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Kölner LandgerichtBuchhalterin stiehlt Geld für Ex-Hells-Angels-Chef

Lesezeit 3 Minuten
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Doris B. (34, mit Verteidiger Peter Krieger) im Juni 2018 vor Gericht

Köln – Die zwei Leben der Doris B. (34, Name geändert). Im bürgerlichen Dasein macht die Mutter eines Vierjährigen nach dem Fachabitur eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin, wird hochgelobte Buchhalterin bei diversen Arbeitgebern mit Lohnsteuerkarte, Sozialversicherung und Steuernummer. Und dann die andere Seite: Ihre große Liebe macht sie zur Kriminellen. Sie wird Lebensgefährtin von Ex-Hells-Angels-Chef Serkan A. (34), der im vergangenen Jahr unter anderem wegen räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu fast sieben Jahren Haft verurteilt wird.

Die beiden lernten sich vor zehn Jahren kennen, haben einen kleinen Sohn. Seit Dienstag wird Doris B. wegen gewerbsmäßig begangener Untreue und Urkundenfälschung vor dem Landgericht der Prozess gemacht. Das zu erwartende Strafmaß bewegt sich zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Arbeitgeber vertrauten der Frau blind

Doris B. hatte über einen Zeitraum von vier Jahren bei verschiedenen Arbeitgebern auf 500 Euro Basis als Halbtagskraft gearbeitet und nebenbei während der gesamten Zeit in die Kasse gegriffen, sich so ein monatliches Zubrot von 2.000 Euro verschafft. Ihre Arbeitgeber vertrauten ihr blind, sie hatte über sämtliche Firmenkonten Vollmacht und überwies das veruntreute Geld regelmäßig auf das Konto von Serkan A., hin und wieder auch auf das eigene.

„Das war freiwillig, niemand hat mit unter Druck gesetzt“, gab die sichtlich geläuterte Angeklagte bereits zu Prozessbeginn zu. Als ein Chef mit seiner Firma in Insolvenz ging, machte er einen neuen Betrieb auf, nahm Doris B. mit, weil er so sehr auf ihre Arbeit vertraute. Und auch dort griff sie weiter in die Kasse. Insgesamt 176 Mal listet die Anklage die einzelnen veruntreuten Überweisungsposten auf.

„Mofa-Verein“ den Rücken gekehrt

Im Prozess wird deutlich, dass der Ex-Rocker A. trotz schwerer krimineller Vergangenheit und hoher Haftstrafe (die Revision steht noch aus) dabei ist, einen anderen, bürgerlichen Weg einzuschlagen. „Die Familie ist für mich das Wichtigste“, sagt er im Zeugenstand und betont, dass er inzwischen als selbstständiger Getränkeautomaten-Techniker „vollzeitbeschäftigt“ ist, also für seine Familie aufkommen kann – und noch auf freiem Fuß ist.

Aufgeflogen waren die mehrjährigen Betrügereien durch Ermittlungen gegen Serkan A.. Die Behörden dachten erst an Schutzgelderpressungen, als sie die Konten der Geschäftspartner des Rockers überprüften. Doch die Vorgesetzten der Angeklagten hatten es Doris B. offensichtlich leicht gemacht: Kamen Nachfragen von anderen Geschäftspartnern, die ausstehende Rechnungen anmahnten, zuckte Doris B. nur mit den Schultern, beschwichtigte: „Da ist was mit der Überweisung schief gelaufen.“ Die Chefs glaubten ihr und akzeptierten anstandslos eine zweite Überweisung. Kontrollen fanden so gut wie keine statt.

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„Was haben Sie mit dem Geld gemacht?“, fragt Richter Jan Orth, „Ausgegeben, aber kein Luxusleben geführt“, lautet die Antwort, Serkan A. habe „als Mann im Haus das Geld verwaltet“ und offensichtlich für „seine Spiel- und Drogensucht“ verwandt. Seit der Geburt des gemeinsamen Sohns sei aber alles anders: „Ich bin Vollblut-Mutter aus Leidenschaft“, beteuert die Angeklagte ihren Sinneswandel und wird vom Richter zurechtgerückt: „Offensichtlich nicht – ich sehe Verantwortungslosigkeit.“

Gegen Ende des ersten Verhandlungstags kommt es im Prozess zu einer Familienzusammenführung. Serkan A. kommt mit dem dreijährigen Sohn an der Hand in den Saal, spricht davon, wie sehr die zweijährige Untersuchungshaft ihm „die Augen geöffnet haben“. Mit dem „Mofa-Verein“, wie er die Hells Angels inzwischen nennt, wolle er nichts mehr zu tun haben: „Für mich steht jetzt die Familie an erster Stelle.“

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