Kölner Ideen für ein besseres KlimaGrüne Dächer, Mitfahr-App und Mehrwegschalen

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In der ökologischen Siedlung Unterbach wächst Gras auf den Dächern.

  • In Ägypten startet die 27. Weltklimakonferenz COP27.
  • Auch in Köln und Region gibt es aber viele gute Ideen für ein besseres Klima.
  • Von grünen Dächern über eine Mitfahr-App bis zu Mehrwegschalen stellen wir einige Projekte vor.

Köln – Die Klimakrise mag angesichts des Krieges in der Ukraine, der Energiekrise und der hohen Inflation in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund getreten sein, aber sie ist ungebrochen und droht die Welt, wie wir sie kennen, deutlich zu verändern. Bei der 27. UN-Klimakonferenz (COP27), die seit dem 6.11. im ägyptischen Scharm el-Scheich stattfindet, sollen globale Lösungen für die fortschreitende Klimaerwärmung gefunden werden.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird zum Klimagipfel reisen und dort am Montag im Plenum der Staats- und Regierungschefs das nationale Statement halten und am Dienstag an verschiedenen Gesprächsrunden teilnehmen.

Das große Ganze ist wichtig, aber behäbig. Genauso zählt jedes noch so kleine Klima-Projekt, das jeder einzelne von uns sich vornehmen kann. Anlässlich des globalen Klima-Gipfels werfen wir deshalb einen Blick auf Projekte und Firmen in der Region, die bereits Lösungen gefunden und umgesetzt haben, um klimaangepasster oder klimaschonender zu leben.

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Mitfahren per App

Die Idee war schon 2019 gut, doch der Zeitpunkt für die Umsetzung geriet denkbar ungünstig. Es sind zu viele Autos auf deutschen Straßen unterwegs, das schadet dem Klima und den Nerven jedes einzelnen Pendlers. Ein Umstieg auf den Öffentlichen Personen Nahverkehr wäre eine wünschenswerte Möglichkeit zur Entlastung. Oder eben eine Nutzung der vielen, vielen leeren Plätze in all den Autos, die im Schnitt mit nur 1,3 Personen besetzt sind. Oder, noch besser, so die Idee der goFlux-Gründer Wolfram Uerlich, Nils Kittel und Dennis Pütz, eine Kombination von beidem.

Das Trio aus Köln entwickelte eine App, über die vornehmlich Berufspendler Mitfahrgelegenheiten anbieten oder suchen können. Eingebunden in das System eines Verkehrsverbundes sollen auch Kombinations-Fahrten mit Auto und Bahn möglich werden. Also zum Beispiel: Der Arbeitnehmer aus einem Dorf außerhalb Bonns, der nach Köln ins Büro muss, könnte eine Mitfahrgelegenheit zum Bonner Hauptbahnhof finden und dann mit dem Zug von Stadt zu Stadt pendeln.

Die Corona-Pandemie ab Anfang 2020 machte den goFlux-Gründern allerdings einen Strich durch die Rechnung. Andere im eigenen Auto mitzunehmen, war plötzlich unvorstellbarer denn je. „Das war nicht die beste Zeit für uns“, sagt Wolfram Uerlich, „dafür spielen uns jetzt gerade alle Entwicklungen in die Karten“. Teure Spritpreise, hohe Inflation – die Menschen müssen sparen. Da wird die bessere Auslastung jedes einzelnen Autos plötzlich interessant. In Umfragen lägen Kosten und Nachhaltigkeitsgedanken als Motivation für Fahrgemeinschaft zwar gleichauf, sagt Uerlich, „aber beim tatsächlichen Verhalten ist Geld der Haupt-Treiber.“

Deal mit französischem Mobility-Unternehmen

Die aktuell deutlich verbesserte Lage für ihre Geschäftsidee hat den goFlux-Machern jüngst einen Deal mit dem französischen Mobility-Unternehmen Karos eingebracht. „Der Zusammenschluss macht für uns viel Sinn“, sagt Uerlich, „weil die Karos-App viel weiter entwickelt ist als unsere und weil Fahrgemeinschaften in Frankreich schon eine viel höhere Bedeutung haben.“ Mit dieser neuen Kraft im Rücken will goFlux nun in Deutschland richtig durchstarten.

Ein erstes Projekt in Bonn laufe gut an, berichtet Uerlich. Man kooperiere mit dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg und habe die Stadtwerke Bonn als Partner und Firmen wie den Landschaftsverband Rheinland oder die Uniklinik Bonn als Kunden gewinnen können. Ähnliche Projekte in weiteren Städten sollen folgen.

Grün wohnen in der Stadt

Vor 30 Jahren wurden Ludger Gigengack und seine Mitstreiter belächelt, von einigen sogar kritisch beäugt. „Manche Nachbarn dachten, ihre Häuser würden an Wert verlieren mit unserer Pappmaché-Siedlung nebenan“, erinnert sich der 68-Jährige. Heute ist die ökologische Siedlung Unterbach in Düsseldorf mit ihren 30 Reihenhäusern mit begrünten Dächern, einer gemeinsamen Heizanlage und autofreien Wegen ein Vorzeigebeispiel dafür, wie sich in Zeiten des Klimawandels a) klimaschonend und b) klimaangepasst wohnen lässt. Und weil die Bewohner ihre Siedlung in den letzten 30 Jahren beständig ökologisch optimiert haben, etwa mit Solarthermie für die gemeinsame Heizung, wurden sie 2019, 30 Jahre nach dem Erstbezug, mit dem Düsseldorfer Umweltpreis ausgezeichnet.

