Kölner KlimanotstandKommen bald teureres Anwohnerparken und eine City-Maut?

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Kölner Umweltdezernent Harald Rau

Kölner Umweltdezernent Harald Rau

  • Köln hat als größte deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen. Das wird nicht nur für politische Beschlüsse in der Stadt Folgen haben, sondern auch für alle Kölner.
  • Denn um den CO2-Ausstoß in der Stadt zu senken, denkt Umweltdezernent Harald Rau über Maßnahmen nach, die insbesondere Autobesitzern weh tun würden.
  • Aber auch auf den dringend benötigen Wohnungsbau hat der neue Klimanotstand Auswirkungen.
  • Rau erklärt im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger” zudem, was er an den neuen E-Rollern problematisch findet.

Köln – Herr Rau, der Stadtrat hat in dieser Woche den sogenannten Klimanotstand ausgerufen, am Samstag gibt es wieder das Großfeuerwerk Kölner Lichter. Man könnte auf die Idee kommen, eine solche Veranstaltung steht im Gegensatz zu den Klimazielen?

Im Zusammenhang mit Klima und Erderwärmung geht es vorrangig um Emissionen von Treibhausgasen. Die werden bei Feuerwerken zwar auch freigesetzt, aber das weitaus größere Problem ist der Feinstaub. Bei dem, was wir im Zusammenhang mit der Verringerung der Treibhausgase in den kommenden Jahren vor uns haben, spielen die Kölner Lichter nicht die Hauptrolle. Mein Augenmerk gilt den großen Maßnahmen, die deutliche Wirkung entfalten.

Welche Maßnahmen schweben Ihnen vor? Sie können den Kölnern ja nicht verbieten, in den Urlaub zu fliegen oder Auto zu fahren.

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Wenn man sich die Anteile der unterschiedlichen CO2-Emittenten anschaut, dann stellt man fest: Den größten Teil verantworten Industrie und Energieerzeugung. In Köln machen diese beide Bereiche mehr als 2,5 Millionen Tonnen im Jahr aus.

Wie hoch ist denn der gesamte CO2-Ausstoß in der Stadt?

Etwa zehn Millionen Tonnen jährlich. Die Stadt hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. In Zahlen übersetzt bedeutet das: ein CO2-Ausstoß von etwa einer Millionen Tonnen im Jahr. Blicken wir auf den Zeitraum von 2008 bis 2015 zurück, dann haben wir den CO2-Ausstoß gerade mal um ein Prozent reduziert. Daran wird deutlich, dass Verhaltensänderungen jedes einzelnen Bürgers zwar dazu beitragen, wir aber in größeren Dimensionen denken müssen.

Welche Hebel stehen Ihnen überhaupt zu Verfügung?

Der Ratsbeschluss zum Klimanotstand fordert die Verwaltung beispielsweise auf, mit den Stadtwerken verstärkt in Richtung regenerative Energie zu denken. Die von der Rhein-Energie selber erzeugte Energie stammt derzeit zu 15 Prozent aus erneuerbaren Quellen – und zu 85 aus fossilen. Wir müssen das Unternehmen in die Lage versetzten, schneller umzusteigen; mehr Windkraft zu nutzen, verstärkt in Photovoltaik zu investieren, sich stärker an Programmen zu Aufforstung von Wald zu beteiligen. Dann wird die Rhein-Energie weniger Gewinn ausschütten. Die Stadt des guten Lebens, die wir anstreben, klimaneutral und mit guter Luft, die kostet uns Anstrengung und Geld. Wenn wir es ernst meinen, muss die Rhein-Energie ihre Gewinne in die Klimawende investieren dürfen. Klar, das Geld wird uns dann an anderer Stelle fehlen.

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Blicken wir auf ein anderes städtisches Unternehmen, die KVB. Sind die regelmäßigen Preiserhöhungen kontraproduktiv?

Der Nahverkehr muss attraktiv werden, keine Frage. Dazu trägt ein günstiger Tarif bei, Verteuerungen halte ich insofern für schwierig. Anderes spielt aber auch eine große Rolle: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Tempo, Komfort. Da muss die KVB ihr Angebot deutlich verbessern. Manche Linien, vor allem die 1, sind so ausgelastet, dass sie zu den Stoßzeiten keine zusätzlichen Fahrgäste mehr befördern können. Deshalb setzen wir entlastende Busse ein. Die müssen mit Vorrang fahren dürfen, wir brauchen also mehr Busspuren.

Was halten sie von den neuen Elektro-Rollern?

Was den E-Roller angeht, sehe ich zwei Schwierigkeiten. Einmal haben wir zu wenig Raum auf den Fahrradwegen. Zweitens haben die Roller wohl nur eine kurze Laufzeit. Nach einem Vierteljahr sollen sie reif sein zum Wegwerfen, das gilt auch für die Batterie. Aus Überlegungen zur Nachhaltigkeit heraus betrachte ich Elektro-Roller äußerst kritisch. Als Baustein für eine attraktive Mobilität sehe sich sie positiv.

Der Stadtrat wird demnächst die Parkgebühren erhöhen, in der Innenstadt auf vier Euro pro Stunde. Was ist mit dem Anwohnerparken, wird das auch teurer?

