Kölner Infektiologe im Interview„Ich würde mich als Erster impfen lassen“

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Symbolbild

  • Die EU-Kommission hat weitere 300 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffes bei Biontech/Pfizer bestellt – doppelt so viele wie ursprünglich geplant.
  • Mit der bedingten Zulassung für das Präparat des US-Herstellers Moderna wird in Kürze ein zweiter Impfstoff zur Verfügung stehen.
  • Für die Wirkstoffe des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca und des Tübinger Unternehmens Curevac stehen die Zulassungen dagegen noch aus. Entsprechende klinische Studien laufen.
  • Über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Corona-Impfstoffe haben wir mit Prof. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, gesprochen.

Köln – Herr Fätkenheuer, betrachten wir zunächst die Präparate von Biontech/Pfizer und Moderna. Wie gut wirken die beiden Impfstoffe?

Sie sind beide nach den Studien, die wir haben, sehr gut wirksam. Sie haben eine Schutzwirkung vor einer schweren Erkrankung von über 90 Prozent.

Sind die Stoffe auch gegen die neuen Virus-Mutationen wirksam?

Alles zum Thema Universitätsklinikum Köln

Das wissen wir noch nicht 100-prozentig. Dies ist eine Frage, die von hochspezialisierten Experten wie zum Beispiel Christian Drosten am besten beantwortet werden kann. Ich kann ihn an dieser Stelle nur zitieren. Selbst er kann es derzeit nicht genau sagen, vermutet aber, dass die neue Virus-Mutante keinen oder nur einen sehr geringen Einfluss auf die Impfwirkung hat. Die einfache Antwort ist: Wir wissen es noch nicht. 

Welche Unterschiede gibt es bei der Lagerung und Haltbarkeit der Impfstoffe?

Neuer Inhalt (4)

Der Kölner Infektiologe Gerd Fätkenheuer

Der von Biontech muss bei minus 80 Grad gelagert werden. Am Einsatzort muss der Impfstoff schnell verarbeitet werden. Moderna kann bei zwei bis acht Grad für bis zu 30 Tage gelagert werden. Der Biontech/Pfizer-Impfstoff muss vor dem Spritzen mit einer Natriumchlorid-Lösung verdünnt werden. Jede Dosis enthält 30 Mikrogramm Impfstoff. Das Produkt von Moderna wird dagegen bereits gebrauchsfertig geliefert und enthält mit 100 Mikrogramm rund dreimal mehr Impfstoff pro Dosis.

Wie oft muss geimpft werden, um den individuellen Impfschutz aufzubauen?

Bei beiden Stoffen zweimal. Bei Biontech soll die zweite Impfung frühestens nach drei Wochen erfolgen, bei Moderna nach vier Wochen.

Kann man Impfstoffe verschiedener Hersteller für die erste und zweite Impfung verabreichen?

Ein Problem wäre es wohl nicht, aber das wird von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts nicht empfohlen.

Der Impfstoff ist knapp. Was halten Sie davon, die Abstände zwischen den Impfungen zu vergrößern, um mehr Menschen überhaupt impfen zu können?

Die Ständige Impfkommission weist in einer sehr aktuellen Erklärung darauf hin, dass der Impfstoff von Biontech laut Zulassung bis zu 42 Tage nach der ersten Impfung verabreicht werden kann. Dieses Zeitfenster ist möglich, das kann man auch nutzen, um die Erstimpfungen schneller und bei mehr Menschen durchzuführen.

Wie lange hält die Wirkung an? Können Geimpfte das Virus noch weitergeben?

Das können wir derzeit nicht voraussagen. Man muss an dieser Stelle zwei Dinge berücksichtigen: Zum einen, wie lange die Immunantwort eines Geimpften anhält und wie lange jemand Antikörper bildet. Zum anderen muss man im Blick behalten, ob sich das Virus ändert. Dann wäre die Antikörperwirkung noch vorhanden, aber das veränderte Virus könnte es schaffen, die Wirkung der Antikörper auszuhebeln.

Welche Nebenwirkungen sind bekannt?

Es können kurze, heftige Impfreaktionen auftreten. Dazu zählen Schmerzen, Schwellungen und Rötungen an der Impfstelle. Das ist aber alles vorübergehend und harmlos. Dabei sind häufiger Allgemeinreaktionen wie zum Beispiel Fieber, Glieder- und Kopfschmerzen beobachtet worden. Diese Beschwerden sind in der Regel nach einem Tag wieder weg. Wir haben festgestellt, dass dies vor allem bei jüngeren Menschen stärker aufzutreten scheint als bei Älteren. Wichtig ist: Es handelt sich nicht um schwere Nebenwirkungen. Ich würde daher auch eher von Nebenerscheinungen sprechen. Dies sollte auf keinen Fall dazu führen, sich nicht impfen zu lassen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Mit den Stoffen von Biontech und Moderna werden Erwachsene geimpft. Gibt es zum jetzigen Zeitpunkt eine Impfempfehlung für Kinder?

Nein, die gibt es nicht. Das ist ein wichtiges Thema, und es gibt Stimmen, die sagen, das sei nicht richtig. Kinder sollten auch frühzeitig geimpft werden. Das ist aber ganz klar nicht die Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Eine solche Empfehlung für Kinder wird es erst dann geben, wenn genügend Impfstoff verfügbar ist und alle anderen Gruppen, die ein höheres Risiko haben, geimpft sind.

Wie lässt sich Ihrer Ansicht nach die Impfbereitschaft in der Bevölkerung steigern?

Viele Menschen haben berechtigte Fragen. Das ist verständlich, denn der Impfstoff ist neuartig, die Zulassung geht schnell. Diese Fragen lassen sich meiner Einschätzung nach gut beantworten, dabei ist die fachliche Aufklärung ein wesentlicher Teil. Je mehr Menschen geimpft sind und je stärker diejenigen, die noch zurückhaltend sind, sehen, dass nichts Schlimmes geschieht, glaube ich ganz fest, dass die Bereitschaft weiter zunehmen wird.

Würden Sie sich impfen lassen?

Sogar als erster, wenn das möglich gewesen wäre.

Was lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt zu den Präparaten von Astrazeneca und Curevac sagen?

In Großbritannien wird der Impfstoff von Astrazeneca mit einer Notzulassung bereits eingesetzt. Die bisher nur spärlich vorliegenden Daten weisen darauf hin, dass dieses Präparat etwas weniger wirksam ist als die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Der Impfstoff von Curevac ist dem von Biontech/Pfizer sehr ähnlich, aber nicht ganz so empfindlich was Lagerung und Transport angeht. Die Uniklinik Köln ist eins von drei Zentren, in dem die Phase drei der klinischen Studie für Curevac durchgeführt wird. Die beiden anderen Zentren sind in München und Tübingen. Wir haben in Köln unter der Leitung von Professor Clara Lehmann bereits eine beträchtliche Zahl von Probanden in diese Studie einbezogen. Das Bestreben aller Beteiligten ist groß, rasch belastbare Ergebnisse vorlegen zu können und hoffentlich zügig die Zulassung zu bekommen.

KStA abonnieren