Kölner Corona-StudieGastro-Schließung wirkt vor allem in wohlhabenden Veedeln

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Die Stühle in der Kölner Altstadt mussten lange Zeit leer bleiben. Die Auswirkungen spüren die Gastwirte immer noch.

Köln – Der promovierte Informatiker Stefan Rüping von der Fraunhofer-Gesellschaft hat die in der vorigen Woche veröffentlichte „Analyse der Kölner Kontaktverfolgungsdaten“ erstellt, für die sein Team mehr als 100.000 Daten des Gesundheitsamtes ausgewertet hat. Im Interview erläutert er einige der Erkenntnisse – unter anderem zu Restaurant-Schließungen.

Herr Rüping, wenn Sie das Ergebnis Ihrer Untersuchung über die Ausbreitung von Corona mit einem Satz beschreiben müssten - dann in etwa so? Die Fallzahlen sind in Köln in solchen Stadtteilen besonders hoch, in denen es vergleichsweise eine hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Mieten und viele Einwohner mit einem Migrationshintergrund gibt?

Genau. Das hat sich jedoch im Laufe der Zeit so ergeben. Am Anfang der Pandemie waren eher die Stadtteile betroffen, in denen die Mieten höher sind. Mit zunehmender Dauer hat sich das in andere Gebiete verschoben.

Das bestätigt die Annahme, dass das Coronavirus vor allem über Winterurlauber sowie Menschen mit Kontakten über die Stadtgrenzen hinaus eingetragen wurde.

Das ist sicher eine Hypothese, die man verfolgen kann. Es klingt jedenfalls sehr plausibel und ist mit allem, was man über Corona weiß, konsistent. Aber direkt belegen kann man das aus den uns vorliegenden Daten nicht.

Welche Daten im Einzelnen haben sie ausgewertet?

Stefan Rüping: Wir haben vom Gesundheitsamt die Daten bekommen, die durch die routinemäßige Kontaktverfolgung anfallen. Dies umfasst beispielsweise Alter und Geschlecht von Infizierten, dazu Daten über bekannte Kontaktpersonen. Alles selbstverständlich in anonymisierter Form. Zusätzlich haben wir aus öffentlichen Quellen Informationen über beispielsweise die Arbeitslosenquote in den einzelnen Stadtteilen damit in Verbindung gesetzt.

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Was war die kleinste räumliche Einheit, über die sie durch ihre Daten Informationen hatten? Haben sie Erkenntnisse über einzelnen Siedlungen, über Wohnblocks?

Wir haben uns immer auf die Stadtteile bezogen, weil wir für diese Ebene auch die Informationen über Arbeitslosigkeit und den Mietspiegel benutzt haben. Das ist aus Datenschutzgründen geschehen. Das Gesundheitsamt kennt natürlich Namen und Adressen der Infizierten.

Lassen sich Rückschlüsse auf das Verhalten der jeweiligen Bürgerinnen und Bürger in Stadtteilen ziehen?

Leider nein, das haben die uns vorliegenden Daten nicht hergegeben. Allgemein bekannte Risikofaktoren sind beispielsweise Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, geringer Anteil an Homeoffice-Möglichkeiten und die Schulen.

Was würden Sie der Stadtverwaltung aufgrund Ihrer Erkenntnisse empfehlen?

Wenn der Migrationsanteil eine Rolle spielen sollte, muss man sicherlich über die Kommunikation nachdenken. Wenn ich auf den Mietspiegel als Faktor blicke, der ein Indikator für die soziale Situation ist, sollte über den Infektionsschutz in Bahnen und Bussen und Homeoffice nachgedacht werden. Bei Corona spielen allerdings viele Faktoren eine Rolle, es gibt keine einfachen Erklärungen. Insofern muss das Gesundheitsamt unsere analytischen Ergebnisse unbedingt aufgrund seiner Erfahrung einordnen und bewerten.

Und in anderen Stadtteilen?

Ein Muster lässt sich erkennen, selbst wenn es nur schwach in den Daten steckt: Einzelne Maßnahmen haben in den Stadtteilen unterschiedlich gewirkt. So scheint etwa das Schließen der Gastronomie Anfang November in wohlhabenderen Stadtteilen schneller zu einer Verringerung der Fallzahlen geführt zu haben als in Stadtteilen mit geringerem Mietspiegel und höherer Arbeitslosigkeit. Solche Informationen kann man berücksichtigen, wenn man über weitere Maßnahmen nachdenkt.

Wie erklären Sie sich die unterschiedliche Wirkung?

Eine nahe liegende Hypothese ist, dass es dort, wo die Menschen weniger Geld ausgeben können, weniger Restaurants gibt.

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