700 Spiele zu HauseWarum „Phase 10“ und „Monopoly“ für zwei Kölner Spiele-Profis überbewertet sind

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Björn Richter und Martina Fuchs stehen vor einer Wand voller Spiele.

Rund 700 Spiele stapeln sich bei Martina Fuchs und Björn Richter.

Martina Fuchs und Björn Richter besprechen in ihrem Podcast Gesellschaftsspiele. Seit 2020 ist Fuchs Jurymitglied beim „Spiel des Jahres“.

Bunte Kartons sind in Bücherregalen rund um ein kleines Zimmer in Köln-Ossendorf bis an die Decke gestapelt. Darauf stehen Namen wie „Die Siedler von Catan“, aber ein Großteil der Gesellschaftsspiele ist dem Durchschnitts-Familienspieleabend-Fan vermutlich nicht bekannt. Von den rund 700 gestapelten Spielen ist nämlich fast die Hälfte brandneu, erst im Laufe des vergangenen Jahres erschienen. Insgesamt hätten sie rund 1200 Spiele, der Rest liege in einem Lagerraum, erzählen Martina Fuchs und Björn Richter.

Ihre Spielesammlung wächst jedes Jahr um rund 300 Neuzugänge, denn Fuchs ist Jurymitglied beim „Spiel des Jahres“. Das ist der wohl renommierteste Kritikerpreis weltweit für nicht-elektronische Spiele, man könnte ihn auch den Oscar der Gesellschaftsspiele nennen. Seit 2020 ist die 45-Jährige Jurymitglied, Gesellschaftsspiele bewertet sie aber schon länger: Vor fünf Jahren hat sie zusammen mit ihrem heutigen Partner, dem 44-jährigen Björn Richter, den Podcast „Fux und Bär – Der holistische Brettspiel Podcast“ gestartet.

Wenn Fuchs und Richter über Gesellschaftsspiele sprechen, ist ihnen die Begeisterung sofort anzumerken. Egal welche Vorliebe – Fantasy, Katzen, Musik – die beiden können sofort auf ein passendes Spiel im Regal zeigen. „Ich liebe es, Leute zum Spielen zu bringen“, sagt Fuchs.

Kölner empfehlen für Einsteiger „Lama“, „Codenames“ oder „Just One“

Neben ihrem ehrenamtlichen Engagement beim „Spiel des Jahres“ arbeitet Fuchs halbtags in einer Grundschule. Auch da bringt sie hin und wieder Spiele mit: „Meine Schüler sind immer ganz stolz, wenn sie auch mal Kandidaten für das ‚Spiel des Jahres‘ austesten dürfen.“ Sie habe schon immer gerne gespielt, komme selbst aus einer „typischen ‚Spiel des Jahres‘-Familie“. Heute habe ihre Spieleliebe aber ganz andere Dimensionen: Statt der möglichst massentauglichen „Spiel des Jahres“-Gewinner bevorzuge sie Fantasyspiele. Mit ihrem Lieblingsspiel „Gloomhaven“ habe sie schon 250 Stunden verbracht – das sind immerhin mehr als zehn Tage am Stück.

Richter, der an einer Hauptschule unterrichtet, war auch schon immer spielebegeistert. Als Kind habe er mit dem Material in der Spielesammlung herumexperimentiert und eigene Spiele entwickelt. Irgendwann lag dann „Heroquest“, ein Brettspiel, das sich an Fantasy-Rollenspiele anlehnt, unter dem Weihnachtsbaum. Damit begann die Begeisterung für „nerdige“ Spiele.

Frustrationspotenzial für viele zu hoch

In ihrem Podcast besprechen sie aber auch immer mal wieder Spieleklassiker wie „Phase 10“ oder „Monopoly“. Ihr Urteil dazu: Kann weg. Beide Spiele hätten ein viel zu hohes Frustrationspotenzial. Aber warum halten sich solche Spiele dann so resolut am Markt? „Viele Leute haben keine Lust, Spielregeln zu lesen“, meint Fuchs. „Man muss den Menschen erstmal klarmachen, wie viele Spiele es eigentlich gibt“, fügt Richter hinzu.

Am Ende sitze man doch beim Spieleabend und wähle das Spiel aus, das die meisten am Tisch kennen. Dabei gebe es so viele neuere Spiele, die auch einfach und doch besser seien. „Lama“ etwa sei „wie Uno nur viel besser“, meint Fuchs. Und wer mit einer größeren Gruppe spielt, solle mal „Codenames“ oder „Just One“ ausprobieren. Die beiden letzteren waren auch schon „Spiel des Jahres“ (2016 und 2019), „Lama“ stand 2019 auf der Nominierungsliste.

Die Jury des „Spiel des Jahres“ besteht aus elf Personen. Diese müssen zusammen alle Spiele testen, die in einem Jahr auf Deutsch erscheinen und einen deutschen Vertrieb haben. Es müsse aber nicht jeder auch jedes Spiel spielen, etwa 200 Spiele testet Fuchs in einem Jahr. Heißt: An mindestens drei bis vier Abenden pro Woche ist bei Fuchs und Richter Spieleabend angesagt.

Das „Spiel des Jahres“ muss ein „Spiel für alle“ sein

Am Montag sind die Nominierungs- und Empfehlungslisten für das „Spiel des Jahres“ erschienen. Für das „Spiel des Jahres“ nominiert sind „Dorfromantik – Das Brettspiel“, „Fun Facts“ und „Next Station London“. Der Sieger wird am 16. Juli verkündet. Fuchs und ihre Jurykollegen vom „Spiel des Jahres“ achten besonders darauf, dass das ausgezeichnete Spiel ein „Spiel für alle“ ist, dass man direkt loslegen und nicht erst ewig Regeln lesen muss. Am besten sollte es auch noch innovativ sein.

Weil sich durch ihre Juryarbeit so viele Spiele anhäufen, spendet Fuchs regelmäßig an die Kölner Stadtbibliothek. Am 17. Juni wird sie dort auch die Anwärter zum „Spiel des Jahres“ und „Kennerspiel des Jahres“ zum Ausprobieren zur Verfügung stellen und bei Bedarf Regeln erklären. Mit dabei sind auch Richter und weitere Hosts von Kölner Spielepodcasts sowie Peter Rustemeyer, Spieleautor von „Paleo“, das 2021 zum Kennerspiel gewählt wurde. Der Eintritt ist kostenlos, die Veranstaltung findet im Erdgeschoss der Zentralbibliothek statt und startet um 10 Uhr. Bis 15 Uhr kann jeder vorbeikommen und spielen, wann er möchte.

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