1800 Euro pro NachtEine Edelprostituierte und ein Escort-Kunde erzählen

Lesezeit 9 Minuten

  • Für unsere Serie „Köln im Rotlicht“ sind unsere Reporter in die Rotlicht-Szene eingetaucht, haben mit Prostituierten, Freiern, Zuhältern und Bordellchefs gesprochen.
  • Folge 11: Escort-Services richten sich an wohlhabendere Kunden. Ein Tag mit einer Frau kann schon mal 2000 Euro kosten.
  • Bei den Agenturen sind viele Studentinnen angemeldet, die schnell viel Geld verdienen wollen. Allerdings wissen sie nie, auf wen sie treffen und ob ihr Kunde angenehm ist.

Köln – 2000 Euro für einen Tag mit Mila – für Bernd D. war das gut angelegtes Geld. Auf der Internetseite einer Escort-Agentur habe er die junge Frau entdeckt. Schlank, großer Busen, lange dunkle Haare. „Als ich anrief, wurde ich zunächst um meine persönliche Daten gebeten. Offenbar wurde überprüft, wer ich bin, da kann nicht jeder anonym anrufen und sich mit einer Frau treffen.“ -> Hier: Alle 20 Folgen der Serie „Köln im Rotlicht“ im Überblick!

Wenig später lernte der Unternehmer und Einkommensmillionär Mila in der Bar eines Kölner Fünf-Sterne-Hotels kennen. Drei Stunden für 650 Euro waren zunächst vereinbart. „Nachdem wir auf dem Zimmer waren, entschied ich, Mila für den ganzen Tag zu buchen. Ein Geschäftspartner, den ich zum Abendessen traf, war ganz begeistert von meiner charmanten Freundin. Sie erzählte uns, dass sie ausgebildete Sängerin ist.“

Dreimal habe er die junge Frau seitdem auf Geschäftsreisen getroffen. „Zwischendurch hat sie gefragt, ob ich mir nicht auch eine persönliche Beziehung vorstellen könne.“ Konnte er nicht. „Sie ist wunderbar, aber ich habe Frau und Kinder“, so Bernd D..

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Lesen Sie hier alle bereits erschienenen Folgen von „Köln im Rotlicht – Das Geschäft mit der Prostitution“ ->

Wenn man in einer Internetsuchmaschine „Köln + Escort“ eingibt, spuckt der Rechner mehr als 50 Treffer aus. Die meisten Agenturen vermitteln Frauen, einige auch Männer. Die Preise beginnen bei 250 Euro pro Stunde – die Frauen lassen sich allerdings auch für ganze Tage oder Wochen buchen. „Das Kennenlernen findet oft in Luxushotels statt, alles läuft extrem diskret ab“, sagt ein ehemaliger Kommissar der Kölner Polizei. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Frauen sich beim Ordnungsamt als Sexarbeiterinnen registrieren ließen und einen „Hurenausweis“ mit sich führten – obwohl sie dazu verpflichtet wären. „Man kann davon ausgehen, dass die meisten Frauen im Escort-Bereich ohne Zwang arbeiten.

1800 Euro für die Nacht

Bei den Agenturen sind Studentinnen, Ärztinnen, Lehrerinnen und Krankenschwestern gemeldet, die sich etwas dazu verdienen“, sagt der Beamte, der lange im Rotlichtmilieu ermittelt hat. Escort und Eigelstein – bis auf den Anfangsbuchstaben hätten die beiden Milieus nichts miteinander zu tun. „Das sind krasse Gegensätze.“

