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Kölner NotgeldAls ein Liter Milch 280.000 Mark kostete

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Köln – Es sind Überbleibsel einer dramatischen Zeit, die Robert Schwienbacher behutsam aus rotem Tuch auspackt. Sechs rechteckige Platten aus Stahl und zwei aus Kupfer kommen zum Vorschein. Was da zum Vorschein kommt, sind Druckvorlagen für Kölner Notgeld aus dem Jahr 1923.

Mit ihnen wurden Geldscheine im Wert zwischen 100 Milliarden und 150 Billionen Mark hergestellt – pro Schein. Immense Summen, aber viel kaufen konnte man sich damit zu keiner Zeit. 1923 galoppierte im Deutschen Reich die Inflation. Nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen Materialschlachten war der Staat heillos überschuldet und brachte immer mehr Geld in Umlauf. Frankreichs Besetzung des Ruhrgebiets beschleunigt die Inflation zusätzlich.

Geldentwertung nahm absurde Formen an

Die Geldentwertung nahm absurde Formen an. Kostete Ende Juli 1923 ein Liter Milch 3600 Mark, lag der Preis Ende August bei 280 000 Mark. Wer Geld bekam, gab es wegen der nahezu stündlichen Entwertung sofort wieder aus. Der Schwarzmarkt blühte, Vermögen wurden vernichtet. 190 000 Kölner waren Mitte Oktober 1923 arbeitslos.

Weil der Staat mit dem Gelddrucken nicht nachkam, wurden die Städte aktiv. In Köln bekamen 1923 die Druckereibetriebe Marcus DuMont Schauberg und Johann Peter Bachem den Auftrag, Notgeld zu drucken. Die Scheine trugen die Unterschrift von Oberbürgermeister Konrad Adenauer.

Schätze im Stadtmuseum präsentiert

Robert Schwienbacher ist Vorsitzender des Instituts für Festungs-Architektur Crifa, das sich vor allem um preußische Forts kümmert und auch ein Museum zum Thema betreibt. Die Notgeld-Druckvorlagen, die der Erbe einer umfangreichen historischen Sammlung dem Verein überlassen hat, passten nicht recht in das eigene Museumskonzept, sagt Schwienbacher. Deshalb ist der 53-Jährige an diesem Vormittag ins Kölnische Stadtmuseum gekommen, um seine Schätze zu präsentieren.

Michael Euler-Schmidt, stellvertretender Museumsdirektor, und Rita Wagner, Leiterin der Grafischen Sammlung, sind spontan begeistert, als Schwienbacher das gut erhaltene Alt-Metall enthüllt. „Wir haben die passenden Scheine dazu“, sagt Wagner und kramt einen „Gutschein über 25 Billionen Mark“ aus den Museumsbeständen hervor. Auch ein 20-Millionen-Mark-Schein aus dem Fundus passt exakt zu einer der Platten. Für die ständige Ausstellung, die schon jetzt Notgeld zeigt, wären die Platten mit den dazu gehörigen Scheinen eine feine Sache, sind sich beide einig: „Das würde den Herstellungsprozess begreiflich machen.“ Zumindest zwei oder drei Platten könnten gezeigt werden. Aber interessiert sind Wagner und Euler-Schmidt an der kompletten Sammlung.

Es sind Zeit-Dokumente

Viel wert sind weder Scheine noch Kupferstiche. Das Museum würde deshalb für die acht Druckvorlagen nicht mehr als einen symbolischen Betrag zahlen. „Aber es sind Zeit-Dokumente“, so Euler-Schmidt: „Es ist überraschend, was nach all der Zeit noch aus den Kellern zum Vorschein kommt.“ Aus welchem Keller genau die Platten stammen, will Schwienbacher nicht verraten. Der ehemalige Besitzer sei jedoch seriös, versichert er.

Schon während und nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Köln Notgeld gedruckt, weil immer wieder das Münzgeld knapp wurde. Anfang der 1920er Jahre gab es kunstvoll gestaltete Scheine aus Köln, die die Stadtsoldaten, die Heinzelmännchen und den Dombaumeister zeigten. Ab 1922 führte dann ein plötzlicher Wertverlust der Mark zu einer neuen Krise bei der Versorgung mit Zahlungsmitteln.

Die Zahlen auf dem Papier wurden größer, vorerst durften die Städte aber maximal 1000-Mark-Scheine herausgeben. Doch im Sommer 1923 stürzte die Mark ins Bodenlose. Am 4. August kamen die ersten Noten mit bis zu 500-Millionen-Mark-Aufdruck auf den Markt. Mit maximal 100 Billionen war in Köln am 1. November 1923 der Höhepunkt der Inflation erreicht. Schwienbachers 150-Billionen-Druckvorlage dürfte deshalb nicht mehr zum Einsatz gekommen sein. Im Laufe des Jahres 1924 war es dann vorbei mit der gigantischen Abwertung, die die Wirtschaft größtenteils lahmlegte: Mit einem Wechselkurs von eins zu einer Billion wurde die wertstabilere Rentenmark eingeführt. Die Inflations-Scheine sind heute für wenig Geld zu bekommen, im Internet kosten sie nur ein paar Euro.

Um das große Geld geht es auch Robert Schwienbacher und seinem Verein nicht. Ihm sei vor allem wichtig, dass die Kölner Druckvorlagen gut untergebracht sind und ausgestellt werden. Deshalb wird man sie wahrscheinlich bald in den Vitrinen des Stadtmuseums bewundern können: „Ich denke, es wird darauf hinaus laufen, dass wir die Platten dem Museum überlassen.“

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