Kölner Lehrerin„Wir haben so gut wie keine Prüfungsvorbereitung geschafft“

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Realschullehrerin Kathrin Halbach 

  • Eine Kölner Realschullehrerin berichtet über die Probleme der Zehntklässler, sich auf ihre Abschlussprüfungen vorzubereiten.
  • „Wir haben alles versucht, aber letztlich standen die Kinder zu Hause mit ihren Fragen zu den Themen ziemlich allein da“, sagt Katrin Halbach.
  • Aber sie sagt auch: „Wir haben im Prinzip faire Bedingungen – und kriegen das jetzt noch vernünftig hin“.

Köln – Alle reden vom Corona-Abitur. Der Instagram-Account von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) läuft über. Es hagelt Proteste gegen die Entscheidung der Landesregierung, die Prüfungen ab 12. Mai durchzuziehen. Am Donnerstag wird Unterricht für die angehenden Abiturienten anlaufen, früher als in anderen Bundesländern. Für Kathrin Halbach (50) ist das Abi kein Thema. Am Montag hat sie ihre Tasche gepackt und ist zum ersten Mal seit Wochen wieder in ihre Realschule im Stadtteil Mülheim gefahren. Zur Lagebesprechung.

Ab Donnerstag muss sie mit ihren Kollegen 90 Kinder auf die Abschlussprüfungen am Ende der zehnten Klasse vorbereiten. Drei Tage hat die Ferdinand-Lassalle-Schule Zeit, um 90 Kinder in Zehnergruppen auf neun Klassenräume zu verteilen, sämtliche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um dann bis zum 12. Mai den Stoff von sechs Schuljahren durchzugehen – in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik.

„Wir kriegen das jetzt noch vernünftig hin“

Die zentrale Prüfung mit landeseinheitlichen Aufgaben fällt aus und wird durch Abschluss-Klassenarbeiten ersetzt. Das hat das Schulministerium per Erlass am Freitag mitgeteilt. „Wir kriegen das jetzt noch vernünftig hin“, sagt Kathrin Halbach voller Entschlossenheit. Sie unterrichtet Mathematik, Chemie und Biologie. Mit 20 Jahren Berufserfahrung lässt sich das beurteilen. „Die Zehner kommen zu einem Drittel. Immer eine Klasse pro Etage, Tische auseinander, 1,50 Meter Abstand zueinander, versetzte Pausenzeiten.“

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Prüfung oder nicht? Bei den Zehnern stellt sich diese Frage nicht. „Bei uns gibt es keine Vor-Punkte wie beim Abitur, die in die Bewertung einfließen. In den Hauptfächern kann es deshalb ohne eine Abschlussprüfung keine gerechte Notengebung geben“, sagt Halbach.

Was sie kritisiert, ist die zögerliche Haltung der Landesregierung. „Die Minister hätten die zentrale Prüfung viel früher absagen müssen. Dann hätten wir die Schüler direkt auf die Aufgaben vorbereiten können, die wir für wichtig halten“, sagt sie.

Ohne gemeinsamen Unterricht, allein zuhause am Schreibtisch und per E-Mail den gesamten Stoff in drei Fächern aus sechs Schuljahren durchzugehen, sei schon eine „harte Nummer“ gewesen. „Wir haben natürlich versucht, den normalen Stoff weiterzumachen, den wir auch in der Schule durchgenommen hätten und immer wieder gesagt, übt weiter für die zentrale Prüfung. Wir haben die ganzen Links verschickt. Auf Youtube-Videos verwiesen. Wir waren schon froh, dass wenigstens die Lernplattformen bis Ende April kostenlos sind. Aber den ganzen Stress hätten wir uns sparen können. Die Kinder hatten richtig Angst.“

Zumal das digitale Lernen trotz allen Bemühens noch mit vielen Hürden verbunden ist. „Smartphones haben alle, das ist okay. Aber Computer, Laptops und Drucker noch lange nicht.“ Kathrin Halbach hat darauf geachtet, möglichst wenige Arbeitsblätter zu verschicken. „Die lassen sich auf einem Smartphone kaum bearbeiten.“

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Fragen, die sich im Unterricht schnell lösen lassen, erforderten bei 30 Schülern in ihrer Matheklasse viel Geduld und verursachten eine E-Mail-Flut. „Jeder hat doch andere Defizite“, sagt Halbach. „Ich hatte einen Schüler, der hatte immer wieder falsche Ergebnisse, obwohl die Rechnung in Ordnung war.“ In seiner Verzweiflung habe er ihr ein Foto seines Taschenrechners geschickt. „Er hatte vergessen, am Ende eine Klammer zu setzen. Im Unterricht hätte ich das sofort gesehen. Klammer schließen, auf »Gleich« drücken. Das war es.“

Zusatzstunden für Schüler mit schlechten Corona-Bedingungen

Einem Schüler habe sie auf Umwegen ein gebrauchtes Notebook besorgt, weil er sonst zu Hause gar nicht hätte lernen können. Gerade bei den Abschlussklassen müsse sie schon sagen, dass das eine schwierige Zeit war. „Wir haben alles versucht, aber letztlich standen die Kinder zu Hause mit ihren Fragen zu den Themen ziemlich allein da. Wir haben so gut wie keine Prüfungsvorbereitung geschafft. Wir konnten ja nicht einmal die normalen Themen der Klasse zehn fertig machen“, sagt Halbach, obwohl sie mit den Zehntklässlern in den Osterferien durchgehend in Kontakt geblieben sei.

Die Prüfungsvorbereitungen ließen sich aber bis Mitte Mai durchaus noch aufholen, so ihre Einschätzung. „Wir haben im Prinzip faire Bedingungen“, sagt Halbach. Für die Schüler, die unter die unter den Corona-Bedingungen nur schlecht lernen konnten, werde sie halt ein paar Zusatzstunden geben, falls das wegen der Hygienestandards organisatorisch möglich ist. Und der Stoff, den man wegen des Virus nicht habe vermitteln können, „wird ihr Leben mit Sicherheit nicht negativ beeinflussen“.

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