Kölner Mittelstraße in der Krise„Wir haben zehn Prozent Leerstand“

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Leerstand auf der Mittelstraße

Köln – „Die Mittelstraße ist eine der Topstraßen des Kölner Einzelhandels. Sie zeichnet sich durch ihre Boutiquen und anspruchsvollen Geschäfte aus.“ – „Vor allem Anbieter von Mode, Schmuck, Accessoires und Schuhen schöpfen den besonderen Charme der 1a-Lage aus.“ – „Toplage mit gehobenem Preisniveau.“ So beschreiben Immobilienportale die Mittelstraße. „Upper Class Shopping“ sei hier möglich, schrieb vor einigen Jahren die „Bunte“. Doch die Realität sieht ganz anders aus.

Geht man die rund 250 Meter vom Rudolfplatz bis zur Apostelnkirche, zählt man sechs Leerstände. Fenster sind zugeklebt, zu sehen sind nur Maklerschilder mit Telefonnummern. Auch der große Tesla-Showroom ist leer. In zwei Ladenlokalen wird ein nicht näher bezeichnetes „Coming Soon“ angekündigt.

Handyladen auf der Kölner Mittelstraße

Zwei Läden werden derzeit umgebaut. Zwei Modeläden haben mitten am Tag geschlossen, eines unkommentiert, in einem anderen hängt ein handgeschriebener Zettel: „Liebe Kunden, leider haben wir vorübergehend montags und dienstags geschlossen.“ Im unteren Straßenabschnitt Richtung Rudolfplatz hat ein Handyladen aufgemacht, weiter oben ein Cosplay- und Manga-Store – Branchen, die hier früher undenkbar waren.

Alles zum Thema Schildergasse

Der Glanz der Mittelstraße verblasst. Juwelier Arnd Böcking, Inhaber der gleichnamigen Goldschmiede und Geschäftsführer der kleinen Interessengemeinschaft, hat deshalb einen Brief an die Oberbürgermeisterin geschrieben. „Die Frequenz auf der Straße ist dramatisch eingebrochen, der Leerstand beträgt zehn Prozent“, heißt es da. Er sieht eine der Ursachen in der Neuregelung des Verkehrs zugunsten der Radfahrer.

Kunden der Kölner Mittelstraße kommen mit dem Auto

Die Kunden der Mittelstraße kämen eher mit dem Auto – und fänden nun kaum noch in die Straße oder die Parkhäuser. Ebenso beklagt er Schmutz und ungepflegte Straßen – und die zahlreichen Obdachlosen. „Das hält mittlerweile viele Konsumenten im hochwertigen und Luxusbereich davon ab, in die Innenstadt zu fahren.“ Er habe sein Werbebudget vervierfachen müssen. Andere hätten aufgegeben und seien gegangen.

Ein anderes Problem benennt er im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber auch: Die Mieten seien einfach zu hoch. Die Häuser gehörten überwiegend nicht Kölnern, sondern internationalen Immobilienfonds. „Die haben keinerlei Beziehung zu dieser Straße.“

Dem stimmt auch Annett Polster, Geschäftsführerin von Stadtmarketing Köln, zu. Die seit geraumer Zeit sichtbaren Veränderungen auf der Mittelstraße hätten vielschichtige Gründe, unter anderem veränderte Eigentumsverhältnisse der Immobilien oder neuen Verkehrsführungen in der Innenstadt. „Schlüsselakteure für eine Neuausrichtung sind dabei auch in dieser Handelslage die Immobilieneigentümer. Es gibt Beispiele, dass gute Geschäfte wegziehen, da durch einen Eigentümerwechsel die Mieten stark anziehen. Das passt in der heutigen Zeit nicht mehr zu den meisten Handelskonzepten.“

Kölner Immobilienbesitzer in der Pflicht

Auch Hans-Günter Grawe, Handelskümmerer der Kölner Werbe- und Interessengemeinschaften, sieht eine große Verantwortung bei den Vermietern: „Ohne die Immobilienbesitzer geht es nicht. Sie haben einen hohen Anteil daran, wie sich Einkaufsstraßen entwickeln. Leerstände machen die Lage noch schlimmer, weil sich dann niemand mehr um das Umfeld kümmert.“

Auf der Schildergasse und der Hohe Straße beteiligen sich bereits viele Hausbesitzer an der Neuausrichtung. Gemeinsam mit der Stadt, Geschäftsinhabern und einem Stadtplanungs-Fachbüro wurde das „Leitbild Handelslagen“ entwickelt, das beschreibt, wie die Einkaufsstraßen zukünftig aussehen sollen. Da geht man auch ungewöhnliche Wege – so entsteht zum Beispiel auf der Schildergasse im ehemaligen Kämpgen-Gebäude eine Boulderhalle. Immer mehr Pop-up-Stores werden eingerichtet – zuletzt von Tchibo auf der Schildergasse.

Frank Wenzel ist Sprecher der Initiative und Geschäftsführer der Kapitalverwertungsgesellschaft Aachener Grundvermögen, die mehrere Immobilien auf den Einkaufsmeilen hat. Weil sie verhindern wollen, dass der Wert ihrer Immobilien verfalle, seien viele Eigentümer bereit mitzumachen. „Am Ende des Tages“ rechne es sich, nicht nur auf den schnellen Gewinn durch hohe Mieten zu achten.

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Das ist ein langwieriger Prozess. Eine der ersten Aktion der Initiative startet in diesem Monat: Auf der Schildergasse und der Hohe Straße eröffnet Kölns größte Kunstgalerie. In Schaufenstern leerstehender Ladenlokale werden Kunstwerke gezeigt. Vielleicht ist das ja auch eine Idee für die Mittelstraße – mit ein bisschen zusätzlichem Bling-Bling.

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