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Kölner Club-Betreiber im Interview„Früher war es wie Roulette, wenn man ausging“

Lesezeit 7 Minuten
Dirk Budach fotografiert im Café Bauturm

Dirk Budach fotografiert im Café Bauturm

  • Dirk Budach hat 1991 in Köln seinen ersten Club „Königswasser“ eröffnet. Der Anwalt war Betreiber unter anderem des nun abgerissenen Theaters am Rudolfplatz, Apollo, Nachtflug, Crystal und des Flamingo Royal.
  • Er kennt alle Veränderungen im Kölner Nachtleben aus erster Hand, insbesondere die in den Clubs auf den Ringen, die bei vielen Nachtschwärmern einen schlechten Ruf haben.
  • Ein Gespräch über Rassismusvorwürfe gegen Kölner Türsteher, Schutzgeldzahlungen auf den Ringen und die Auswirkungen der Kölner Silvesternacht auf das Nachtleben.

Köln – Herr Budach, viele Clubbetreiber – etwa aus dem Kwartier Latäng oder dem Belgischen Viertel – distanzieren sich von den Kölner Ringen. Sind die Ringe denn besser als ihr Ruf?

Dirk Budach: Ja, viel besser. Die Ringe waren mal verruchter. Klar, wo viele Menschen sind, gibt es auch Konfliktpotenzial. Im Belgischen Viertel ist ein studentischeres Publikum unterwegs. Auf den Ringen ist das Publikum eben bunt: mit hohem Migrationsanteil.

Dann gibt es Food-Gastronomie, Kinos, Spielhallen, Supermärkte und Kioske – leider, denn einige davon sind uns Gastronomen manchmal ein Dorn im Auge. Und zwar nicht wegen des Umsatzes, sondern weil sie die Jugendschutzgesetze nicht beachten und Alkohol an Jugendliche ausschenken.

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Andererseits haben wir vor etwa zehn Jahren die Ordnungspartnerschaft Ringe vereinbart, an der sich viele Gastronomen freiwillig beteiligen. Man muss sich dafür Reglements unterwerfen wie beispielsweise, dass man Türsteher aus Sicherheitsfirmen bezieht, die entsprechende Nachweise wie Führungszeugnisse vorweisen müssen. Wir haben erreicht, dass die Ringe mittlerweile komplett videoüberwacht werden.

Hat sich dadurch spürbar etwas verändert?

Ja, es ist viel ruhiger geworden. Man kann da seine volljährigen Kinder hinschicken. Es gibt eine hohe Polizeipräsenz, was erst einmal schlimm aussieht, was für mich als Vater einer 16-jährigen Tochter aber für die Zukunft extrem beruhigend ist. In den Clubs ist es ruhig. Meistens passieren die negativen Dinge auf der Straße und nicht in den Gastronomien. In Köln sind für mich der Zülpicher Platz und der Ebertplatz die größeren Brennpunkte.

Seit vier Jahren betreiben Sie keine eigenen Clubs mehr, aber Sie beraten viele Gastronomen und Clubbetreiber auf den Ringen. Was sind ihre die Herausforderungen?

Die jungen Gastronomen haben tolle Ideen, aber die Kreativität wird heute unglaublich beschnitten durch verwaltungsrechtliche Auflagen. Da hat sich die Vorgehensweise des Staates geändert. Wenn man sich auf der Aachener Straße in der Außengastronomie nicht zentimetergenau an die Auflagen hält, bekommt man erst die erste und dann die nächste Strafe. Letztlich ist es ein Wirtschaftsfaktor.

In unserer jetzigen Funktion sind wir dazu da, dass die jungen Gastronomen nicht gelähmt werden. Wir übernehmen die Kommunikation mit den Ämtern, damit der Laden konzessioniert wird und beraten konzeptionell. Wir suchen auch abseits von Bankenkrediten externe Finanzierungen über die Getränkeindustrie oder externe Markenartikler, die den Clubraum als Werbefläche nutzen.

Die Türpolitik auf den Ringen ist berüchtigt. Welche Art von Gast hat es besonders schwer, in einen Club zu kommen?

Aggressive Gäste. Türsteher sind auch nur Menschen. Natürlich haben sie eine bestimmte Mentalität, um sich an eine Tür zu stellen. Aber sie werden am Abend oft beschimpft, bespuckt, gekratzt und gebissen. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Türsteher in Köln.

Als ich jung war, fand ich sie viel schlimmer. Da war ein größerer unüberwachter Freiraum für sie da. Heute werden Türsteher extrem kontrolliert von staatlicher Seite – nicht zuletzt auch durch die Videoüberwachung.

Als ich im Alter von 18 Jahren nach Köln kam, hätten wir am Alten Wartesaal noch nicht einmal „Piep“ gesagt, aufgrund der Geschichten, die man sich über diese Tür erzählte. Früher war es wie Roulette, wenn man ausging. Man wusste einfach nie, ob man es reinschaffte.

An der Tür werden häufig Menschen mit Migrationshintergrund abgewiesen. Wurden Sie schonmal des Rassismus bezichtigt?

Ja. Gäste, die einen Migrationshintergrund haben und abgewiesen werden, sehen das oft als Affront gegen ihre Nationalität. Sie werden aber nicht deswegen abgewiesen, sondern weil sie sich an der Tür nicht konform verhalten. Das ist der primäre Abweisungsgrund.

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Wir haben selbst Listen erstellt und die, die am meisten abgewiesen werden, sind tatsächlich Deutsche. Die meisten Läden haben eine Multikulti-Tür. Unter den Mitarbeitern sind die wenigsten deutsch. Daher finde ich das schon absurd, wenn so ein Rassismusvorwurf gegen einen türkischen Türsteher geäußert wird.

