Köln-Marathon-Chef nach Absage„Mir hat ein klares politisches Statement gefehlt“

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Mit tausenden Teilnehmern fand der Köln-Marathon im vergangenen Jahr statt.

Mit tausenden Teilnehmern fand der Köln-Marathon im vergangenen Jahr statt.

  • Mehr als 28.500 Läufer haben 2019 am Köln-Marathon teilgenommen. So sollte es auch in diesem Jahr wieder aussehen.
  • Doch wegen der aktuellen Corona-Krise musste das Event abgesagt werden. „Ich war wütend und frustriert und bin erst einmal laufen gegangen“, so Geschäftsführer Markus Frisch.
  • Mit uns hat er im Interview über die genauen Gründe der Absage und die wirtschaftlichen Folgen gesprochen.

Köln – Herr Frisch, wie waren die ersten Reaktionen auf die Absage des Köln-Marathon?

Ich habe sehr viele positive Reaktionen bekommen. Von Freunden, Bekannten, Teilnehmern und Dienstleistern. Es sei die einzig richtige Entscheidung gewesen. Am Ende muss man sagen, dass eine Corona-Variante mit Schutzmasken am Start und im Ziel, Wellen-Starts, Sicherheitsabstand auf einer Strecke ohne Zuschauer sowie der Wegfall von Hotspots, Verpflegungsdorf und After-Run-Party dem Charakter nicht gerecht wird. Der Marathon lebt von Emotion und Begeisterung. Diese Mischung hat vergangenes Jahr mehr als 28.500 Läufer und 300.000 Zuschauer auf und an die Strecke gelockt. Wir wollen keinesfalls mit einer Großveranstaltung einen Infektions-Hotspot riskieren, mit der möglichen Konsequenz eines Lockdowns für Köln und die Region.

Was war letztlich ausschlaggebend für diese Entscheidung?

Alles zum Thema Armin Laschet

Wir hatten schon Ideen und haben alles versucht, den Marathon zu retten und der Corona-Schutzverordnung gerecht zu werden. Am Ende mussten wir einsehen, dass wir das nicht können.

Warum nicht?

Wir hätten neben den ganzen Hygiene-Vorschriften am Start und im Ziel auch garantieren müssen, dass die Zuschauer an der gesamten Strecke eineinhalb Meter Abstand einhalten und sich registrieren. Wir sind auch für die Zuschauer verantwortlich. Das war dann einfach zu viel des Guten. Wir hatten einen eigenen Plan entwickelt, uns mit dem Münster-Marathon darüber ausgetauscht, der am 13. September starten will. Dann haben wir den Deutschen Leichtathletikverband mit ins Boot geholt, damit der als Dachverband noch einmal an die Politik herantritt. Ich habe mich auch schriftlich an den Ministerpräsidenten Armin Laschet gewandt.

Was hat er geantwortet?

Zur Person

Markus Frisch ist seit 2007 Geschäftsführer der Marathon GmbH und Renndirektor. Er trat die Nachfolge von Harald Rösch an und kämpfte erfolgreich gegen sinkende Teilnehmerzahlen, indem er die Veranstaltung um einen Halbmarathon erweiterte, der mittlerweile deutlich mehr Läufer anzieht.

Die Antwort war politisch korrekt. Die Landesregierung könne nicht einschätzen, wie die Lage am 4. Oktober sein würde. Damit konnte ich leider nichts anfangen. Ich persönlich bin sehr traurig über die Absage. Als wir am Freitag die Mitteilung verschickt haben, war ich wütend und frustriert und bin erst einmal laufen gegangen. Aber auch erleichtert, dass jetzt Klarheit herrscht. Wir hätten eine komplett neue Veranstaltung organisieren müssen. Am Ende des Tages muss man auch sagen: Wir sind nicht systemrelevant. Wir sind eine Freizeitveranstaltung. Und man sieht ja auch an den Geschehnissen in den Kreisen Gütersloh und Warendorf, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Ich muss aber auch sagen, dass mir ein klares politisches Statement gefehlt hat. Der Berliner Senat hat relativ frühzeitig entschieden, dass es bis Ende Oktober keine Großveranstaltungen geben wird. Das ist eine Aussage. Damit kann man arbeiten. Ganz im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen, dieses ständige Herauszögern. Ich hätte mir gewünscht, dass man frühzeitig eine Strategie entwickelt, wie man aus dem Lockdown Schritt für Schritt wieder herauskommt – unter Berücksichtigung aller Branchen. Mittlerweile sind die Rahmenbedingungen nicht mehr verhältnismäßig.

