Kölner HalsbandsitticheDer grüne Schwarm zieht weiter

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Halsbandsittiche sitzen auf einem Baum in Köln.

Köln – Der grüne Schwarm ist einen Kilometer weitergezogen. Bis vor wenigen Monaten hatten mehr als 2000 Halsbandsittiche die Nächte in Bäumen an der Dreikönigenstraße verbracht und mit Exkrementen und Geschrei die Anwohner zur Weißglut getrieben. Nun haben die Zwergpapageien ein gutes Dutzend Bäume am Maritim Hotel und dem Brauhaus Im Roten Ochsen an der Rheinuferstraße zum Übernachten gewählt.

Etwa 2700 Sittiche in Köln

Die Zahl der Tiere in Köln ist nach Angaben des Kölner Stadtverbands des Naturschutzbunds (Nabu) derzeit leicht rückläufig. Nach Einschätzung von Experten gibt es derzeit etwa 2700 Halsbandsittiche in Köln. Bei Einbruch der Dunkelheit suchen sie sich gemeinsame Schlafbäume – und zwar kommen dort sämtliche Tiere aus der Stadt zusammen, nachdem sie tagsüber in vielen Veedeln herumfliegen, erklärt Jana Romero vom Nabu. „Die Suche nach gemeinsamen Schlafbäumen ist ein Instinktverhalten.“ Wenn der Schwarm abends angeflogen käme, sei das ein „Naturschauspiel“.

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Dutzende Sittiche sitzen in einem Baum in der Innenstadt.

Auf dieses Schauspiel kann das Wirtshaus Im roten Ochsen gern verzichten. Denn wenn ab der Dämmerung die Vögel kommen, kommen auch viele Gäste des Lokals. „Seit diesem Jahr ist es schlimm“, klagt ein Mitarbeiter des Restaurants. Vom Kot der Vögel sei im Außenbereich des Brauhauses „jeden Tag alles weiß“. Bevor auch nur ein Kölsch über den Tresen gehe, müsste also erst einmal aufwendig gereinigt werden. Die Kundschaft fühle sich gestört vom Geschnatter und den Hinterlassenschaften der Tiere, „zum Teil gehen die Gäste wieder weg“, sagt der Angestellte. Umsatzeinbußen seien die Folge.

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Papageienart aus den Savannen afrikas

Ende der 60er Jahre wurden erstmals Halsbandsittiche in Köln gesichtet. Sie nisteten in Riehl auf Platanen, die zu den Favoriten der Halsbandsittiche gehören, wie Vogelforscher und Artenschutz-Experten Michael Braun von der Universität Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte. Die 40 Zentimeter große Papageienart stammt ursprünglich aus den Savannen Afrikas sowie aus Indien, Pakistan, Bangladesch, Myanmar und Sri Lanka. Kölner Vogelbesitzer haben die Sittiche wohl freigelassen, woraufhin die sich munter vermehrten. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) schätzt, dass in ganz NRW derzeit etwa 4500 Halsbandsittiche in freier Wildbahn leben. Auch in anderen vielen Städten Europas haben sich die Tier niedergelassen, etwa in London, Amsterdam, Wien oder Barcelona.

Konkurrenz bekommen die Halsbandsittiche vom Großen Alexandersittich. Die Art stammt ebenfalls aus Afrika und Asien, hat auch ein grünes Gefieder und einen roten Schnabel, und ähnliches Brut und Fressverhalten. Sie sind jedoch mit 60 Zentimetern deutlich größer. Nach Angaben des Lanuv tauchten sie in Deutschland erstmals 1985 auf – in Köln. Heute gibt es laut Lanuv etwa 320 Große Alexandersittiche in NRW. (og)

Als die Tiere noch im Bereich der Dreikönigenstraße nächtigten, sah selbst die Politik – nach massiven Anwohnerbeschwerden – Handlungsbedarf. Die Tiere sollten dort vertrieben werden, hatte der Rat im vergangenen Jahr beschlossen. Letztlich war das nicht mehr nötig, weil sie von allein verschwanden – um sich nun nur ein Stück weiter nördlich niederlassen. „Wir unternehmen derzeit nichts, weil uns aktuell auch keine Beschwerden vorliegen“, sagt Irina von Maravic von der Unteren Naturschutzbehörde. Die Sittiche würden sich immer mal wieder neue Schlafbäume suchen, an denen sie eine Zeit lang blieben, um dann weiter zu ziehen, erklärt die Expertin. Dennoch hat die Verwaltung eine Biologin damit beauftragt, eine Handlungsempfehlung zu erstellen, wie die Sittiche am besten verscheucht werden können, wenn sich Beschwerden häufen, sagt von Maravic. Kategorisch ausgeschlossen ist dabei, dass die Vögel zu Schaden kommen, wie der Umweltausschuss festgelegt hatte.

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Der Nabu geht davon aus, dass sich in Köln die Zahl der Sittiche auf das aktuelle Maß eingependelt habe und die Population nicht weiter wachse. „Das Angebot an Bruthöhlen ist wohl erschöpft“, vermutet Romero. Die Tiere nisteten gern in den Ast-höhlen alter Bäume, deren Bestand in Köln abnehme.

Kot und Geschrei ärgern Anwohner

Die Naturschutzorganisation hat Verständnis für die Beschwerden von Bürgern und Geschäftsleuten über Kot und Geschrei der Sittiche. „Man muss auch die Anwohner hören. Das ist sicherlich nicht angenehm“, sagt Romero. Sie glaubt, dass es eine Lösung geben könne, mit der Mensch und Tier leben könnten. Etwa durch eine Vergrämung, wie das Verscheuchen in der Jägersprache heißt, bis die Sittiche Schlafbäume aufsuchen, auf denen sie niemanden stören. Wenn das gelänge, könnten die Debatten von Papageibefürwortern und -gegnern harmonischer werden. Im Bürgerhaus Stollwerck jedenfalls feierte der Nabu die Vögel bei der Jubiläumsveranstaltung „50 Jahre Sittiche in Köln“: Seit Ende der 60er Jahre fliegen Halsbandsittiche frei durch die Stadt. Vermutlich hatten private Besitzer die ursprünglich aus Afrika und Indien stammenden Zwergpapageien freigelassen, die sich dann vermehrten.

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