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Kölner DomSchutz für Dreikönigenschrein kostet so viel wie ein Einfamilienhaus

Lesezeit 6 Minuten
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Der Dreikönigenschrein in seiner Hochsicherheitsvitrine

  • Den Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölnerinnen und Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
  • Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
  • In dieser Folge erinnert sie an den Bau einer neuen Vitrine für die wertvollste Reliquie der Kathedrale: den Dreikönigenschrein.

Köln – Das wertvollste Kleinod im Dom ist ganz gewiss der Dreikönigenschrein. Geistlich, weil er die Reliquien der Heiligen Drei Könige enthält; kunsthistorisch, weil das nach 1190 gefertigte Meisterwerk des Goldschmieds Nikolaus von Verdun (1130/40 bis 1205) das größte und bedeutendste Reliquiar des Mittelalters ist.

Wanderpokal des Doms

Seinen heutigen Platz hat der Schrein erst zur provisorischen Wiedereröffnung des Doms im Jahr 1948 erhalten. Ursprünglich stand er in der Chorscheitel-Kapelle, im 19. Jahrhundert dann in der alten Schatzkammer auf der Rückseite der Schmuckmadonna. Ein bisschen war er also der Wanderpokal des Doms.

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Schon zur Wiederaufstellung nach dem Krieg gab es eine Vitrine zum Schutz des Schreins mit einer Konstruktion zum Anheben und Absenken, damals noch mit Hilfe einer Handkurbel. Das Design war typisch für die Zeit: Ein grüner Samtvorhang rundherum verdeckte, wie bei einem Schuhschrank, die dahinter liegende Technik.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Die Vitrine bestand aus Sicherheitsglas mit einem zwischen den Scheiben eingeschweißten Alarmdraht. Problem: Im Lauf der Zeit verrottete der Draht, und das Glas vergrünte, das heißt, es bekam einen grünen Stich, der es immer undurchsichtiger machte.

Deshalb wurde eine neue Vitrine notwendig. Zusammen mit Ingrid Bussenius als Gestalterin und Spezialfirmen für Sicherheits- und für Hebetechnik entwarfen wir eine Vitrine, die höchste Sicherheitsstandards mit einer optimierten Beleuchtung verbindet und 2004 fertiggestellt war. Ich nenne sie immer „mein Fort Knox für den Dreikönigenschrein“.

Die Vitrine besteht aus fünf Hochsicherheitsscheiben mit insgesamt vier Folien dazwischen. Angeblich müsste man das Glas eine Dreiviertelstunde lang mit einer Axt traktieren, bis es entzwei ginge. Ich hoffe aber, dass es nie einer darauf ankommen lässt. Zusätzlich gibt es einen Schall-Alarm. Den haben Jugendliche einmal versehentlich ausgelöst, als sie auf dem Pilgerweg anlässlich des Weltjugendtags 2005 trommelnd zum Schrein gezogen kamen. Aber sonst ist noch nie etwas passiert.

Gegen Steinschlag geschützt

Oben und unten ist je ein zentimeterdicker Stahlboden montiert. Selbst wenn sich ein Stein aus dem Gewölbe des Doms lösen würde, hielte die Konstruktion ihm stand.

Die Scheiben sind entgrünt und entspiegelt, was eine enorme technische Leistung ist. Normalerweise hat man bei solch einem dicken Glas immer einen gewissen Grünstich zu gewärtigen, und aus der Ferne würden sich diese Wirkung sowie die Spiegelung des Glases noch verstärken. Nicht so beim Dreikönigenschrein: Wenn Sie ganz weit hinten vom Eingang des Doms aus nach vorn zum Schrein sehen, haben Sie nicht den Eindruck, er sei von einem Glaspanzer umgeben.

Die gesamte Vitrine mit dem Schrein steht auf einer Hebe-Konstruktion, mit der sie einmal im Jahr – zur Dom- oder – wie sie seit neuestem heißt – zur Dreikönigenwallfahrt herauf und heruntergefahren wird. Zuerst hatten wir an eine Hydraulik gedacht. Aber deren Konstruktionsprinzip hätte bedeutet, dass die höchste Spannung immer dann gegeben ist, wenn der Schrein am tiefsten abgesenkt ist – also im Grunde genommen fast die gesamte Zeit des Jahres.

Moderne Hebetechnik

Jetzt sind es also vier gleich gerichtete Elektrospindeln, die den Schrein heben und senken. Hebetechnik erleichtert zudem die Arbeit der Restauratoren, wenn die sich vergewissern wollen, dass mit dem Schrein selbst alles in Ordnung ist. Die Vitrine wird dann bis auf die Höhe des Altars heruntergefahren, und der Schrein selbst kann auf einer Art Schlitten heraus und nach der Observation wieder hineingefahren werden.

