stunden Sport“ zu machen: Gewichtstraining, Fahrradfahren ohne Sattel, Laufband.

Freizeit auf der Raumstation

Und was machen die, wenn die Freizeit haben? – „Dasselbe wie wir hier unten. Filme gucken, Mails schreiben, telefonieren, fotografieren. Wenn die Kollegen oben nicht arbeiten müssten, sondern die ganze Zeit aus dem Fenstern schauen könnten, würden sie jeden Tag 16 Sonnenaufgänge und 16 Sonnenuntergänge sehen.“

Ich nehme das Strahlen in Laura Winterlings Augen wahr und spüre ihre Kraft und Entschlossenheit. Hätte sie früher immer auf die anderen gehört, „hätte ich das hier nie angefangen“, betont die Frau, die inzwischen als Event-Managerin am Astronautenzentrum der ESA in Köln tätig ist.

„Ich bin ein ganz großer Verfechter von diesem Auf-niemanden-hören. Das, wofür dein Herz schlägt, musst du ausprobieren und machen. Du musst dich trauen, deinen eigenen Weg zu gehen.“

Vielleicht bringt ihrer sie bald in 400 Kilometer Höhe.

Und ich kann, wiederum unten im Park sitzend und nach dem Fußballfeld Ausschau haltend, winken – wissend, sie ist dort, wo es heller ist als der hellste Stern.

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