Dass sich die Escort-Agenturen an wohlhabende Kunden richten, verraten die Honorare: „Bei meiner Agentur betrug das Honorar für eine Nacht 1800 Euro. Davon bekam die Agentur 35 Prozent“, sagt Daniela aus Köln. Die 24-jährige Büroangestellte sagt, sie sei „ein offener Mensch, der kein Problem mit seinem Körper hat“. Weil ihr Gehalt nicht eben üppig sei, habe sie nach einer zusätzlichen Einnahmequelle gesucht – und den bezahlten Sex für sich entdeckt. „Nicht so toll war bei der Arbeit im Escort-Bereich, dass man vorher nicht wusste, auf welchen Mann man traf“, sagt Daniela. „Meistens hatte ich Glück. Aber manchmal ist man mit den Herren auch mehrere Tage unterwegs, tritt wie die Freundin oder Geliebte auf. Für mehrere Tage das Bett mit einem Mann zu teilen, den man eher unattraktiv findet, vielleicht auch unangenehm, das wollte ich irgendwann nicht mehr.“

Daniela ist vor kurzem zur Dating-Agentur Taleja gewechselt. Dort bestimmt sie selbst, mit wem sie chattet und wen sie trifft: „Auch mein Profil und mein Foto wurden überprüft, ich fühle mich da sicher und habe nur gute Erfahrungen mit den Dates gemacht.“

Glossar

Agisra

Die „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung“ in Köln ist seit 1993 eine Beratungs- und Informationsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen. Agisra unterstützt zum Beispiel Frauen, die von Gewalt, Sexismus oder Rassismus betroffen sind, die Sozialarbeiterinnen reden mit Frauen auf dem Straßenstrich, am Eigelstein und in Bordellen. Der Verein sitzt in der Bolzengasse in der Altstadt, Telefon 0221/124019.

Escort

Begleit-Agenturen oder Escort-Agenturen vermitteln Frauen, seltener auch Männer, gegen Honorar für eine vereinbarte Zeit. Die Agenturen dienen als Dienstleister und kassieren eine Provision von den Frauen, die oft zwischen 25 und 35 Prozent liegt. Die Preise für die meistens auch sexuellen Dienstleistungen schwanken, liegen aber nur selten unter 200 Euro pro Stunde und 1500 Euro pro Tag. Viele ihrer Mitarbeiterinnen seien Studentinnen, berichtet eine Kölner Agentur-Chefin. Eine vom Studienkolleg zu Berlin veröffentlichte Umfrage ergab, dass 3,7 Prozent aller Berliner Studierenden als Sexarbeiter im weiteren Sinne tätig sei. Verbände und Behörden gehen davon aus, dass der Großteil der im Escort-Bereich tätigen Frauen freiwillig dort arbeitet.

Hurenpass

Im Juli 2017 ist bundesweit das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten. Seitdem müssen Prostituierte einen speziellen Ausweis bei sich tragen, den so genannten Hurenpass. Diese Anmeldebescheinigung, die regelmäßig verlängert werden muss, ist mit Namen, Meldeadresse und einem Foto versehen. Viele Sexarbeiterinnen weigern sich, ihre Anonymität aufzugeben und den Pass zu beantragen – sie fürchten unter anderem Repressionen in ihren Heimatstaaten, in denen Prostitution unter Strafe steht. 

Laufhaus

In einem meist mehrstöckigen Laufhaus mieten Prostituierte Zimmer an. Wenn sie auf Freier warten, stehen ihre Türen offen. Der Kunde streift durch die Flure und kommt mit den Frauen ins Gespräch, die vor oder in ihren Zimmern sitzen. Welche Leistungen sie anbieten und welche Preise sie dafür verlangen, bestimmen die Frauen selbst, nicht der Laufhaus-Betreiber. Er kassiert von ihnen nur die tägliche oder monatliche Miete. Der Eintritt in ein Laufhaus ist meistens frei. Wie viele der Frauen tatsächlich selbstbestimmt arbeiten und wie viele ihre Einnahmen an einen Zuhälter abtreten müssen, ist unklar.

