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Kölner Experte erklärtIst das Schweineherz die Lösung für schwerkranke Patienten?

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Ärzte in den USA operieren erstmals an einem modifizierten Schweineherz, das in einen menschlichen Patienten eingesetzt wird.

Köln – An der Universität von Maryland ist es einem Ärzteteam zum ersten Mal gelungen, einem Menschen ein genetisch verändertes Schweineherz zu transplantieren. Eine Operation, die weltweit für Aufsehen gesorgt hat. Ein ähnlicher Eingriff wäre in Deutschland derzeit nicht möglich gewesen, da ein entsprechendes Gesetz fehlt. Auch in den USA musste die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA für die Transplantation zuvor eine Sondergenehmigung erteilen.

Herztransplantationen sind ein anerkanntes Behandlungsverfahren, wenn bei einer ausgeprägten Herzschwäche alle anderen Therapien versagen.

Ist das Schweineherz die Lösung für schwerkranke Herzpatienten, die auf ein Spenderorgan hoffen?

„Die Transplantation war sicher ein Meilenstein in der Medizin“, sagt Thorsten Wahlers, Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie und herzchirurgische Intensivmedizin im Herzzentrum der Uniklinik Köln. „Die Operation war bei dem Patienten angezeigt. Er hatte eine Links- und Rechtsherzschwäche sowie Rhythmusstörungen und kam für ein Linksherzunterstützungssystem nicht infrage. Ich bin allerdings aufgrund der allgemeinen Erfahrungen skeptisch, ob es möglich ist, daraus einen Langzeiterfolg zu machen.

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Es ist natürlich spektakulär, aber bevor wir darüber überhaupt im Ansatz diskutieren können, ob das eine Alternative ist, sehe ich in Deutschland bestimmt zehn Jahre ins Land gehen. Wir erzielen mit der Möglichkeit, menschliche Organe zu transplantieren, sehr gute Langzeitergebnisse. Ein Jahr nach ihrer Herztransplantation leben noch gut 80 Prozent der Organempfänger, nach zehn Jahren sind es 50 bis 60 Prozent.“ Im Herzzentrum der Uniklinik gibt es bis zu fünf Herztransplantationen im Jahr. Die Zahl der Herztransplantationen ist in Deutschland insgesamt zurückgegangen. Sie lagt bei etwa 340 im vergangenen Jahr.

Es gibt weltweit zu wenig Spenderorgane. Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland?

Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums warten etwa 9400 Personen auf ein Spenderorgan – unabhängig von der Art des Organs. Die Organspenden reichen an diesen Bedarf bei weitem nicht heran. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) veröffentlichte vor wenigen Tagen detaillierte Zahlen. Demnach haben im Jahr 2021 in Deutschland 933 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. 206 Organspender stammten aus Nordrhein-Westfalen, damit lag das Bundesland im Ländervergleich an der Spitze vor Bayern und Baden-Württemberg.

Die Wartelisten sind lang. Für Patienten, die ein neues Herz brauchen, reicht die Wartezeit von sechs bis 24 Monaten „Selbst bei Leuten, die in einem Hochdringlichkeitsstatus sind. Etwa 20 Prozent der Patienten auf der Warteliste sterben, weil sich ihr Herz in der Zwischenzeit zu sehr verschlechtert hat“, sagt Professor Wahlers.

Warum musste das in den USA transplantierte Tierherz genetisch modifiziert werden?

Grundsätzlich ist ein Schweineherz unter anderem wegen seiner ähnlichen Größe gut geeignet für die Transplantation zum Menschen. Das Problem ist die hohe Wahrscheinlichkeit einer Abstoßungsreaktion. Mit Hilfe der Gen-Schere „Crispr“ mussten an dem Schweineherz zunächst Veränderungen an den Oberflächen der Gefäße vorgenommen werden.

Das betraf die Kontaktstellen des Empfängerblutes mit dem Transplantat. Herzspezialist Wahlers gibt zu bedenken: „Die Genetik, die bei der Transplantation von Organen zum Beispiel vom Schwein oder vom Affen eine Rolle spielt, ist hochkomplex. Immunsuppression, also die Unterdrückung des körpereigenen Abwehrsystems, kann man nicht unbegrenzt steigern, weil die Abwehrreaktion des Menschen zu sehr Schaden nehmen würde. Also bleibt nur die Möglichkeit, spezielle Gene, die bei der Abstoßungreaktion eine Rolle spielen, auszuschalten.“

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Beim Schweineherz sind es verschiedene Zuckerketten, die die Abstoßung auslösen. Die fehlen beim Menschen komplett. Das macht das Überwinden der Speziesbarriere so schwierig. „Die Chirurgie braucht hier die Unterstützung der Immunologen. Kein Gedanke daran, ein Herz eines herkömmlichen Schweines zu nehmen. Die Tiere in den USA kommen aus einem speziellen genetischen Zuchtprogramm.“

Wie ist der Stand der Forschung in Deutschland?

Vor einigen Jahren transplantierte ein Forscherteam um den Münchner Herzchirurgen Bruno Reichart und den Veterinärmediziner Eckhard Wolf genetisch veränderte Schweineherzen in Paviane. Von fünf Tieren überlebten zwei 182 beziehungsweise 195 Tage, zwei 90 Tage, eins 51 Tage. Abstoßungsreaktionen habe es nicht gegeben. Die Ende 2018 in dem Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlichten Ergebnisse werteten die Forscher als Erfolg und großen Schritt hin zu einer möglichen Transplantation von Schweineherzen auch bei Menschen.

Diesen Austausch über Artgrenzen hinweg nennt man Xenotransplantation, die seit den 1980er Jahren erforscht wird. Die Deutsche Forschungsgesellschaft fördert zunächst bis 2024 die „Biologie der Xenogenen Zell-, Gewebe- und Organtransplantation von der Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung“ als Sonderforschungsbereich. Beteiligt sind die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Medizinische Hochschule Hannover und die Technische Hochschule Dresden.

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