Die Verwaltung denkt sehr deutlich darüber nach. Die Bewirtschaftung von Parkraum ist eines der Instrumente, den Autoverkehr regeln. Es ist aber auch eine Frage der Gerechtigkeit: 30 Euro im Jahr für das Bewohnerparken, das ist ein wahnsinnig günstiger Mietpreis für den öffentlichen Raum.

Wenn die Verwaltung dem Stadtrat vor jeder Entscheidung eine Art Klimagutachten vorlegen muss, werde viele Planungen noch länger dauern als schon heute.

Natürlich macht das Planungsprozesse vielleicht ein bisschen langsamer und teuer. Aber irgendwann, hoffe ich, geht es den Planern in Fleisch und Blut über, Klimaaspekte frühzeitig zu berücksichtigen und der Politik darzustellen.

Der Mangel an günstigen Wohnungen stellt viele Kölner vor ein Problem. Wohnungsbau ist nicht ohne die Versiegelung von Flächen möglich. . .

. . . das ist tatsächlich ein Konflikt. Der Flächenverbrauch der zurückliegenden Jahrzehnte ist durch den steigende Platzbedarf jedes einzelnen beschleunigt worden. Um die Entwicklung zu bremsen, müssen wir Anreize schaffen, den vorhandenen Wohnraum so aufzuteilen, dass ihn mehr Menschen nutzen können. Die Zeit, in der wir wie in Widdersdorf relativ wenige Menschen auf relativ großer Fläche unterbringen, die wird definitiv vorbei sein.

Das Ausrufen des Klimanotstandes ist rein symbolisch zu verstehen, als Selbstverpflichtung, nicht als rechtlicher Akt.

Da möchte ich Ihnen widersprechen. Der Ratsbeschluss ist mehr als Symbolik. Wir drücken damit aus, dass wir auf eine absolute Katastrophe zulaufen. Und diese Katastrophe zu verhindern, erfordert ganz erhebliche Mittel. Freiwilligkeit ist eine gute Sache. Es reicht aber nicht mehr, sich darauf zu verlassen. Wir brauchen eine öffentliche Steuerung durch Vorschriften.

Nennen Sie dafür bitte mal ein Beispiel.

Wir könnten beispielsweise durch das Baurecht vorschreiben, wie Gärten zu gestalten sind; das heißt, wie viel Fläche unversiegelt bleiben muss.

Welche Regelungen sind für den Straßenverkehr denkbar? Autofreie Tage, Fahrverbote?

Da denke ich zum Beispiel an die City-Maut. Wer öffentliches Eigentum, und nichts anderes sind Straßen, mehr in Anspruch nimmt als der andere, der soll dafür auch mehr zahlen. Saubere Luft und gutes Klima gehören in meinen Augen ebenfalls zum öffentlichen Eigentum. Wir wollen niemandem verbieten, mit einem SUV durch die Stadt zu fahren. Aber wer das tun möchte, muss zum Ausgleich für die Folgen, die der Allgemeinheit dadurch entstehen, den entsprechenden Preis bezahlen.

Wie stellen Sie sich die City-Maut für Köln vor, so sie die Zustimmung des Rates erhielte?

Im Idealfall richtet sich die Höhe der City-Maut nach der Emissionsklasse eines Autos und nach der Zeit, in der es sich in der Stadt befindet. Dafür bräuchten wir allerdings das Mitwirken des Landes und des Bundes als Gesetzgeber. Eine Flatrate für die City-Maut würde jedenfalls nur wenig bringen. Die liefe ja nach dem Motto, einmal zahlen und dann möglichst lange ausnutzen. Wir könnten noch eine soziale Komponente einbauen: Menschen, die hier wohnen, werden durch die Gebühr weniger belastet, als Menschen, die von außerhalb kommen und durch Köln fahren.

Werden Sie einen Anlauf für die City-Maut starten?

Ich setze mich für alle intelligenten Anreize ein, die zu einem Verhalten führen, das unser Klima schützt. Dazu gehört auf jeden Fall die City-Maut. Sich um die Umwelt zu kümmern, galt lange als ideologisch behaftet, als Luxus. Ich glaube, wir erkennen jetzt, dass Klima systemrelevant ist – um mal den Begriff zu verwenden, den Politik gerne im Zusammenhang mit Banken und der Autoindustrie verwendet.

Köln ist bundesweit die größte Stadt, die den Klimanotstand ausgerufen hat. Höhere Parkgebühren, City-Maut, noch mehr Bauvorschriften: Was sollte es bringen, vorne mit dabei zu sein?

Köln könnte eine Vorzeigestadt werden, die vormacht, wie eine Metropole den Wandel gestaltet. Den Ehrgeiz habe ich. Ich halte das für eine Riesenchance. Die Stadt wird lebenswerter für alle. Wenn wir uns nachhaltig entwickeln, wird die Industrie folgen und sich fit machen für die Zukunft. Es könnte ein Geist entstehen, ein Spirit, der uns alle zusammen bringt.

Das Gespräch führte Andreas Damm  

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