Loverboys

Zuhälter, die vor allem Minderjährige und junge Frauen in Clubs und im Internet ansprechen. Sie täuschen ihnen die große Liebe vor, entfremden sie aber tatsächlich von Freunden und Familie und zwingen sie in die Prostitution. Laut Polizeierkenntnissen sind Loverboys in aller Regel Einzeltäter, die oft mehrere Frauen parallel haben, ohne dass die Opfer voneinander wissen. 

Menschenhandel

Eine Straftat, auf die zwischen sechs Monate und zehn Jahre Gefängnis steht. Unter Menschenhandel versteht das Gesetz jede Form des Anwerbens, Transports oder Beherbergens von Menschen, um sie auszubeuten – zum Beispiel in der Prostitution, durch Bettelei oder Zwangsarbeit. 

Poppers

Slang für eine flüssige, nicht verbotene Droge, die in kleinen Ampullen vertrieben wird und beim Öffnen ploppt. Poppers sollen stark gefäßerweiternd, aphrodisierend, muskelentspannend und schmerzhemmend wirken – und damit helfen, den Geschlechtsverkehr zu verlängern. Werden in fast allen Bordellen verkauft. Können zu Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen und Sehstörungen führen, blutdrucksenkende Potenzmittel verstärken die Wirkung.

Prostituiertenschutzgesetz

Seit 1. Juli 2017 ist ein neues Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Es beinhaltet unter anderem die Verpflichtung eines so genannten „Hurenausweises“. Betreiber von Bordellen benötigen eine Erlaubnis und dürfen sich zuvor nicht im Bereich Menschenhandel/Prostitution strafbar gemacht haben. Das Gesetz sieht auch eine Kondompflicht für Freier und eine Gesundheits- und Ausstiegsberatung für Sexarbeiter/innen vor.  Sexarbeiterinnen dürfen seit Inkrafttreten des P. nicht mehr in dem Raum schlafen, in dem sie ihre Dienstleistungen anbieten – Bordellbetreiber müssen getrennte Schlaf- und Waschräume anbieten. Das Gesetz soll Sexarbeiter/innen vor Zwangsprostitution, ungeschütztem und gewalttätigem Sex schützen. Interessenverbände und Beratungsstellen kritisieren das Gesetz: Die meisten Prostituierten, die nicht freiwillig arbeiten, würden weiterhin nicht erreicht. Die Sorge, mit einem Hurenausweis identifiziert werden zu können, treibe viele Frauen in die Illegalität.

Das Gesetz hat für Prostituierte in NRW auch positive Effekte, resümiert die Prostituierten-Beratungseinrichtung Kober.  So habe sich die Hygiene in vielen Häusern verbessert, auch die Rückzugsmöglichkeiten, Aufenthaltsräume und Beratungen wurden von vielen Frauen als hilfreich beschrieben. Die in vielen Sprachen abrufbare Lola-App unterstützt demnach viele  Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, um sich besser über ihre Rechte, Krankenversicherung, Prävention und Beratungsangebote zu informieren. 

Saunaclub/FKK-Club

Die Gäste bewegen sich im Handtuch oder Bademantel durch den Club. Im Eintrittspreis enthalten sind oft Getränke und Speisen. Neben Sauna und Dampfbad gibt es meist eine Bar und separate Bereiche, in denen männliche Besucher mit Prostituierten ins Gespräch kommen. Die Einnahmen werden zwischen der Frau und dem Clubbetreiber aufgeteilt. Die Frauen sind entweder festangestellt, oder sie arbeiten auf eigene Rechnung beziehungsweise für einen Zuhälter, der sie häufig zum Club bringt und wieder abholt. Insider gehen davon aus, dass ein Großteil der Frauen in den Clubs nicht unabhängig von Zuhältern arbeitet.

