Kölner Arzt Manfred Lütz„Sich einen Uterus auszuleihen, ist gegen die Menschenwürde“

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Es gibt viele Halbwahrheiten rund um die Geburt - was stimmt wirklich?

  • Der Kölner Chefarzt und Bestseller-Autor Manfred Lütz ist für seine scharfzüngige Meinung deutschlandweit bekannt.
  • So wettert er unter anderem gegen den Fitness-Kult und Diät-Sadismus. Aber der Psychiater gibt in seinen Büchern auch bewegende Einblicke in die Welt von Süchtigen, Depressiven und Schizophrenen.
  • In seiner KStA-PLUS-Kolumne „Wahn und Sinn – das ganze Leben” antwortet Lütz jede Woche auf eine von Lesern gestellte Sinnfrage – diesmal zum Thema Leihmutterschaft.
  • Lesen Sie hier auch weitere Folgen.

Köln – Wer sein Kind über eine Leihmutter austragen lassen will, kann das bislang nur im Ausland machen. Für homosexuelle Paare etwa ist das eine der wenigen Möglichkeiten, Kinder zu bekommen. Jetzt gibt es die Diskussion, Leihmutterschaften auch in Deutschland zu erlauben. Befürworten Sie das?

Ich habe selbst Kinder und gebe zu, dass ich wahrscheinlich trotz allen Bemühens nicht wirklich nachempfinden kann, was ein unerfüllter Kinderwunsch bedeutet. Dennoch: Soll der Staat es erlauben, dass Frauen ihren Uterus gegen Geld zur Verfügung stellen, um für einen anderen Menschen ein Kind auszutragen, mit dem sie in der Regel nach der Geburt jeden Kontakt abbrechen müssen? Diese Frage betrifft alle Staatsbürger.

Zur Person Manfred Lütz

Manfred Lütz, geb. 1954, ist Psychiater, Psychotherapeut und katholischer Theologe. Der frühere Chefarzt des Kölner Alexianer-Krankenhauses ist auch Mitglied im Päpstlichen Laienrat.

Der erste Impuls bei dieser Frage wird bei vielen sein: Wenn die beteiligten erwachsenen Menschen das so wollen, warum soll man ihnen das verwehren! Hinter diesem Satz steht tatsächlich eher ein Ausrufezeichen als ein Fragezeichen. Wenn Freiheit der entscheidende Grundwert wäre.

Aber unsere Verfassung beginnt mit dem Artikel 1, der lautet: „Die Menschenwürde ist unantastbar.“ Diese Würde darf der Einzelne nicht antasten. Man darf sich nicht versklaven lassen, auch nicht freiwillig, und wenn einer in Verhältnissen lebt, die der Würde des Menschen widersprechen, dann schreitet der Staat ein. Der Philosoph Immanuel Kant hat die Würde des Menschen darin gesehen, dass er nie bloß als Mittel gebraucht werden dürfe. Deswegen widerspricht, sagt Kant, die Sklaverei der Menschenwürde. Bei der Leihmutterschaft wird der Uterus einer anderen Frau benutzt, um an ein Kind mit den eigenen Chromosomen zu kommen. Gewiss kann man einen Menschen bitten, gegen Geld irgendeine Dienstleistung zu vollbringen, dabei verletze ich aber nicht seine Integrität.

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Eine Schwangerschaft ist ein höchst intimer körperlich-seelischer Vorgang, bei dem schon intrauterin eine intensive Beziehung zwischen Kind und Mutter entsteht. Bei der Leihmutterschaft benutzt man die Leihmutter, um einen – guten – Zweck zu erreichen. Das aber widerspricht nach meiner Auffassung der Menschenwürde. Hinzu kommt, dass dieser neue Mensch selbst sich nicht frei dazu entschieden hat, dass er die erste Phase seines Lebens unter schwierigen Verhältnissen verlebt – um den bestellenden Eltern einen Herzenswunsch zu erfüllen.

Es geht hier also auch um Kinderrechte. Unsere Rechtsordnung schützt die Schwachen vor den Starken, auch Kinder vor – verständlichen – Wünschen von Erwachsenen. Aus all diesen Gründen ist Leihmutterschaft aus meiner Sicht nicht vertretbar, das ist derzeit auch Stand der Gesetzgebung. Mir ist bewusst, dass die Last dieser Rechtslage in unserer Gesellschaft Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch tragen – heterosexuelle und homosexuelle gleichermaßen.

Haben Sie auch eine Frage an Manfred Lütz?

Schreiben Sie bitte mit Angabe Ihres Namens an: 

luetz-kolumne@dumont.de

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