Aus Pappmaché sind die Häuser natürlich nicht, sie haben ein Holzständerwerk. Vornehmlich aus nachwachsenden Rohstoffen zu bauen, erschien den Gigengacks und den 29 weiteren Familien (es zogen 1989 auch 60 Kinder mit ein) schon damals als sinnvoll. Die Dächer, einst mit Rollrasen belegt, sind heute im Frühjahr und Sommer bunte Blumenwiesen, ein Paradies für Bienen und andere nützliche Insekten und zugleich Luftreiniger und Regenwasserspeicher. Auch um die Häuser herum wurde Wert auf wenig Versiegelung und viel Grün gelegt. Das Resultat laut Gigengack: „Physikalische wie psychologische Vorteile.“

Schatten und Kühlung im Sommer

Die Hausbesitzer zahlen für Regenwasser keine Abgaben an die Stadt, da alles auf dem Gelände versickert. In heißen Sommern sorgt das viele Grün für Schatten und Kühlung. Und die Bewohner finden beim Blick ins viele Grün seelische Entspannung. In den Häusern mache sich das Holz als dominierender Baustoff bemerkbar, sagt Gigengack: „Wir haben ein sehr angenehmes Raumklima.“

Dazu wurde ein unnötiger Verbrauch von Baufläche verhindert, indem ein Gemeinschaftshaus und eine Holzwerkstatt allen zur Verfügung stehen. So braucht nicht jeder seinen eigenen Partyraum und die eigene Werkstatt. Und: Niemand muss einsam sein, sozialer Kontakt gehört bis heute zum Konzept.  

Essen aus der Mehrweg-Schale

Das schlechte Gewissen führte den Kölner Tim Breker zu seiner Geschäftsidee. Als Unternehmensberater arbeitete er viel – und aß sehr häufig bestelltes Essen. „Da erstickt man in Verpackungsmüll“, erinnert sich der 35-Jährige. Also gründete der Kölner 2019 zusammen mit Fabian Barthel und Sven Witthöft die Firma Vytal und bietet seither ein Mehrwegsystem für Behälter für Getränke und Speisen an. Vom Kaffeebecher über unterteilte Menüschalen bis hin zu Burgerboxen, Sushibehältern und Pizzaverpackungen ist alles verfügbar. Über eine App werden die Behältnisse, die alle einen individuellen Namen tragen, ihren Ausleihern zugewiesen – und kosten nichts, wenn sie innerhalb von 14 Tagen zurückgebracht werden.

Auch die Behälter sind aus Kunststoff. Aber Breker versichert: „Wir arbeiten nur mit Produzenten, bei denen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung eine wichtige Rolle spielen.“ Der Benefit für die Umwelt ergebe sich aus der häufigen Nutzung der Vytal-Behälter. Jeder einzelne halte 200 Benutzungen aus und habe bereits ab der zehnten Nutzung eine bessere Klimabilanz als eine Einwegverpackung. Man erreiche eine Rücklaufquote von 99 Prozent und sei bei den 300.000 Behältern, die bereits im Umlauf sind, schon bei einer Benutzungsanzahl von rund 16. Nach eigenen Angaben hat Vytal so bereits über 4,3 Millionen Einwegverpackungen ersetzt (Stand: September 2022).

Auch große Handelsketten machen mit

Bei 3.000 Restaurants, Kantinen und Lebensmittelhändlern können Speisen und Getränke in Vytal-Behältern bestellt oder mitgenommen werden. Dazu gehören große Handelsketten wie Rewe und Edeka, Firmen wie Backwerk oder Haferkater, aber auch 14 DAX-Konzerne wie die Allianz, BASF oder Bayer. Die Heilandt Kaffeebar an der Kölner Sporthochschule etwa gibt schon nur noch Vytal-Becher aus und verzichtet ganz auf Einweggeschirr. „Das ist die Zukunft, Mehrweg wird zum Standard werden“, prophezeit Breker.

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Auf jeden Fall dürfte seinem Unternehmen noch ein kräftiger Schub bevorstehen. Ab dem 1. Januar 2023 gilt die so genannte Mehrwegangebotspflicht. Wer Getränke oder Essen ausgibt, muss dann auch eine Mehrweglösung anbieten. Breker und seine Mitstreiter sind vorbereitet. Sie haben bei Investoren noch einmal zehn Millionen Euro eingesammelt und ihre Lager bis an den Rang gefüllt. Und die Namen für all die Behälter, die sich die Gründer am Anfang noch selbst ausgedacht haben (Breker: „Es gibt Schalen, die Praktikant, Chef oder Heulsuse heißen, da haben wir uns kreativ ausgetobt.“), werden inzwischen längst von einer großen Namensdatenbank automatisch generiert.

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