Sexarbeit/Prostitution

Sexarbeit und Prostitution sind nicht dasselbe. Sexarbeit ist der neutralere Begriff, er beinhaltet keine negative Bewertung. Eine Sexarbeiterin ist eine Dienstleisterin, die einen sexuellen Service anbietet, um damit Geld zu verdienen. Das Wort Prostitution ist negativ belegt: Im Lateinischen bedeutet es, etwas „nach vorne zu stellen“ – sich preiszugeben oder auszustellen. Prostitution wird verbunden mit einem patriarchalen System –  Bordellen, Zuhältern und Freiern, die die Regeln diktieren. Bei einer Frau, die auf den Straßenstrich geht, um ihre Drogensucht zu finanzieren, würde man eher von einer Prostituierten sprechen, bei einer Frau, die sich mit Escort-Service ihren Lebensunterhalt verdient, eher von Sexarbeiterin. Bei einer jungen Frau aus Osteuropa, die im Bordell Sex anbietet, ist die Unterscheidung schwieriger – wenn sie dort arbeitet, um die Existenz ihrer Familie zu sichern, spräche man von Sexarbeit, würde sie von ihrem Vater oder Bruder unter Druck gesetzt, anschaffen zu gehen, von Prostitution. 

Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)

Anlaufstelle im Caritasverband für Frauen und Familien in Not. Seit mehr als hundert Jahren engagiert sich der SkF in Köln für Prostituierte, informiert sie über Rechte und Pflichten, unterstützt sie bei Sorgen in Familie und Partnerschaft und hilft den Frauen beim Ausstieg, wenn sie das wünschen. Die  Geschäftsstelle ist am Mauritiussteinweg in der Innenstadt, Telefon 0221/12695-0.

Verrichtungsbox

Garagenähnliche Boxen auf dem Straßenstrich an der Geestemünder Straße in Niehl. Das fußballfeldgroße, eingezäunte Gelände eröffnete im Oktober 2001. Freier fahren dort zunächst durch eine Kontaktzone und dann mit den Frauen in eine der acht Boxen, die in einer alten Scheune untergebracht sind. Es gibt auch Container für Fußgänger oder Radfahrer. In jeder Verrichtungsbox ist ein Alarmknopf an der Wand. Während der Öffnungszeiten sind Sozialarbeiter auf dem Gelände anwesend, Ordnungsamt und Polizei kontrollieren das Gelände regelmäßig.

Weißer Ring

Hilfsorganisation für Menschen, die in Deutschland Opfer von Kriminalität geworden sind. Die ehrenamtlichen Betreuer beraten auch immer wieder Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, unterstützen sie bei der Suche nach spezialisierten Rechtsanwälten, bei der Beantragung einer lebenslangen Opferrente oder mit der Zahlung einmaliger Soforthilfen bis zu 300 Euro. Zentrale Anlaufstelle auch für Menschen in Köln ist das Landesbüro in Düren, Telefon 02421/16622.

Zwangsprostitution

Eine besondere Form der Ausbeutung und seit 2016 ein eigener Straftatbestand neben dem Menschenhandel. Vor 2016 war der Begriff rechtlich nicht definiert. Bei Verurteilung drohen dem Täter zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Die meisten Opfer stammen aus Deutschland sowie aus Ost- und Südosteuropa. Häufig werden die Frauen angeworben, indem der Täter ihnen eine legale Arbeit etwa in der Gastronomie oder Hotellerie verspricht.

Internetseiten wie Taleja legen Wert darauf, nicht als Escort-Agenturen bezeichnet zu werden – sie stellten lediglich die Plattform für Dates zur Verfügung. Die Chatpartner zahlen in einer virtuellen Währung, um miteinander zu kommunizieren, an den Betreiber – wie viel Geld dann für die Treffen selbst fließt, entscheiden die Sex-Geschäftspartner selbst. Bei Daniela ist es im Schnitt „nicht weniger als bei der Escort-Agentur. Unter einem bestimmten Stundensatz date ich niemanden.“ Als Sexarbeiterin war sie schon registriert, als sie für die Escort-Agentur arbeitete. „Aber hier müsste ich das vielleicht gar nicht – es geht ja hier um Dates, bei denen es nicht unbedingt um Sex gehen muss.“  

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