Jeder kennt doch jemanden, der unberechtigterweise abgewiesen wurde, weil er „ausländisch“ aussieht.

Natürlich werden individuelle Entscheidungen am Abend getroffen und dass man mit seiner Auswahl auch mal daneben liegt, kann passieren. Die meisten Gastronomen haben vorgelagerte Sorter: Das sind keine Türsteher.

Sie werden vorher vom Betreiber gebrieft, denn man möchte ja ein bestimmtes Publikum haben. Sorter machen eine Prä-Selektion. Schon zu unserer Zeit wusste man, dass man nie in großen Männergruppen an die Tür sollte.

Sie wundern sich dann, dass sie abgelehnt werden. Wenn davon ein paar Migrationshintergrund haben, wird gefragt, ob es wegen ihnen sei. Nein, sondern weil es sechs Jungs sind und dazu noch alkoholisiert.

Nach der Kölner Silvesternacht gab es einen Rückgang der Gästezahl. Hat sich das wieder geändert?

Es hat zwei Jahre gedauert, bis sich eine Normalität eingestellt hat. Die Menschen sind vorsichtiger geworden. Was ich glaube ist, dass es noch ein langer Prozess der Integration sein wird, aber ich sehe bei den jungen Heranwachsenden, dass sie das schaffen. Bei ihnen findet Europa statt.

Sie feiern miteinander, egal welcher Nationalität. Köln ist eine tolle und sichere Stadt. Und wenn man sich die Kriminalstatistik durchliest, dann fallen vor allem Wohnungseinbrüche und Taschendiebstähle auf. Wir treffen es im Vergleich zu anderen Städten gut an.

Dass die Ringe stigmatisiert werden, rührt auch daher, dass hier kriminelle Organisationen zugange sind. Oder dass Schutzgelder von Wirten erpresst werden...

Dass es kriminelle Vereinigungen gibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Während meiner aktiven Zeit haben wir nie etwas mit Schutzgelderpressung zu tun gehabt. Meine Partner und ich haben uns früh entschieden, mit der Stadt und der Polizei zusammenzuarbeiten.

Die 110 ist eine schöne Nummer, wenn man sich bedroht fühlt. Ich glaube an unseren Staat und dass er uns beschützt. Wenn wir noch mehr Polizisten und Ordnungsbeamte aufstellen würden, könnten wir so etwas weiter unterbinden. Ich plädiere für eine noch größere staatliche Präsenz auf den Ringen.

Wenn ich sehe, wie viele Polizisten am Stadion für 200 Hooligans eingesetzt werden, dann finde ich das schade, dass ein großer Teil des Polizeietats für den FC da ist. Ich bin großer Fußballfan, aber die Liga und die Vereine haben genug Geld, um es für die Sicherheit auszugeben.

Wie haben sich die Gäste verändert?

Die Zahlbereitschaft hat abgenommen. Diese Gäste wissen genau, dass der Verwaltungsaufwand eines Unternehmens für 30 Euro viel zu groß ist. Dann gibt es Palaver, die Polizei kommt und alle denken: Oh Gott, was ist hier wieder passiert. Und die Gewalt unter Frauen hat zugenommen. Durch die neuen Studiengänge ist der Altersdurchschnitt etwas jünger geworden.

Früher durfte man länger studieren und konnte mehr feiern. Wir hatten nicht diesen Druck, mit 23 fertig zu sein. Was außerdem früher Funk und Soul hieß, ist heute R'n'b und Hip-Hop. Meine Zeit der aktiven Gastronomie war geprägt von House-Musik. Das genieße ich heute noch auf Ibiza. Ein großer Club kommt an Hip-Hop definitiv nicht vorbei.

Zur Person

Dirk Budach kommt gebürtig aus Wipperfürth. Seit 1981 lebt der heute 56-Jährige in Köln. Budach hat Jura studiert und 1991 seinen ersten Club „Königswasser“ eröffnet. Im Laufe der Jahre kamen mehrere Clubs auf den Ringen hinzu: Der Anwalt war Betreiber unter anderem des nun abgerissenen Theaters am Rudolfplatz, Apollo, Nachtflug, Crystal und des Flamingo Royal. Seit etwa vier Jahren hat er sich aus dem Clubbetrieb zurückgezogen und seine Rechts- und Steuerberatung ausgebaut. Mit seiner Kanzlei und Firma berät er nun in erster Linie Gastronomen und Clubbetreiber in Köln und vermittelt zwischen den Inhabern und der Stadtverwaltung sowie der Polizei. Budach ist mit Schauspielerin Janine Kunze („Hausmeister Krause“, „Heldt“) verheiratet. Das Ehepaar hat drei Kinder. (gam)

Wie hat sich das Kölner Nachtleben verändert?

Für mich ist es langweiliger geworden. Zu den guten House-Zeiten gab es noch viele After-Hours – heute nicht mehr. Ich ging in meinen eigenen Läden feiern. Und ganz früher im Wartesaal mit seinen legendären Blue Mondays und Anfang der 80er in die Bhagwan-Disco.

Das war ein Peace-Love-Hippie-Laden: für uns das Coolste überhaupt. In Köln fehlen im Vergleich zu Berlin und Hamburg Orte für die Ü-40-Generation. Ich rate allerdings Leuten davon ab, so etwas zu eröffnen, denn davon kann man nicht leben: diese Klientel geht wie ich nur einmal im Monat weg.

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