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Mein VeedelTatort-Darstellerin Camilla Renschke liebt ihr Ehrenfeld

Lesezeit 6 Minuten

Ehrenfeld – Camilla Renschke ist jemand, den man kaum in Köln vermutet. Zumindest der Fernsehzuschauer tut dies nicht. Als Polizistin Helen Reinders spielt sie im Bremer Tatort die Tochter der Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel), darum wird Renschke nun mal eher mit dem Norden verknüpft.

Dabei ist sie ein echt kölsches Mädchen, das seit vielen Jahren im Stadtteil Ehrenfeld wohnt, „weil da praktisch jeder Meter spannend ist“. An Pfingsten konnte man die 36-Jährige zuletzt in Bremen agieren sehen, der nächste Tatort aus der Hansestadt wird am Sonntag, 30. Oktober, ausgestrahlt. Renschke ist seit 1997 festes Ensemblemitglied. „Genau! Nächstes Jahr haben Sabine und ich unser Zwanzigstes“, stellt sie mit Blick auf ihre TV-Mutter Sabine Postel fest.

Kaffeequalität ist wichtig

Wir sitzen im überfüllten Café Rotkehlchen, einer Lokalität, die vor vielen Jahren mal eine Metzgerei gewesen ist. Erst als vor drei Jahren die Umbauarbeiten fürs Café begannen, stellte man fest, dass sich unter dem Fußbodenbelag noch die wunderschönen alten Fliesen befinden, die dem Lokal einen besonderen Charme verleihen. Camilla Renschke liebt diesen Ort. Das liegt an der Atmosphäre dort, am leckeren Gebäck, aber vor allem auch am Kaffee.

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„Der ist von Schamong, Kölns ältester Rösterei“, stellt Renschke fest. Da sie keine Milch mag und demzufolge weder Cappuccino noch Latte macchiato trinkt, sei ihr „die Kaffeequalität so absurd wichtig. Kaffee kannst du nämlich wirklich nicht überall trinken“.

Selbst die Schmuddelecken sind toll

Aber wohnen könnte sie überall – zumindest, was ihren Lieblingsstadtteil Ehrenfeld betrifft. Dort kann sie selbst in Schmuddelecken ins Schwärmen geraten; was man hinsichtlich der Gegend, in der sie aufgewachsen ist, nicht unbedingt so sagen kann. Da ihre Mutter seinerzeit eine Stelle in der Administration des Theaters in Stuttgart angeboten bekommen habe, sei sie als Kind im Alter von nur einem Jahr in die schwäbische Metropole gezogen, wo sie lesen und schreiben und sprechen gelernt habe, „was man heute Gott sei Dank nicht mehr hört“.

Mit acht erfolgte ein weiterer Umzug – und zwar nach Bochum, wo sie sich erstmal das „gell“ und das „adele“ abgewöhnen musste. „Seit ich zehn bin, sind wir wieder in Köln. Erst in der Südstadt, die damals noch nicht so hip war, wie sie heute ist.“ Ihre erste eigene Wohnung sei noch in der Innenstadt gewesen, aber danach habe sie abgesehen von einem kurzen Zwischenstopp in Mülheim immer in Ehrenfeld gelebt.

„Hier gibt es nur schöne Sachen“

Wenn die Schauspielerin biografische Zahlen nennt oder zum Beispiel davon erzählt, dass sie vor dem erfolgreichen Casting für ihre Tatort-Rolle schon in einer Folge Bella Block mitgespielt hat, fängt man als Zuhörer automatisch an zu rechnen oder ungläubig mit dem Kopf zu schütteln. Letzteres liegt daran, dass man die 36-Jährige eher für eine Endzwanzigerin halten würde und nicht für eine Frau, die selber bereits seit neun Jahren Mutter ist.

„Aber in den letzten Monaten hat sich etwas verändert“, stellt sie mit ihrem mädchenhaften Lächeln fest. „Ich werde plötzlich gesiezt.“

Wir verlassen das Café und treten ins Freie. „Jetzt können wir in alle Richtungen laufen, hier gibt es nur schöne Sachen“, verspricht die Schauspielerin und fügt hinzu: „Und die Venloer Straße liebe ich sehr, sehr!“

Ein Haus, das es in Renschkes Augen verdient hat, den Aufkleber „Ich bin ein Lieblingsort“ zu tragen, ist das Tanzstudio Hop Spot in der Lessingstraße. „Wenn ich schlecht drauf bin, komme ich her“, versichert die Kölnerin und freut sich, vor dem Haus auf Tanzlehrer Johannes Döll zu treffen, der uns einen Blick in die Räumlichkeiten werfen lässt. Weil eine Tanzfläche ohne Tänzer in etwa so nackt wirkt wie ein Mohnbrötchen ohne Körner, legt Döll mal kurz Musik auf und führt mit seiner offenbar talentierten Schülerin ein paar Lindy-Hop-Schritte vor.

