VerstoßStädtische Gebäudewirtschaft macht Millionengeschäfte am Kölner Rat vorbei

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Das städtische Amt für Informationsverarbeitung in einem ehemaligen Gebäude des Bankhauses Oppenheim an der Enggasse

Das städtische Amt für Informationsverarbeitung in einem ehemaligen Gebäude des Bankhauses Oppenheim an der Enggasse

Köln – Die städtische Gebäudewirtschaft hat 500 Mitarbeiter und einen eigenen „Aufsichtsrat“: Ein Ausschuss des Stadtrates kontrolliert die Arbeit der „eigenbetriebsähnlichen Einrichtung“, so die offizielle Organisationsform der Dienststelle.

Eine der wichtigen Aufgaben dieses Ausschusses: Er muss größere Investitionen der Gebäudewirtschaft absegnen, etwa bei Anmietungen von Bürohäusern für die Verwaltung. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Gebäudewirtschaft in den vergangenen vier Jahren dennoch entschieden, Millionen Euro in Mietverträge zu investieren, ohne sich das wie vorgeschrieben von den Ratspolitikern genehmigen zu lassen.

Den Bestimmungen zufolge darf die Gebäudewirtschaft Mietvereinbarungen lediglich dann ohne Zustimmung des Ausschusses unterzeichnen, wenn die Kosten über die gesamte Laufzeit einen Betrag von 250 000 Euro nicht überschreiten oder die Vertragslaufzeit unterhalb von fünf Jahren liegt. Das soll die Kontrolle eines gewählten Gremiums über die Verwendung von Steuergeldern gewährleisten.

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Wertgrenze überschritten

Die in der Betriebssatzung festgelegten Grenzen wurden jedoch nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bei mehreren Mietverträgen deutlich überschritten. So mietete die Gebäudewirtschaft im September 2016 von der OSMAB-Unternehmensgruppe eine 13.000 Quadratmeter große Fläche in einem neuen Bürokomplex an der Dillenburger Straße in Kalk, den die zentrale Ausländerbehörde und die Ausländerabteilung des Ordnungsamtes beziehen sollen.

Das sagt die Satzung:

Eine Zustimmung des Betriebsausschusses ist erforderlich bei Grundstücksmiet- und Pachtverträgen mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren oder einer Miet- und Pachtsumme von mehr als 250.000 Euro innerhalb der Laufzeit.

Legt man die monatliche Durchschnittsmiete für Büros in Köln zugrunde, die bei 12,50 Euro pro Quadratmeter anzusetzen ist, entstehen pro Monat Kosten in Höhe von 162 500 Euro – das wären 1,95 Millionen Euro im Jahr. Als Laufzeit gelten in der Branche zehn Jahre als durchaus üblich. Demzufolge könnte es allein bei dieser Anmietung um ein Gesamtvolumen in der Größenordnung von rund 20 Millionen Euro gehen. Die Wertgrenze, ab der eine Zustimmung des Ausschusses eingeholt werden muss, ist damit deutlich überschritten. Dieser Vorgang ist jedoch in den Niederschriften des zuständigen Ausschusses nicht zu finden.

Das gilt auch für eine weitere Anmietung. Im Mai 2015 wurden für das Amt für Informationsverarbeitung auf fünf Etagen 6900 Quadratmeter in einem repräsentativen, einst vom Bankhaus Oppenheim genutzten Gebäude an der Enggasse 2 gemietet. Auf Grundlage der Durchschnittsmiete entstünden hier jährliche Kosten in Höhe von rund einer Million Euro. Zu diesem Vorgang findet sich in den Ausschuss-Niederschriften ebenfalls kein Hinweis.

Ohne Erwähnung im Betriebsausschuss bleibt zudem folgendes Geschäft: Im Januar 2014 mietete die Gebäudewirtschaft für das Bezirksrathaus Innenstadt 4300 Quadratmeter in einem modernen Bürohaus an der Ludwigstraße 8. Bei der Bekanntgabe des Umzugs durch die Stadt wurden eine Vertragslaufzeit von sechs Jahren genannt sowie eine Option auf Verlängerung. Geschätzte Kosten: 645.000 Euro pro Jahr, wenn man die Durchschnittsmiete ansetzen würde. Dabei dürften insbesondere die Immobilien in bester Innenstadtlage einen noch deutlich höheren Quadratmeterpreis erzielen als das im Stadtdurchschnitt der Fall ist.

Nur zwei Anmietungen vorgelegt

Insgesamt wurden den Ratspolitikern im Betriebsausschuss seit 2012 lediglich zwei Anmietungen zur Genehmigung vorgelegt. Dabei handelt es sich um den eigenen Umzug der Gebäudewirtschaft vom Stadthaus Deutz in den LVR-Turm – in dem Fall fand eine Sondersitzung des Ausschusses im Februar 2016 statt – sowie den letztlich gescheiterten Versuch, Räume der Friedensschule in Widdersdorf zu mieten. Dieses Projekt stand im Februar 2017 auf der Tagesordnung des Ausschusses.

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Die städtische Gebäudewirtschaft beantwortete die Frage, welche größeren Anmietungen sie außer den von ihr selbst genutzten Räumen im LVR-Turm in den zurückliegenden drei Jahren durchgeführt hat, am Mittwoch nur ausweichend: „Für sich selbst“ habe die Gebäudewirtschaft in diesem Zeitraum keine weiteren Flächen angemietet, hieß es in einer schriftlichen Antwort. Ob weitere Flächen für andere Dienststellen der Stadt angemietet wurden, werde man am heutigen Donnerstag beantworten, kündigte eine Stadtsprecherin an.

Leitungswechsel im April 2014

Seit April 2014 steht die Gebäudewirtschaft unter der Leitung von Petra Rinnenburger. Die Praxis, den Betriebsausschuss nicht wie vorgeschrieben in Mietgeschäfte ab einer bestimmten Höhe einzubeziehen, existierte mit Blick auf das bereits im Januar 2014 angemietete Bezirksrathaus Innenstadt offensichtlich auch schon vor ihrer Amtsübernahme.

Rinnenburgers Vorgänger Engelbert Rummel – mittlerweile Leiter des Ordnungsamtes – musste seinen Chefposten im Frühjahr 2014 räumen, nachdem er mit den Stimmen von SPD und Grünen abgewählt worden war. Der damalige Stadtdirektor Guido Kahlen und Ratsmitglied Wolfgang Bosbach (beide SPD) argumentierten, dass „Beschäftigte in besonders sensiblen Bereichen“ laut der städtischen Korruptionsrichtlinie nach einer gewissen Zeit andere Aufgaben übernehmen müssten.

Die Gebäudewirtschaft ist zuständig für das Errichten, die Instandhaltung und die Bewirtschaftung von Schulen, Kindertagesstätten und Verwaltungsbauten. Sie tritt gegenüber anderen städtischen Dienststellen als Vermieter auf. Künftig soll die Leitung auf mehrere Köpfe verteilt werden.

Der Stadtrat wird am Donnerstag über die neue Position eines kaufmännischen Geschäftsführers an der Seite Rinnenburgers entscheiden. Außerdem soll ein zusätzlicher technischer Berater kommen. Wegen zahlreicher gravierender Bauverzögerungen vor allem bei Schulen und Kindergärten wurde die Gebäudewirtschaft zuletzt heftig kritisiert.

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