Kölner OldtimerDer Mercedes, der eine bewegte Vergangenheit hinter sich hat

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Georg Arnoldy ist stolz auf seinen rechtsgelenkten „Konrad“. Der schwarze Lack wurde während der Restauration in mehreren Schichten aufgetragen.

Georg Arnoldy ist stolz auf seinen rechtsgelenkten „Konrad“. Der schwarze Lack wurde während der Restauration in mehreren Schichten aufgetragen.

  • Georg Arnoldys Mercedes hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich.
  • Es war purer Zufall, der den Kölner Zahnarzt vor eineinhalb Jahren zu dem schwarzen Mercedes 220 S führte.
  • Ein Auto, das sich in den 1950er Jahren nur wohlhabende Menschen leisten konnten und das auch in Südafrika lange Zeit in exponierter Stellung unterwegs war.

Köln – Dieses Auto wurde zwei Mal gebaut. Einmal in Deutschland und einmal in Südafrika – im Abstand von nur wenigen Monaten. Hintergrund ist ein Blutbad, das im März 1960 südafrikanische Polizisten an schwarzen Demonstranten anrichteten.

Der Mercedes von Georg Arnoldy geriet damals in den Strudel dieses schrecklichen Kapitels Weltgeschichte. Es war purer Zufall, der den Kölner Zahnarzt vor eineinhalb Jahren zu dem schwarzen Mercedes 220 S führte – ein Auto, das sich in den 1950er Jahren nur wohlhabende Menschen leisten konnten und das auch in Südafrika lange Zeit in exponierter Stellung unterwegs war.

Deshalb habe ich ihn:

In meinem Beruf engagiere ich mich seit geraumer Zeit für die Hilfsorganisation „Zahnärzte ohne Grenzen“, die im südlichen Afrika humanitäre und medizinische Arbeit leistet. Auf einem Flug nach Südafrika habe ich einen deutschen Architekten aus Paderborn kennengelernt. Er erzählte von sich und seinen Büros in Paderborn, Windhoek und Kapstadt. Und er erzählte mir von seiner privaten Sammlung historischer Mercedes-Automobile, die ich mir gerne einmal ansehen könne.

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Der Mercedes-Benz 220 S

Baujahr: 1959, Hubraum (ccm): 2200, PS: 100, Zylinder: 6, km/h (max.): 160, Verbrauch: ca. 20 l, Gebaute Exemplare: 55 000 Neupreis: 12500 DM

Als Resultat meines Besuchs habe ich ihm den Mercedes 220 S abgekauft, da mich die Geschichte dieses Autos vom ersten Augenblick an begeisterte. Auto-Fan war ich ohnehin schon immer. Mit einem pink lackierten VW-Käfer fing es in meiner Studentenzeit an. Über meinen Bruder, einen echten Oldie-Freak, ist der Funke früh auf mich übergesprungen. Der Mercedes stammt aus der diplomatischen Fahrzeugflotte der südafrikanischen Regierung in Pretoria.

Wie die Wagenpapiere belegen und der Vorbesitzer erzählte, wurde der Wagen bei Daimler im August 1959 als einer der letzten seiner Baureihe montiert und sollte nach Südafrika verschifft werden. Die dortige Regierung brauchte ihn für ihren Fuhrpark. Dann kam es zum Massaker von Sharpeville, wo Anfang 1960 die weiße südafrikanische Polizei 69 demonstrierende Schwarze erschoss. Die Folge waren die UN-Sicherheits-Resolutionen 134 und 1761, die Südafrika ultimativ zur Abschaffung der Apartheid aufforderten.

Auch erste Maßnahmen eines Embargos folgten. Für Daimler als deutschem Nobelkarossenhersteller, dessen eigene Geschichte im Dritten Reich auch alles andere als rühmlich war, war die bestellte Lieferung an die südafrikanische Regierung in dieser Situation natürlich heikel. Mercedes reagierte, indem man die insgesamt zehn bestellten Autos in Kisten verpackte, sie als Maschinenteile deklarierte und sie über Bremerhaven nach Port Elizabeth/Südafrika verschiffte. Hier bauten Monteure die Limousinen wieder zusammen. Es ist ein 60 Jahre altes Auto, das Zeitgeschichte geschrieben hat. Das ist viel mehr als nur ein alter Wagen.

