Kölner Architekt„Ich bin entsetzt, wie sehr die Hohe Straße runtergekommen ist“

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Leerstände und Outlet-Geschäfte prägen zunehmend das Bild auf der Hohe Straße in Köln.

  • Seit 15 Jahren lädt KStA-Redakteurin Susanne Hengesbach wildfremde Menschen auf einen Kaffee ein und fragt sie nach ihrer Geschichte.
  • Dabei erfährt sie kuriose, interessante, zum Teil aber auch hochgradig bewegende Geschichten über Leben und Tod.
  • Heute in der ersten Folge nach dem coronabedingten Shutdown: Wilfried Euskirchen (80), der als junger Architekt im Büro von Gottfried Böhm gearbeitet hat, fällt ein vernichtendes Urteil über das Erscheinungsbild Kölns.

Köln – Wahrscheinlich haben nur wenige Gäste noch ungeduldiger darauf gewartet, dass die Cafés wieder öffnen, als ich. Mit Beginn der gastronomischen Pause musste ja auch diese Rubrik in den Ruhestand gehen. Der ist nun vorbei, und ich bin gespannt, wie sich der Neubeginn unter veränderten Bedingungen gestalten wird.

Ich fahre zum Ebertplatz und stoße nahe der Eigelsteintorburg auf einen Kölner, der Lust auf einen Cappuccino hat und noch dazu eine Adresse kennt, die mich total entzückt: Das kleine Barista Cafè „Jlöcklich“, wo der Name definitiv Programm ist. Seitdem Pino Marcone das Lokal am Gereonswall übernommen habe, komme er mehrmals in der Woche her, erzählt Wilfried Euskirchen. Es sei so familiär und der Kaffee hervorragend. Das kann ich nach wenigen Minuten bestätigen.

Gottfried Böhm war ein Vorbild

Euskirchen ist gebürtiger Kölner, wohnt zwar seit 40 Jahren in Nippes, liebt es jedoch, auch in anderen Veedeln spazieren zu gehen. Man erlebe dabei immer wieder überraschende Ausblicke und Momente, erklärt der 80-Jährige. Er erzählt mir, dass er nach seinem Studium in den Kölner Werkschulen – „die gibt es ja leider nicht mehr“ – seine erste Stelle als junger Architekt im Büro von Gottfried Böhm hatte.

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Euskirchen schwärmt von dieser Zeit, beschreibt den Reifeprozess, den er damals vollzogen habe und betont, welch ungeheurer Glücksfall es gewesen sei, dort eine Stelle zu bekommen. Böhm sei „auf jeden Fall ein Vorbild gewesen“, sagt er über den heute Hundertjährigen und berichtet, dass er damals am Bau der katholischen Pfarrkirche St. Gertrud beteiligt gewesen sei.

„Wenn Sie selber als Architekt tätig waren, erleben Sie die baulichen Veränderungen in dieser Stadt sicherlich sehr viel intensiver als andere“, sage ich. „Das ist wohl wahr“, sagt mein Gegenüber mit einem Lächeln. „Wie sehen Sie die Wandlung im Laufe der Jahre?“ – „Ein bisschen zwiespältig.“

„Mit Neubauten tut sich die Stadt Köln schwer“

Nach dem Krieg sei es wichtig gewesen, ganz schnell neue Bauten hochzuziehen und Wohnungen zu schaffen. „Das ist nicht immer glücklich gelaufen. Und mit guten Neubauten tut sich die Stadt Köln immer noch schwer!“ Euskirchen beklagt, dass vieles so schleppend geschieht. „Es werden viele Projekte begonnen, die nicht zügig zu Ende geführt werden. Es sind so viele Bauten in der Warteschleife.“

Was den 80-Jährigen den eigenen Worten nach ärgert und traurig macht, ist aber noch etwas anderes. Er sei kürzlich durch die Hohe Straße gekommen und habe entsetzt festgestellt, „wie sehr die runtergekommen ist. Da sind so viele Läden, die da in meinen Augen nicht hingehören!“ Das bestehende Angebot habe jedenfalls nicht die Qualität, die dort sein sollte.

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Mindere Qualität habe er allerdings auch schon in seiner noch aktiven Zeit als Architekt erlebt. Er sei viele Jahre für den Kölner Architekten Joachim Schürmann tätig gewesen, der unter anderem das Martinsviertel gestaltet habe. Euskirchen erinnert sich, dass es unter anderem ein sehr schönes Konzept für die Mauthgasse gegeben habe – etwa mit Vorschlägen für einheitliche Sonnenschirme und Markisen. „Wir haben jahrelang versucht, auf die Gastronomen einzuwirken, damit da nicht jeder sein eigenes Ding macht.“

Jede Menge Werbetafeln

Aber anstatt auf ihr eigenes Gestaltungskonzept zu verweisen, habe die Stadt Köln die Wirte gewähren lassen mit der Folge, dass dort „jede Menge Werbetafeln aufgestellt wurden, um Touristen anzulocken.“ Ein Aushängeschild sei das nicht. „Und jetzt kommt man bei der Stadt nicht mehr aus der Nummer raus.“

„Wo schauen Sie denn gerne hin?“, frage ich Euskirchen. „Das ist schon eine etwas schwierigere Frage.“ Euskirchen nennt den Rheinauhafen, der optisch ganz schön sei „aber kein Leben“ habe. „Aber hier, in diesem Café, haben Sie eine schöne Stelle und auch Leben“, wende ich ein. „Definitiv!“, sagt der 80-Jährige und lacht.

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