Kölner Kriminalbiologe schreibt TierbücherFleischfressende Hamster und schwule Geier

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Mark Benecke

Der Kriminalbiologe Mark Benecke (Archiv)

Köln – In einem Tierbuch geht es um Tiere. Klar. Wenn es sich jedoch bei dem Autor um den weltbekannten Kriminalbiologen Mark Benecke handelt, der ein „Illustrirtes Thierleben“ vorlegt, steckt mehr dahinter. Auf die Leser warten keine drolligen Tiergeschichten umrahmt von Hochglanzfotos, die ebenso im Jahreskalender eines Tierparks auftauchen könnten. Stattdessen stellt Benecke betrunkene Elche, beschämte Hunde, rotbeinige Schinkenkäfer, nekrophile Enten oder schwule Geier und Fledermäuse vor.

Der Kölner Wissenschaftler hat gemeinsam mit der Berliner Illustratorin Kat Menschik ein ganz und gar außergewöhnliches Buch geschaffen. Das fängt mit dem ebenso sperrigen wie nostalgisch anmutenden Titel an: „Kat Menschiks & des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes illustrirtes Thierleben“. Regelrechte Kunstwerke sind die Zeichnungen von Kat Menschik. Der Einband ist liebevoll gestaltet und durch den erhabenen Prägedruck auch haptisch ein Erlebnis. „Das Buch kann man richtig streicheln“, freut sich Mark Benecke.

Gesenkter Hundeblick zeigt keine Reue

Bei der Abbildung „beschämte Hunde“ spürt man fast körperlich, wie betrübt und zerknirscht Fiffi und Struppi sind, weil sie ein Loch in den Pantoffel oder den Schuh gebissen haben. Liest man den Text dazu, blickt man selber dumm drein. Die Tiere empfinden manches, Reue und Einsicht zählen nicht dazu. „Die Hunde erkennen nur die Stimmung des Menschen und schauen passend dazu aus der Wäsche. Den niedergeschlagenen Blick haben sie nur gelernt“, erklärt Benecke. Merke: Gesenkter Hundeblick von unten, sorgt für Milde beim Schimpfenden.

17 Tiere hat der Kriminalbiologe ausgesucht, nach dem Zufallsprinzip. „Die sind mir beim Schreiben eingefallen und interessant sind eh alle Lebewesen.“ Es sind spannende, erstaunliche, einzigartige, abwegige, gruselige und lustige Geschichten über Tiere, die Benecke selber kennenlernt oder aus alten Büchern hervorgeholt hat. „Ich sammele Tierbücher, damit habe ich schon als Student angefangen. Anfangs habe ich auf Raten gekauft, für andere musste ich lange, zum Teil 20 Jahre, sparen. Jetzt habe ich alle, die ich haben wollte. Obwohl: Was heißt schon alle?“, sagt der Forensiker.

Haustiere, die ihre Besitzer fressen

Die sehr gut lesbaren Texte basieren auf Fakten. Nachzuprüfen anhand des ausführlichen Literaturverzeichnisses und der Quellenangaben. Ja, auch die Geschichten von den Pfeilstörchen, die lange Strecken mit einem Pfeil im Körper zurücklegen können, und die von den Pudelwölfen stimmen. Ebenso die Story von der Weißwedelhirschkuh, die mit einem Menschenknochen im Maul in eine Wild-Kamera blickt. Oder die von dem Hamster, der einige Bissen aus dem Körper seiner toten Besitzerin zu sich genommen hat, um nicht zu verhungern.

Dass diese Tiere eigentlich Pflanzen- und Körnerfresser sind, scheint in der Notlage keine Rolle zu spielen. Hunde, Katzen und Ratten haben ebenfalls keine sentimental geleitete Scheu, sich von ihren toten Herrchen oder Frauchen zu ernähren, wenn der letzte Krümel Tierfutter aufgefressen ist. Keine Sorge. Es gibt im Buch auch nette Begegnungen mit Glühwürmern und Kopffüßlern.

Genre der alten Tierbücher wiederbeleben

Das Buch „Thierleben“ ist für Mark Benecke eine Herzensangelegenheit. „Das Genre existiert so nicht mehr, die alten Tierbücher sind in Vergessenheit geraten. Allenfalls ist noch „Brehms Thierleben“ präsent. Dabei war das früher eine ganze Sparte, richtige Reiseliteratur mit der Beschreibung fremder Länder und den dazu gehörenden Tierwelten. Ich fände es toll, wenn man den Menschen diesen Schatz noch einmal in Erinnerung rufen könnte. Darin zeigt sich, dass die früheren Forscherinnen und Forscher ein gutes Verhältnis zu den Tieren hatten, selbst zu denen, die sie nicht leiden konnten.“

Der erwähnte Forschungsreisende und Zoologe Alfred Brehm zum Beispiel fand Krokodile „rücksichtlos und dumm“, Schafe „einfältig und höchst langweilig“ und schrieb Kamelen „eine abscheuliche Stimme und blöde Augen“ zu. „Aber er hat sie trotzdem total respektvoll beschrieben und ihnen nicht das Lebensrecht abgesprochen, wie das heute oft geschieht“, sagt Benecke. „Ich sage immer. Lasst die Tiere in Ruhe, lasst sie sein wie sie sind.“ Wer dem folgt und die Geschichte vom Silberfischchen liest, wird die Glitzertiere mit anderen Augen sehen und sie aus der privaten Ungezieferdatenbank löschen. Vielleicht.

Benecke ist Donaldist

Ganz ohne Fantasie geht es nicht. Im Prolog erinnern Autor und Zeichnerin an das Werk „Barks’ Thierleben“. Carl Barks ist der bekannteste Zeichner und Autor von Donald-Duck-Geschichten. In den Mitteilungen aus Entenhausen kamen exotische Tiere vor. Zum Beispiel der „Pfeilnäsige Erdfloh“, der „Fettgoldfisch“, oder der „Grüne Gurkenwurm. Gemeinsam kreuchen und fleuchen sie durch „Barks’ Thierleben“, erstellt von vier Mitgliedern der „D.O.N.A.L.D.“, (das steht für „Deutsche Organisation Nichtkommerzieller Anhängerinnen und Anhänger des lauteren Donaldismus“). Auch Benecke ist ein Donaldist. 

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Der Wunsch des Kriminalisten nach einer Aufwertung des alten Genres der Tierbücher könnte in Erfüllung gehen: Das „Illustrirte Thierleben“ ist unter den Top-Ten der Spiegel-Bestsellerliste, Sparte Belletristik.

Kat Menschiks & des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes illustrirtes Thierleben, Verlag Galiani Berlin, 160 Seiten, 20 Euro.

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