Kölner BahnknotenDigitaler Ausbau nicht geplant

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Der digitale Ausbau des Kölner Bahnknotens ist in den Planungen noch nicht enthalten.

Der digitale Ausbau des Kölner Bahnknotens ist in den Planungen noch nicht enthalten.

Köln – Gefeiert haben sie nur kurz – die Verkehrsexperten beim Nahverkehr Rheinland (NVR). Die Zusage des Bundes vom November, den Ausbau des Bahnknotens Köln für 3,6 Milliarden Euro im Bundesverkehrswegeplan 2030 als vordringlich einzustufen, „war ein Meilenstein“, sagt Dierk Timm, Vorsitzender des Aufsichtsrats des NVR, dem Zusammenschluss der Verkehrsverbünde Rhein-Sieg und Aachen. „Der Ausbau ist finanziert. Aber wir drohen auf halbem Wege stehenzubleiben.“

Verkehrspolitiker einig

Der Grund: In dem Programm der Bahn, das 33.000 Kilometer lange Schienennetz in den kommenden Jahrzehnten mit digitalen Stellwerken und digitaler Zug-Steuerung, dem European Train Control System (ETCS 2) auszurüsten, spielt ausgerechnet der Knoten Köln vorerst keine Rolle. „Das muss sich schnell ändern“, sagt Timm. „Darüber gibt es auch bei den Parteien und Kommunalpolitikern im Zweckverband des NVR keinen Streit.“

15 Einzelprojekte

Mehr als 100 Millionen Fahrgäste und 440 000 Züge pro Jahr muss der Kölner Hauptbahnhof verkraften und ist längst an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Die gesamten Kosten für den Ausbau werden auf 3,6 Milliarden Euro geschätzt und sind im Bundesverkehrswegeplan 2030 seit Anfang November in den „vordringlichen Bedarf“ eingestuft.

Der Ausbau besteht aus 15 Projekten, die nach einem Gutachten des Nahverkehr Rheinland (NVR) in kleinen Maßnahmen umgesetzt werden. Zentrales Element ist die Verlagerung der Regionallinien von den Gleisen des Fern- und Regionalverkehr auf die S-Bahn.

In der Planung weit fortgeschritten ist der Ausbau der S 11 für einen Zehn-Minuten-Takt zwischen Köln und Bergisch Gladbach. Zusätzlich bekommen der Kölner Hauptbahnhof und der Bahnhof Köln-Messe/Deutz einen neuen S-Bahnsteig mit zwei Gleisen. (pb)

Alle Strecken, die im Rheinland zunächst mit ETCS ausgestattet werden sollen, gehören zum sogenannten transeuropäischen Korridor zwischen dem Rhein und den Alpen, der Nordsee und dem Baltikum. Darunter fallen die Verbindungen von den Landesgrenzen zu Belgien über Aachen bis Köln und den Niederlanden über Venlo und Mönchengladbach, die Gütertrasse von Duisburg bis Köln-Gremberg, die ICE-Trasse Köln-Frankfurt, die linke und rechte Rheinstrecke sowie die Strecken Aachen-Mönchengladbach, Neuss-Köln und Köln-Wuppertal-Hamm. Die Kölner S-Bahn oder gar der gesamte Bahnknoten Köln zählen nicht dazu.

Die NVR-Vertreter wollen das so nicht hinnehmen. In einem Schreiben an den Infrastruktur-Vorstand der Bahn, Ronald Pofalla, fordern sie die Digitalisierung der S-Bahn-Stammstrecke Köln-Hansaring – Köln Hbf – Köln-Messe/Deutz. Als ersten Schritt. „Mit der Einführung von ETCS für die S-Bahn im Kölner Hauptbahnhof könnten wir pro Stunde 30 Züge in jeder Richtung fahren“, sagt Timm. „Das wäre ein Zwei-Minuten-Takt.“

Bessere Auslastung der Trassen

Mit dem ETCS-System können Züge bei hoher Verkehrsdichte und höheren Geschwindigkeiten vollautomatisch durch Signale gesteuert, die Auslastung der Trassen um mindestens 20 Prozent gesteigert werden. Die Verkehrspolitiker aus dem Rheinland schlagen vor, die Investitionen aus dem geplanten Strukturwandelfonds für die Braunkohle-Reviere zu bezahlen. Da scheint es ein glücklicher Umstand, dass Bahn-Vorstand Pofalla einer der Vorsitzenden der Kohle-Kommission ist, die bis Ende Februar 2019 einen Ausstiegsfahrplan für das rheinische Braunkohlerevier und die Lausitz vorlegen muss.

„Wir müssen den digitalen Bahnknoten Köln jetzt voranbringen“, sagt Timm. Der Nahverkehr Rheinland plane derzeit den Kauf neuer S-Bahnzüge für den Großraum, die in den Jahren ab 2023 eingesetzt werden sollen. „Die müssen dann sowohl für den konventionellen Bahnbetrieb als auch für ETCS geeignet sein. Schließlich sind sie mindestens 30 Jahre im Einsatz.“ Dazu müsse es zusätzliche Fördergelder vom Bund und der Europäischen Union geben.

Stuttgart als Vorbild

Den ersten Schritt wird der NVR in Kürze wohl selbst finanzieren und eine Ausbaustudie nach dem Muster der Metropolregion Stuttgart in Auftrag geben, um den Quantensprung auf eine neue Technologieebene vorzubereiten. „Die Stuttgarter haben das durch den Bahnhofsneubau eh auf der Pfanne. Wir könnten uns an diese Studie hängen“, sagt Timm. Der Strukturwandel im rheinischen Braunkohlerevier müsse genutzt werden, „eine Spitzenposition im technologischen Wandel einzunehmen“.

Noch hat sich Pofalla nicht selbst zu dem Schreiben geäußert, aber immerhin den DB-Konzernchef für NRW gebeten, eine Antwort zu verfassen. Konkrete Zusagen enthält sie nicht. Das habe man auch nicht erwartet, sagt Timm. „Aber wenn wir jetzt nicht treiben, dann geschieht gar nichts.“ Bahnprojekte seien grundsätzlich langwierig, auch wenn sich die Genehmigungsverfahren durch eingeschränkte Klagerechte verkürzen ließen. „Wenn wir in den acht bis zehn Jahren vorankommen, wären wir verdammt schnell unterwegs gewesen.“

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