Zur Wallfahrt kann er noch zehn Zentimeter höher gehoben werden als in der Normalstellung, damit die Pilger sich nicht so tief bücken müssen, wenn sie darunter hindurchziehen – eine Möglichkeit, die mit der neuen Vitrine gegeben ist. Der prominenteste Pilger, der davon Gebrauch gemacht hat, war Papst Benedikt XVI. beim Weltjugendtag 2005.

Unter dem Schrein durchzugehen, ist ausdrücklich nur als Andachtsübung gestattet. Selbst für Sonderführungen, die nahe an den Schrein führen, besteht ein strenges Verbot, aus Jux mal eben unter dem Schrein zu posieren.

Scheiben aus Spezialglas

Neun Monate dauerte es, bis das Spezialglas für die Vitrine angefertigt war. Ein Schutzbehältnis in dieser Größe brachte selbst die mit dem Metier vertraute Firma an ihre Grenzen. Vor der Aufstellung der Vitrine gab es die Sorge, ob ihr Design nicht zu modern, kühl und nüchtern sei. Aber ich finde, sie nimmt sich optisch so weit zurück, wie es nur irgend geht.

Das Tüpfelchen auf dem i ist die von Daniel Zerlang-Rösch entwickelte Beleuchtung. Vom selben Spezialisten stammt auch das Lichtkonzept für die neue Schatzkammer. Sie lässt den Schrein wunderbar präsent wirken.

Dass das Ganze nicht eben billig war, können Sie sich denken. Die Kosten beliefen sich auf den Gegenwert eines kleinen Einfamilienhauses. Aber zum Schutz und zur Präsentation eines einzigartigen Kunstwerks musste es eben auch das Beste vom Besten sein.

Odyssee in der Franzosenzeit

Den Schrein so sehen zu können, ist immer wieder ein umwerfendes Erlebnis – auch seiner sakralen Bedeutung und seiner Geschichte wegen. Die Gebeine, die seit dem Mittelalter als Reliquien der Heiligen drei Könige verehrt werden, befinden sich immer noch darin. Was an sich schon ein eigenes Wunder ist – trotz einer Odyssee des Schreins in der Zeit der napoleonischen Besatzung des Rheinlands vor gut 200 Jahren bis nach Prag geführt hat.

Aus Angst vor dem Einmarsch der Franzosen waren Teile des Domschatzes mitsamt dem Schrein 1794 erst ins Sauerland, dann immer weiter östlich bis nach Prag gebracht worden. Dort wurde dann ein Teil des Domschatzes prompt geklaut, woraufhin man den zerlegten Schrein um 1800 herum schleunigst wieder zurückholen wollte. 

Auf dem Weg gelangte er erst mal nach Frankfurt zu einem Geistlichen namens Franz Anton Molinari. Dieser bekam vom Domkapitel gesagt, er solle den Schrein dem Landgraf von Hessen-Darmstadt übergeben, der Ansprüche darauf angemeldet hatte. Im Gegensatz zu den Kölner Domherren, die weitab vom Schuss im Sauerland saßen, stand Molinari aber mitten im Leben und entschied sich dafür, den Schrein lieber den Franzosen auszuhändigen. Ausgerechnet!

Prozession zur Ankunft

Molinari hatte aber den richtigen Riecher. Denn nun ordnete Napoleon höchstpersönlich an, den Schrein nach Köln zurückzubringen. Der Kaiser wollte ihn an seinem ursprünglichen Bestimmungsort haben. Das war aber nun keine besondere Nettigkeit den Kölnern gegenüber, sondern ein Stück Herrschaftsrepräsentation. Köln war schließlich französisch beherrscht. Insofern verschob Napoleon den Schrein lediglich innerhalb seines eigenen Machtbereichs.

Zur Ankunft in Köln gab es eine festliche Prozession. Eigentlich hatten die Franzosen das untersagt, aber die Kölner haben sich ja noch nie einen Zug verbieten lassen. Und ich finde, ihre Freude damals war berechtigt. Wäre der Schrein an den Landgrafen von Darmstadt gegangen, stünde er heute – wenn überhaupt – im dortigen Landesmuseum, nicht im Kölner Dom. Und das wäre doch ziemlich bitter, oder nicht? Insofern können die Kölner Napoleon bis heute dankbar sein. Merci beaucoup, Sire!

Aufgezeichnet von Joachim Frank

Literatur zum Thema: Rolf Lauer und Barbara Schock-Werner, Der Schrein der Heiligen Drei Könige (Meisterwerke des Kölner Doms), Verlag Kölner Dom, 104 Seiten, 16 Euro.

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