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Köln früher und heuteWarum Unter Sachsenhausen als „Kölner Wall Street“ galt

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Die Straße Unter Sachsenhausen säumten im 19. Jahrhundert viele Prachtvillen.

  • In unserer PLUS-Serie „Köln früher und heute” zeigen wir jede Woche einen Ort in Köln und erzählen von dessen Geschichte und Gegenwart.
  • In dieser Folge geht es um die Straße Unter Sachsenhausen, die im 19. Jahrhundert von Prachtvillen gesäumt war.
  • Die schönen Gebäude der „Kölner Wall Street“ wurden im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Lesen Sie hier, wie sich die Straße in den letzten 150 Jahren verändert hat.

Köln – Die Kölner Altstadt war immer von engen Gassen geprägt. Platz zum Durchatmen fehlte. Doch es gab eine Ausnahme, schon seit dem Mittelalter: der Straßenzug, zu dem auch Unter Sachsenhausen gehörte. Hier standen sich die ersten Prachtvillen des 19. Jahrhunderts in gebührendem Abstand gegenüber. Es waren fürstliche Residenzen auf Weltstadt-Niveau, die sich nur die Bankiers und Industriellen jener Epoche leisten konnten.

Den Grundstein für die „Kölner Wall Street“ bildete das Bankpalais für den „A. Schaaffhausen'schen Bankverein“, eines der wichtigsten Finanziers der deutschen Industrie. Tapeten aus gelber Seide, vergoldete Möbel, einen Ballsaal mit Stuckarbeiten und Anleihen an die italienische Renaissance konnte die Öffentlichkeit bestaunen, als das Gebäude am 22. August 1863 eröffnet wurde (angeschnittenes Gebäude rechts im Bild). Die Ära der Straße Unter Sachsenhausen als Herz des Kölner Bankenwesens hatte begonnen.

Fotoausstellung zeigt Köln im Wandel

Unter dem Titel „Köln am Rhein oder: Von Zeit zu Zeit“ zeigt das Kölnische Stadtmuseum bis zum 26. Januar 2020 Ansichten Kölns aus mehreren Jahrzehnten. Fotos von Hugo Schmölz und seinem Sohn Karl Hugo Schmölz aus den 1920er bis 1940er sowie aus dem Nachkriegsjahr 1947 werden mit Aufnahmen von 1994 sowie 2019 kombiniert. Zu sehen sind insgesamt 26 Foto-Quartette, die eine Stadtansicht immer aus derselben Perspektive zeigen und Köln im Wandel porträtieren. Weitere Fotografien von Hugo und Karl Hugo Schmölz zeigen den Kölner Pavillon auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1937. (cht) www.koelnisches-stadtmuseum.de

Wohlhabende Kölner ließen Prachtstraße entstehen

Was diese Straße stets besonders machte, war ihre für Köln außergewöhnliche Großzügigkeit. Diese hatte ihre Wurzeln im Mittelalter. „Ursprünglich war sie der Hauptweg für kirchliche Prozessionen zwischen dem Dom und St. Gereon“, erklärt der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings. Als in der Säkularisierung viele kirchliche Grundstücke zu kaufen waren, nutzten vor allem wohlhabende Kölner die Gelegenheit – insbesondere Bürger, die ihr Geld mit Finanzgeschäften machten. Sie waren solvent genug, eine Straße entstehen zu lassen, die es in puncto Pracht und Schönheit mit Wien und Berlin aufnehmen konnte.

Ende des 19. Jahrhunderts war der Straßenzug, dessen Bezeichnung aus dem mittelalterlichen „Unter Sechzehnhäusern“ hervorging, gesäumt von repräsentativen Bankgebäuden. Die Reichsbankhauptstelle, die Dresdner Bank, die „Société Générale Alsacienne“, der Barmer Bankverein und die Rheinisch-Westfälische Boden-Credit-Bank siedelten sich westlich des Doms und des Hauptbahnhofs an. Darüber hinaus hatten Bankier Eduard von Oppenheim oder Franz Carl Guilleaume, Gründer des Carlswerks des Mülheimer Drahtseil-Unternehmens „Felten & Guilleaume“, hier ihre prachtvollen Wohnsitze. Letzterer gönnte sich einen italienischen Palazzo, vor dem auf dem historischen Foto gerade die Straßenbahn fährt.

Einige Gebäude Überlebten den Zweiten Weltkrieg

„Köln war ein wichtiger Bankenplatz für die Entwicklung des Westens Deutschlands“, sagt Ulrich S. Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs: „Im 19. Jahrhundert waren die Kölner Unternehmer und die hiesigen Banken führend bei der Finanzierung der rheinisch-westfälischen Industrie und des Montanreviers.“ Erst im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts sei der „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ von Köln nach Düsseldorf verlegt worden.

Der Zweite Weltkrieg setzte auch Unter Sachsenhausen arg zu. Aber einige wenige Bauten überlebten. So etwa das prägnante Gebäude mit dem Spitzdach in der Mitte des Fotos. 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wurde es von Architekt Peter Behrens gebaut, der mit seinem sachlichen Stil als Vorreiter des Bauhaus gilt. Das Anwesen diente ursprünglich dem Modeunternehmen „Frank & Lehmann“ als Geschäftshaus. 

Kölns „Wall Street“ hat ihre Pracht verloren

Nach dem Krieg entwickelte sich Unter Sachsenhausen immer mehr zur Bankenstraße, Wohngebäude gab es kaum noch. Nüchterne Zweckbauten dominierten, die Zeit des verspielten Pomps war vorbei. Die Bank „Sal. Oppenheim“ zog an die Straße, ab 1956 auch die Herstatt-Bank. Die Industrie- und Handelskammer, die vor dem Krieg im ehemaligen Domizil des „A. Schaaffhausen'schen Bankvereins“ residierte, bezog 1952 in der Nachbarschaft einen Neubau. Das alte Gebäude wurde im Juni 1943 von Bomben zerstört.

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Auch die neue Nord-Süd-Fahrt setzte neue Akzente. Sie schlug an der Stelle des Guilleaumeschen Palais eine Schneise in die Straße. Kölns „Wall Street“ habe sich in den vergangenen 150 Jahren stets gewandelt, so Ulrich S. Soénius. Ihre einstige Pracht hat sie jedoch eingebüßt.

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