Köln früher und heuteVom Hafen zum Wohnviertel: die Geschichte des Rheinauhafens

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Köln – Auf Spaziergänger wirkt der Rheinauhafen zuweilen kühl und steril, doch seine Bauten sind aus dem Kölner Stadtpanorama so wenig wegzudenken wie der Dom und die Hohenzollernbrücke. „Die Entwürfe waren ein Glücksfall“, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings über die drei riesigen Kranhäuser, die mittlerweile „voll integriert“ seien in das „Kölner Seelenleben“.

Das gilt für das Siebengebirge, dem ehemaligen Getreidespeicher aus dem Jahr 1909, schon lange. Die Kölner mochten von Anfang an das langgestreckte Gebäude, das mit seinen sieben beziehungsweise neun historisierenden Giebeln so gut zu den Fronten der Kölner Altstadthäuser passte. Als der Rheinauhafen Ende der 1970er Jahre seine Blütezeit längst hinter sich hatte und grau vor sich hindämmerte, leuchtete das Siebengebirge dank eines frischen Ocker-Anstrichs noch immer wie am ersten Tag.

Der Rheinauhafen in seiner Blütezeit

Auf dem Foto von August Sander aus dem Jahr 1938 steht der Rheinauhafen noch voll im Saft. Täglich mussten zig Frachtschiffe be- und entladen werden, dazu stand an der Kaimauer eine Armada dicker Kräne bereit. Der Rheinauhafen bot seit seiner Eröffnung im Jahr 1898 immer mehr Arbeitern Lohn und Brot. Das Gelände war zwar vom Rest der Stadt durch Zaunanlagen abgetrennt, doch nach Schichtende ging es hoch her in den umliegenden Vierteln. In den Kneipen begossen die Männer den Feierabend und auf den Bürgersteigen boten die Damen des „leichten Gewerbes“ ihre Dienste an. „Das alles hatte Hamburgischen oder Duisburger Charakter“, sagt Ulrich Krings.

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Der Teil des Rheinauhafens südlich des Bayenturms nahm erst Anfang des 20. Jahrhunderts Gestalt an, nachdem das preußische Militär das Gelände nicht mehr benötigte. Ein Innenbecken hatte die Hafenerweiterung, anders als der nördliche Teil, nicht. Auf der Landseite gab es nur einen Güterbahnhof. Das erste, heute nicht mehr existierende, Silogebäude entstand um 1900 und trug die Aufschrift „Rhenania Schiffahrt“.

Zehn Jahre später schuf Architekt Hans Verbeek nördlich davon einen 170 Meter langen Großspeicher mit Schieferdächern, der mit seiner Stahlbetonskelett-Bauweise damals hochmodern war. Seinen sieben Giebeln an der Landseite, mit denen Verbeek gekonnt die Atmosphäre der Kölner Altstadt simulierte, verdankte er seinen Spitznamen: Siebengebirge. „Die Kölner waren und sind stolz darauf“, sagt Ulrich Krings. Der Getreidespeicher mit seinen markanten Treppentürmen sei ein „unglaublich spannender Bau“.

Kurz nachdem August Sander den Rheinauhafen so stimmungsvoll ablichtete, änderte sich das Erscheinungsbild des Siebengebirges einschneidend. Seine südliche Giebelfassade mit dem schönen Erker verschwand, denn zwischen „Rhenania“-Speicher und Siebengebirge entstand ein neues, 45 Meter hohes Silo, eine bunkerartige Anlage zur Getreide-Aufbewahrung. In der Betonkonstruktion sollten Notreserven lagern, sagt Kunsthistoriker Krings – es habe sich um eine Vorsorge-Maßnahme im Hinblick auf den bevorstehenden Krieg gehandelt. Überall im Deutschen Reich seien ähnliche Gebäude entstanden. Etagen gab es im Inneren nicht, stattdessen neun schachtartige Kammern. „Im Erdgeschoss haben wir erreicht, dass die nach unten geneigten trichterförmigen Öffnungen, wo das Getreide rausfloss und auf Lkw verladen wurde, erhalten geblieben sind“, sagt Ulrich Krings.

Kölner Hafen sollte bestehen bleiben

Es gab einiges zu erhalten, als feststand, dass der Rheinauhafen seine ursprüngliche Funktion verlieren sollte. Forderungen aus der Politik, die historischen Gebäude abzureißen und aus der künstlichen Halbinsel eine Parkanlage zu machen, trat die Denkmalpflege entgegen.

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Zahlreiche Bauten und Kräne wurden bis 1990 zu Denkmälern erklärt, wodurch die Diskussion um einen Abriss endete. Während Schokoladenfabrikant Hans Imhoff schon kurze Zeit später die Sanierung des Rheinauhafens einläutete, indem er an der Nordspitze sein Traumprojekt Schokomuseum verwirklichte, dauerte die Umwandlung im Süden noch weitere zehn Jahre. Im betonlastigen Siebengebirge exklusives Wohnen zu ermöglichen und gleichzeitig den Charme des Gebäudes beizubehalten, forderte den Planern viel Fingerspitzengefühl ab. „Wir haben uns bemüht, den relativ geschlossenen Fassadencharakter zu erhalten“, sagt Ulrich Krings. Die Beseitigung des roten Siloturms aus der NS-Zeit stand sogar noch 2002 im Raum. Eine Sanierung galt als unwirtschaftlich. Doch als sich abzeichnete, dass durch seinen Abbruch das Siebengebirge in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, wurde der einst fensterlose Getreidespeicher mit großem Aufwand in einen Bürokomplex verwandelt. Eine Destabilisierung des Wahrzeichens mit den sieben beziehungsweise neun Giebeln wollte nun wirklich niemand riskieren.

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