Das beste Eis von Ehrenfeld

Eine bessere Erfrischung nach erfolgter Bewegung als beispielsweise das Litchi-Koriander-Bitterorangen-Sorbet bei der Eisdielerin ist kaum vorstellbar. Obwohl: Auch das dunkle Schokosorbet ist eine Versuchung; zumal Michaela Staffel, die die Eisdiele im vergangenen Herbst eröffnet hat, auch diese Sorte ohne Milch herstellt.

Nach diversen Probier-Löffeln nähern wir uns der Stelle, die laut Renschke „beim Ranking der hässlichsten Plätze von Köln ganz vorne liegt“. Sie meint die Kreuzung Venloer/Straße Gürtel. Vorher biegen wir jedoch nach links ab zum Denkmal der Edelweißpiraten am Ehrenfelder Bahnhof.

Da sie selber kein Auto besitze und im Bedarfsfall auf Carsharing-Anbieter zurückgreife, sei sie viel zu Fuß oder mit dem KVB-Rad unterwegs und liebe „dieses Gemisch aus richtig abgeranzten Ecken“ und als Kontrast dazu Stellen wie den Neuehrenfelder Lenauplatz mit noch richtig schönen alten Häusern. Ein paar Augenblicke später stehen wir am Gürtel und schauen schwer beeindruckt auf die Kreuzung. Dort bleibt Renschke einen Moment stehen und erzählt uns, dass sie immer noch dem „Strohhutseck“ nachtrauere. Sie habe den kleinen Imbiss mit unfassbar netter Bedienung und einem Ambiente wie aus den 70ern dafür bewundert, dass die wacker dem großen Burgerladen getrotzt hätten. Stattdessen ist dort nun ein „Wurstteufel“.Um uns möglichst schnell wieder etwas Schönes vor Augen zu führen, nehmen wir Kurs auf die Geisselstraße, wo sich eines der schönsten Wäschegeschäfte befindet.

Das Ende der Schüchternheit

Unterwegs erzählt die 36-Jährige davon, dass es mal eine Zeit gegeben habe, in der sie afrikanische Sprachen lernen wollte. Schauspielerei als Berufswunsch sei schon deshalb nicht in Frage gekommen, weil sie so schüchtern gewesen sei. Sie habe als Kind nicht am, sondern unterm Tisch gesessen und anderen aus dem Lexikon vorgelesen.

Später, im Humboldt-Gymnasium, habe sie zwar den Musikzweig besucht und im Orchester gespielt, Saxophon. „Und im Chor gesungen.“ Erst in der Neunten habe sie beschlossen: „Jetzt ist Ende mit der Rumzickerei und mit der Schüchternheit, jetzt stellst du dich da hin und machst, was du sollst.“

Ein Leben mit Prosapagnosie

Ein anderes Problem bekam sie dadurch jedoch nicht in den Griff. Renschke leidet unter Prosapagnosie und damit unter der Unfähigkeit, sich Gesichter merken zu können. „Wenn man das herausfindet, erklärt das sehr viel.“ Nun habe sie praktisch eine Liste im Kopf von Menschen, die man in der Gegend treffen könnte und dazu einen inneren Katalog, den man abfrage.

Wenn bestimmte Merkmale wie eine Mütze plötzlich fehlten oder – noch schlimmer – ihr Bekannte im Schwimmbad begegneten, sei sie aufgeschmissen. „Es hat nichts mit Alzheimer zu tun, ich kenne die Ängste“, sagt sie und lächelt. Dem Problem könne man nur mit Humor begegnen, meint die Schauspielerin, die auch Hörbücher spricht und als sogenannte „Station Voice“ von 1Live den Radiohörern die Stauschau und andere Infos übermittelt.

Nachdem wir uns im Wäschegeschäft der Französin Diane-Sophie Durigon umgeschaut haben, die nach eigenem Bekunden nur Dinge führt, „die Frauen glücklich machen“, laufen wir zum „Salon Zwei“, wo das Resultat ähnlich ausfällt. Der Kaufladen und Schminksalon von Claudia Schaaf sei „ein Geschäft, wo man hinkommt, weil man einen Lippenstift braucht und nach drei Stunden wieder rauskommt und die nettesten Menschen kennengelernt hat“. Sie sei „halt so ne Ökotante“, sagt Renschke, der das Bio- und Fair-Trade-Angebot im Veedel „noch ein wenig fehlt“. Im Salon Zwei hingegen, wo sie sich gerne vor Veranstaltungen schminken lasse, „kann ich meinen politisch korrekten Kaufrausch befriedigen“.

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