Kölner Metzger-DynastieDer Untergang der Familie Katz-Rosenthal

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Ein Foto der Familien Katz und Rosenthal von 1920.

Ein Foto der Familien Katz und Rosenthal von 1920.

Köln – Als Michael Vieten (48), Sozialpädagoge aus Bonn, 2002 in die Ehrenstraße 86 zog, ahnte er nicht, dass er Jahre später ein Buch über jenen Ort schreiben würde, den er sein Zuhause nannte.

Erst eine Nachbarin erzählte ihm von der historischen und kulturellen Bedeutung des Ortes, an dem sich Abraham Katz 1933 das Leben nahm. Vieten begann mit der Suche nach Überlebenden der Kölner Metzger-Dynastie und hielt die spannende Geschichte der Familie in seinem Buch „Ich halte Euch fest und Ihr lasst mich nicht los!“ fest.

Die Metzgerei-Kette der jüdischen Familie Katz-Rosenthal genoss großes Ansehen in der Stadt. Sie zeichnete sich durch innovative Ideen und eine kundenfreundliche Atmosphäre aus. So erzählte die heute 103-jährige Ellen Katz (das Mädchen mit der großen Schleife rechts im Bild), Abrahams Tochter, dass ihre Familie zu Ostern lebendige Lämmer im Schaufenster ausstellte. Auch gehörte sie zu den Ersten, die ein „Self-Service-Restaurant“ in Köln eröffneten. Ausgerechnet in diesem begann der Untergang der Metzgerei.

Auftakt des Untergangs

Als sogenannte „Mausaffäre“ ging der Vorfall vom 14. April 1928 in die Geschichte ein. Amateur-Boxer Jakob Domgörgen besuchte das Lokal und behauptete später, dass er in seinem Gulasch eine halbe Maus gefunden habe. Außerdem forderte er Schadenersatz von Geschäftsführerin Rosa Rosenthal, weil er nach dem Vorfall nicht mehr in der Lage sei, seinem Beruf als Boxer nachzugehen.

Was zunächst als einfacher Gerichtsstreit begann, entwickelte sich zum medienwirksamen Propaganda-Skandal für die antisemitische Zeitung „Westdeutscher Beobachter“, der titelte: „Die Juden sind unser Unglück“. Während sich das Unternehmen vehement gegen die Vorwürfe wehrte, startete die Zeitung eine Hetzjagd gegen die Katz-Rosenthals.

Auch die Nazis grölten Propagandaparolen vor den Häusern der Familie und belästigten und verängstigten Kunden, Nachbarn und die Familie selbst. Die juristische Auseinandersetzung endete zunächst mit einer Niederlage des Geschäfts. „Katz-Rosenthal musste beweisen, dass sie unschuldig waren“, erklärte Vieten. Die Revision, die sie zwei Jahre später gewannen, wurde von der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen. Der Ruf der Familie war durch den „Westdeutschen Beobachter“ beschädigt worden.

Boykott ruinierte ganze Familie

Fünf Jahre nach dem inszenierten Skandal sorgte der Boykott jüdischer Geschäfte zur Zerstörung und Vertreibung der Familie Katz-Rosenthal. Nationalsozialisten hatten offiziell dazu ausgerufen, Geschäfte, Warenhäuser, Kanzleien und Arztpraxen von Juden zu meiden. Die Metzgereien der Familie wurden zudem mit weniger und minderwertigeren Waren beliefert als die deutsche Konkurrenz. SA-Männer beschmierten die Schaufenster und hinderten Kunden am Eintritt in die Läden.

Außerdem wurden die Menschen, die sich noch in jüdische Geschäfte wagten, fotografiert und in öffentlichen Kästen als Volksverräter zur Schau gestellt. Der Untergang seines Unternehmens und die Zerstreuung und Flucht seiner Familie war zu viel für den Familienvater Abraham. Während einige Familienmitglieder ins Ausland flohen, nahm sich „Abba“ ein halbes Jahr nach dem Boykott das Leben.

Das Buch soll zum 90. Jahrestag an die „Mausaffäre“ vom 14. April 1928 und zum 85. Jahrestag an den Laden-Boykott vom 1. April 1933 erinnern. Das Werk entstand in enger Zusammenarbeit mit Enkeln und Urenkeln der Familien Katz und Rosenthal. Rudolf Katz, der maßgeblich an der Finanzierung beteiligt war, verstarb, bevor das Buch veröffentlicht werden konnte.

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