- Den Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölnerinnen und Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
- Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
- In der dritten Folge erzählt Schock-Werner von den Nackten im Kölner Dom.
Köln – Nackte im Dom? Da war doch mal was? Richtig: Sie denken jetzt bestimmt an den Auftritt einer „Femen“-Aktivistin, die an Weihnachten 2013 den Altarraum stürmte und blankzog. Ich halte von solchen Happenings gar nichts. Die Effekthascherei spielt ja mit der Missachtung einer Sphäre, die anderen heilig ist. Das finde ich unanständig. Und zu behaupten, es gehe bloß gegen die Prüderie und Verklemmtheit der katholischen Kirche, halte ich für unredlich.
Andererseits hat die Kirche ja durchaus ihre Schwierigkeiten mit nacktem Mensch im Gotteshaus. Dem Maler Daniele di Volterra (1509 bis 1566) verhalf das zu zweifelhafter Berühmtheit. Er sollte nämlich im Jahr 1564 auf Befehl des ausgesprochen sittenstrengen und rigorosen Papstes Paul IV. Michelangelos Fresko „Das Jüngste Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle überpinseln. Kein Geschlechtsteil der zumeist nackten Figuren sollte mehr zu sehen sein. Unter dem Spottnamen „Braghettone“ (Hosenmaler) ging Di Volterra in die Kunstgeschichte ein.
Anti-FKK-Maßnahme im Kölner Dom
Nicht ganz so spektakulär fiel eine Anti-FKK-Maßnahme im Kölner Dom aus. Dafür ist sie aber auch noch nicht so lange her. Ich erfuhr davon, als einmal eine ältere Dame zu mir kam, die sich als Ehefrau des Bildhauers Manfred Saul (1934 bis 2013) vorstellte.
Die Serie
Den Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölnerinnen und Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale? Von heute an gibt es im „Kölner Stadt-Anzeiger“ jede Woche eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
„Geheimnis Dom“ heißt ihre neue Serie. Wie Schock-Werners monatliche Kolumnen „Auf den Punkt“ im Kölner Lokalteil entstehen diese Texte in Kooperation mit Chefkorrespondent Joachim Frank. Und auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, sind herzlich zur Mitarbeit eingeladen: Fragen Sie unsere Autorin, was Sie schon immer über den Dom wissen wollten! Barbara Schock-Werner und die Experten der Dombauhütte geben die Antworten. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften! (jf)
E-Mails bitte an: geheimnis-dom@dumont.de
Briefe bitte an: Kölner Stadt-Anzeiger, z.Hd. Joachim Frank, Stichwort: Geheimnis Dom, Neven DuMont Haus, 50590 Köln.
Ihr Mann habe 1948 in seinen jungen Jahren Reliefs für die rückwärtige Brüstung der Orgelbühne vorne links im Dom angefertigt. Die Reihe der Bildtafeln im unteren Teil, so berichtete sie weiter, habe in den 1950er Jahren entfernt werden müssen, weil das Domkapitel fürchtete, sie könnten „zu sündigen Gedanken Anlass“ geben.
Reliefs zeigen Szene des Weltgerichts
Da war natürlich meine Neugierde geweckt. Ich erkundigte mich bei Domarchivar Rolf Lauer. Aber nicht einmal der kannte die Geschichte, geschweige denn die Reliefs. Wir haben dann unseren Schreiner gefragt, und siehe da: Er wusste Bescheid und konnte uns sogar sagen, wo sich die Reliefs befanden. Natürlich waren sie noch da. Weggeschmissen wird nichts. Das ist ehernes Gesetz im Dom. Ich habe mir die Platten angesehen und bin dann mit den Fotos zum Domkapitel gegangen: Dürfen wir sie wieder anbringen?
Die Reliefs zeigen die gleiche Szene wie Michelangelos Fresko: das Weltgericht. Oben in der Mitte Christus und Maria, rechts die Hölle mit den Verdammten, links die Seligen, die ins Paradies eingehen, dazwischen die Schar der Auferweckten. Deren Leiber, gerade aus den Gräbern gestiegen und zu neuem Leben erweckt, sind halt unbekleidet, so dass man nackte Hinterteile, winzige Brüste oder die Andeutung eines männlichen Geschlechtsteils sehen kann.
Manfred Sauls Reliefs wieder im Dom
Die Herren im Domkapitel haben die Bilder gesehen, sich angeschaut, geschmunzelt und – genickt. So kamen Manfred Sauls Reliefs zurück in den Dom. Zu Recht, finde ich. Wer bei diesen Gestalten auf sündige Gedanken kommt, der muss schon sehr verdorben sein – oder sehr entwöhnt. Und ich erzähle Ihnen diese Geschichte auch nicht als Beleg für die Prüderie speziell der Kirche, sondern des Zeitgeists in den 1950er Jahren.
Das könnte Sie auch interessieren:
Kurz nach der Wiederanbringung wurde Manfred Saul übrigens 70 Jahre alt. Mit seiner ganzen Geburtstagsgesellschaft kam er in den Dom und freute sich sehr, sein frühes Werk dort wieder vorzufinden. Letztlich ist es ihm damit sogar besser ergangen als Michelangelo. Dessen Fresken konnten bei der Restaurierung in den 1990er Jahren nicht wiederhergestellt werden, weil die originalen Putzteile mit den empfindlichen Stellen von Daniele di Volterra entfernt worden waren. Der „Hosenmaler“ hatte ganze Arbeit geleistet.
Aufgezeichnet von Joachim Frank