Abo

Kölner Corona-Protokolle„Lockerungen haben nicht den gewünschten Aufschwung gebracht“

Lesezeit 4 Minuten
CP-Ehling (1)

Dieter Edling betreibt ein Café in Köln-Neuehrenfeld

  • „Die Krise macht etwas mit uns“ heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
  • In der Serie „Kölner Corona-Protokolle“ erzählen regelmäßig fünf Menschen, was die Pandemie mit ihnen macht: Sie gefährdet ihre Gesundheit, ihre Freiheit, ihren Beruf und ihre Träume.
  • In dieser Folge spricht Café-Besitzer Dieter Edling darüber, wie es mit dem Tapku weitergehen soll.

Köln – Aufgeben und Insolvenz anmelden, weitermachen, einen Partner für das Café finden, oder soll ich einen neuen Pächter suchen, für den ich kochen und backen könnte? Um diese Möglichkeiten kreisen meine Gedanken jetzt schon seit vielen Monaten. Eine Antwort habe ich noch immer nicht gefunden.

Kein Aufschwung nach Lockerungen

Die Lockerungen im Zuge der Impfungen und im Frühjahr erstmal stark gesunkenen Inzidenzen haben dem Café nicht den erwünschten Aufschwung gebracht. Die Leute kamen eher zögerlich, das Vor-Corona-Szenario, dass morgens bei schlechtem Wetter viele Gäste drinnen saßen, ist nicht wiedergekommen: Die 3-G-Regel hat wohl einige abgeschreckt, für viele Menschen scheint es nicht mehr normal zu sein, in einem kleinen Gastraum einen Kaffee zu trinken und ein Stück Kuchen zu essen.

„Regel-Hickhack macht mich kirre“

Obwohl die Clubs seit vergangenem Freitag wieder öffnen dürfen, müssen wir Abstandsregeln zwischen den Tischen einhalten – so steht es zumindest in der Corona-Schutzverordnung NRW. Die Stadt hat das gegenüber der IG Gastro bestätigt, auf der Website der Stadt Köln steht aber, dass wir genauso handeln dürfen wie Veranstaltungen. Was denn nun? Niemand weiß mehr, was gilt und was nicht – und das war in den vergangenen eineinhalb Jahren immer wieder so. Dieses ständige Hickhack macht mich kirre. Ich finde es auch nicht fair: Stadien dürfen wieder voll sein, Konzerthallen auch, und Cafés und Kneipen nicht?

Alles zum Thema Cafes

Die Außengastronomie lief wegen des durchwachsenen Wetters eher schlecht – vielleicht sind die Menschen aber auch einfach genauso verunsichert wie ich. Inzwischen steigen die Inzidenzen wieder, das Wetter wird nicht besser – und die Nachfrage nicht größer.

Weil die Umsätze mäßig sind, habe ich den Café-Betrieb insgesamt verschlankt: Nur noch donnerstags bis einschließlich sonntags geöffnet, die Tageskarte auf maximal fünf Gerichte reduziert. Kuchen und Torten backe ich wie immer – die laufen am besten, es kommen viele Stammkunden, das rettet mich zumindest insofern, dass ich irgendwie über die Runden komme. „Irgendwie über die Runden kommen“, das bedeutet momentan, dass mein Vermieter mir seit einem dreiviertel Jahr die Miete stundet und der Schuldenberg weiter wächst.

Seit Beginn der Pandemie schlechter Schlaf

Die Schulden und die Ungewissheit tragen dazu bei, dass ich nicht gut schlafen kann, schon seit Beginn der Pandemie geht das so. Nicht besser macht es, dass ich kürzlich schon wieder eine Augen-Operation hatte: Ich sollte ein neues Silikonöl bekommen, das die Netzhaut stabilisiert und nicht wie das alte jedes halbe Jahr ausgewechselt werden muss - bei der OP hat man allerdings festgestellt, dass sich die Netzhaut schon wieder ablöst und das neue Öl es nicht besser macht.

Auf dem Auge kann ich noch hell und dunkel unterscheiden, zehn Prozent Sehkraft, Tendenz abnehmend. Den Glauben daran, dass es nochmal besser wird, wie einige Ärzte gehofft haben, habe ich nicht mehr.

Entscheidung Ende des Jahres

Was das Café betrifft, so frage ich mich, wie ich das früher alles geschafft habe: Das Backen, kochen, bedienen, abrechnen, einkaufen. Ich habe früher bestimmt 70 Stunden pro Woche gearbeitet und fast keinen Urlaub gemacht – das schaffe ich gesundheitlich nicht mehr. Wenn ich arbeite, dann nach wie vor gern und mit Leidenschaft: Ich koche und backe gern und spreche gern mit netten Menschen. Von denen machen mir viele nach wie vor Mut – wenn es diese Menschen nicht gäbe, hätte ich schon längst aufgegeben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wenn ich wieder düstere Gedanken habe, erinnere ich mich daran, dass genau dieses Café immer mein großer Traum war. Leider ist irgendwann jeder Traum ausgeträumt. Wegen Corona könnte der vom Café Tapku bald beendet sein.

Wann es soweit ist, weiß ich noch nicht. Spätestens am Ende des Jahres will ich eine Entscheidung treffen. Vielleicht tritt bis dahin ein Wunder ein oder es kommt mir eine geniale Idee, vielleicht tritt tatsächlich völlig unerwartet wieder so etwas wie Normalität ein – wenn nicht, braucht es einen klaren Schnitt.

KStA abonnieren