Köln in der Corona-KriseViele hoffen auf mehr Freiheiten

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Auch nachts gespenstisch leer: die Kölner Innenstadt

Auch nachts gespenstisch leer: die Kölner Innenstadt

Köln – Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel am frühen Mittwochabend über erste zaghafte Lockerungen der Corona-Maßnahmen informiert hat, haben Vertreter aus besonders betroffenen Lebensbereichen der Stadt im Gespräch mit Redakteuren des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ihre Sicht auf die Einschränkungen und die Folgen der Krise beschrieben.

Lutz Tempel, Stadtschulpflegschaftsvorsitzender: „Schulministerin Gebauer hat zugesichert, dass alle Schüler vor den Abschlussprüfungen drei Wochen Unterricht haben werden, damit sie ausreichend vorbereitet sind. Das ist nun nicht mehr möglich. Damit bleiben die großen Unterschiede zwischen Kindern, die unter guten Bedingungen zuhause arbeiten können, und denen, die diese Bedingungen nicht haben, bestehen. Das ist ungerecht. Die Konsequenz müsste sein, dass die Prüfungen ausfallen – sowohl das Abitur wie auch die Abschlussprüfungen für die Zehntklässler. Nur wer auf der Kippe steht, soll sich freiwillig prüfen lassen können. Bei allen anderen kann man mit den Durchschnittsnoten arbeiten, die sie haben. Wichtig ist, dass ab dem 4. Mai auch für die Jahrgänge, die im nächsten Jahr Abschlussprüfungen machen, der Unterricht wieder losgeht.“

Lasse Schäfer, Vorstandsmitglied der Kölner Bezirksvertretung der Schüler und Schülerinnen: „Grundsätzlich begrüßen wir die Entscheidung, die Schulschließungen zu verlängern. Wichtig ist, aus den Erfahrungen mit dem Online-Unterricht der letzten Wochen zu lernen. Das muss deutlich besser werden. An manchen Schulen lief der Online-Unterricht schlecht oder gar nicht. Das Thema muss man langfristig anpacken, damit die Schulen auf solche Situationen besser vorbereitet sind. Viele Lehrkräfte aber auch Schüler brauchen eine Weiterbildung, weil sie mit der Technik und den Möglichkeiten nicht vertraut sind. Zur Entlastung von Familien halten wir es für richtig, die Not-Betreuungsangebote für Kinder auszuweiten und die Angebote nicht nur auf Familien zu beschränken, in denen Eltern in sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten. Die Menschen werden damit verantwortungsbewusst umgehen.“

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Christian Schmalz, Betreiber des Off Broadway-Kinos und Weisshaus-Kinos: „Aus den bisherigen Informationen lässt sich lesen, dass die Bundes- und Landesregierungen einen ausgleichenden Weg gehen wollen. Der Schutz vor Covid-19 wird gegen individuelle und wirtschaftliche Interessen abgewogen. Als Kinobetreiber wünsche ich mir baldige Vorgaben für eine Wiederaufnahme der Kulturveranstaltungen, gekoppelt an Parameter wie Mindestabstände, Hygienemaßnahmen, Besucherzahlen und Raumgrößen.“

Raimund Stuka, Mitbegründer IG Gastro und Betreiber des ABS in Klettenberg, findet, dass die Öffnung von Restaurants mit klaren Abstandsregelungen „genauso dringlich und genauso möglich“ wäre, wie die Öffnungen einiger Geschäfte des Einzelhandels. Auch die Option, die Außengastronomie wieder zugänglich zu machen, was einige Länder diskutieren, sähe Stuka als große Hilfe für die in ihrer Existenz gefährdeten Gastronomen an. „Viele Gastronomen haben aber keine Außengastronomie, für die wäre es nochmal bitter“. Mittlerweile haben die meisten auf To-Go-Service umgesattelt: „Das funktioniert, ist aber nur eine Hilfskrücke, weil der Getränkeverkauf wegfällt“. Daher wäre es ein wichtiger und notwendiger Schritt, so Stuka, „dass die Leute mit dem nötigen Abstand wieder kommen könnten“. (gam)

Jan van Weegen, Vorsitzender der Klubkomm und Betreiber des Gebäude 9, ist über das generelle Verbot von Großveranstaltungen bis Ende August nicht überrascht. „Clubs sind aber keine Großveranstalter, daher wären klare Ansagen gut, was in Zukunft nun unterlassen werden soll und was nicht“. Denn manche Clubs hätten weiterhin Konzerte und Partys im Mai und Juni geplant, die bei einem länger anhaltenden Verbot jedoch noch abgesagt werden müssten. Bisher hielten die Clubbetreiber sich dennoch tapfer und kämpften weiter, so van Weegen. Ein äußerst positives Signal sei der Nothilfe-Fonds in Höhe von 700.000 Euro der Stadt Köln gewesen.

Giana Kalamartzi, Haarstudio 51: „Ich würde am liebsten schon morgen wieder anfangen. Die Hygiene-Standards einzuhalten mit Handschuhen, Masken und genügend Abstand zwischen den Kunden ist aus meiner Sicht kein Problem. Aber noch länger warten als der jetzt angekündigte 4. Mai ginge gar nicht. Für kleine Betriebe wie unseren Salon ist das finanziell sehr hart, die Gehälter müssen ja weiter bezahlt werden, auch wenn man Kurzarbeit angemeldet hat. Für unsere Kunden ist das ja ebenfalls eine massive Einschränkung, denn anders als all den perfekt gestylten Menschen im Fernsehen macht denen derzeit keiner die Haare.“

Amir Raksh-Bahar, Streetworker: „Besonders für Familien am Kölnberg, die auf engem Raum zusammenleben, ist die Situation schon jetzt extrem schwierig. Manche Kinder können nicht mal Schulaufgaben machen, weil die Eltern zuhause kein Internet haben. Viele Kinder und Jugendliche sind deshalb draußen unterwegs, auch in größeren Gruppen. Sie sind nicht sensibilisiert für die Gefahren. Sie sagen, Corona ist ja nur eine Erkältung. Für viele ist die Situation gerade einfach wie in den Sommerferien, sie haben sozusagen Corona-Ferien.“

Peter Krücker, Vorstandssprecher Caritasverband Köln: „Manchmal hat man den Eindruck, dass es mehr um persönliche Profilierung einzelner geht als um die Anliegen der Menschen. Die nun angekündigten Schritte sind im Ergebnis gut abgewogen und vernünftig – solange die Lage im Gesundheitswesen unter Kontrolle bleibt. Die Familien brauchen Unterstützung und Hilfe und einfach aber auch Abwechslung durch kulturelle Angebote. Wichtig sind dafür die Museen und die Büchereien. Ältere Menschen brauchen weiterhin einen guten Schutz, die Familien brauchen extreme Geduld, und bestimmte Wirtschaftszweige werden weiterhin leiden.

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