Was bedeutet das für die Marathon GmbH?

Wir haben die Organisation des Radrennens „Rund um Köln“ und den Triathlon übernommen. Jetzt fällt auch der Marathon aus. Das ist ein hartes Jahr ohne Einnahmen. Wir haben die Soforthilfe beansprucht und auch erfreulicherweise ziemlich schnell ausgezahlt bekommen. Am Ende wird uns die Kurzarbeit retten. Die ist ein Segen für die Unternehmer. Ich möchte meine acht Mitarbeiter gern behalten, wenn es irgendwie geht. Wir brauchen sie, wenn es wieder losgeht. Ende des Jahres wollen wir wieder hochfahren. Viele glauben, wir kommen Sonntagmorgen, stellen ein Gitter auf die Straße und dann läuft es von selbst. So einfach ist das leider nicht. Allein mit dem Marathon haben wir im vergangenen Jahr 2,3 Millionen Euro Umsatz gemacht.

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Wie weit waren die Vorbereitungen?

Man kann einen Marathon ja nicht zwei Wochen vorher planen. Wir benötigen in manchen Bereichen mehr als ein Jahr Vorlauf. Wir haben zum Beispiel 4000 Finisher-Shirts bestellt, mit denen wir jetzt nichts mehr anfangen können. Ich würde mich freuen, wenn der ein oder andere doch noch eines kaufen würde. Einfach als gute Geste und Unterstützung.

Es gibt auch Kritik daran, dass das Startgeld nicht komplett zurückgezahlt wird?

Wir haben den Marathon ja nicht freiwillig abgesagt, sondern aufgrund der bekannten Rahmenbedingungen. Ich will mich auch nicht auf unsere AGB zurückziehen oder juristische Bewertungen abgeben. Wir gehen aktiv auf die Teilnehmer zu und versuchen, allen so weit wie möglich entgegen zu kommen. Wer das Startgeld zurückhaben will, kriegt es bis auf einen Teil, den wir für die Vororganisation abziehen müssen, erstattet. Wer darauf verzichtet, wird im kommenden Jahr zu einem Sondertarif starten können. Eine Gutscheinlösung werden wir nicht anbieten, weil wir damit das finanzielle Problem nur auf das nächste Jahr verlagern. Wir haben knapp 13.000 Anmeldungen für alle Wettbewerbe. Wenn wir allen das komplette Startgeld zurückzahlen, wird es schwierig werden, das Jahr wirtschaftlich unbeschadet zu überleben. Und dann sind auch die Gutscheine wertlos.

Wie sieht es in der Marathon-Szene überhaupt aus?

Hamburg und München wollen mit neuen Hygiene-Konzepten am 13. September und 11. Oktober stattfinden. Münster ist noch nicht klar. Bonn plant noch für den 18. Oktober, den abgesagten Marathon aus dem Frühjahr nachzuholen. Am Ende müssen die Landesregierungen darüber entscheiden. Ich persönlich gehe davon aus, dass Bonn und Münster auch absagen. Streng genommen wären wir, wenn wir ein belastbares Hygiene-Konzept einhalten könnten, eine reine Sportveranstaltung. Die Leute würden gerne laufen. Das hat unsere Umfrage gezeigt. Aber eine Corona-Variante des Köln-Marathon wird dem eigentlichen Charakter des Events nicht gerecht.

Was passiert am 4. Oktober?

Es wird viele geben, die am 4. Oktober für sich laufen werden. Wir werden sicherlich eine Plattform bieten und dazu auffordern, dass jeder für sich läuft. Bitte nicht alle zusammen. Ich werde auch am Veranstaltungstag laufen, zum ersten Mal. Mein Nachbar hat für den Marathon trainiert. Ich werde die erste Hälfte mit ihm zusammen laufen und ihn den Rest mit dem Fahrrad begleiten.

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