Das kann er:

Cruisen, einfach entspannt in einem Meer aus weichem Lederpolster durch die Landschaft gleiten. Der Wagen hat eine Federung, die auch heute noch höchsten Ansprüchen genügt, sie schluckt jedes Schlagloch, jede Bodenwelle. So ein beeindruckender Wagen zieht natürlich viele Blicke auf sich. Ob an Rastplätzen, in der Kölner Innenstadt oder an Tankstellen – immer wieder kommen Menschen auf mich und den Benz zu.

Der Wagen begeistert, fasziniert, entführt in eine Zeit des Wirtschaftswunders. Eine Zeit, die heute häufig glorifiziert wird, die aber sicher auch ihre Schattenseiten hatte. Beim Anblick der Limousine interessiert das aber niemanden. Man kann das Leuchten in den Augen und das Lächeln im Gesicht der Menschen sehen. Die Wirtschaftswunder-Zeit hat dem 220 S auch zu seinem Namen verholfen. In unserer Familie heißt er Konrad, frei nach dem rheinischen Bundeskanzler Konrad Adenauer, der ja auch in einer Mercedes-Limousine chauffiert wurde.

Das kann er nicht:

Motoren, die in den 1950er Jahren gebaut wurden, haben nach heutigen Maßstäben einen Verbrauch, für die jeder „Fridays for Future“-Aktivist einen lynchen würde. Ich habe zwar den Benzinkreislauf optimal einstellen lassen. Doch viel sparsamer ist der Benz dadurch leider nicht geworden.

Gewöhnungsbedürftig ist auch das Lenkverhalten. Der Wagen kommt aus einer Zeit, in der Worte wie „Lenkkraftunterstützung“ und „Servolenkung“ nicht erfunden waren. Ich bin noch nie einen Panzer gefahren. Doch ich glaube, ein Leopard 2 hat ein ähnliches Lenkverhalten wie ein Ponton 220 S.

Das habe ich für ihn getan:

Der Wagen wurde 2001 aus Südafrika zurück nach Deutschland verfrachtet. Damals, vor 20 Jahren, wurde der Mercedes innen wie außen komplett, auch technisch, restauriert. Inklusive Mehrschichtlackierung. Anschließend ging er in eine private Sammlung und wurde dort ständig gewartet und gepflegt. Ich habe in der Zeit, in der ich den Wagen besitze, lediglich eine neue Benzinpumpe einbauen lassen und den Vergaser reinigen und neu einstellen lassen.

Das haben wir erlebt:

An einer Tankstelle in Brühl kam eine nette ältere Dame auf mich zu und fragte, ob ich Englisch spräche. Da Englisch die einzige Fremdsprache ist, die ich einigermaßen gut beherrsche, kamen wir schnell ins Gespräch. Da der Wagen ein Rechtslenker ist und ein südafrikanisches Hoheitszeichen an der Heckklappe trägt, fragte sie, ob ich Südafrikaner sei, so wie sie.

Sie erzählte, dass ihre Schwester seit fast 20 Jahren in Köln lebe und sie sie zum ersten Mal besuche. Wir fanden uns spontan so sympathisch, dass ich ihr eine kurze Fahrt in Konrad anbot, anschließend haben wir uns das Brühler Schloss angeguckt. Ich glaube, diesen Tag hat sie ebenso wenig vergessen wie ich.

Das haben wir vor:

Meine Frau und ich lieben die Bodensee-Region. Deshalb wollen wir mit dem Mercedes unbedingt nach Meersburg fahren. Es wäre nicht das erste Mal, dass wir mit einem Oldie dort Urlaub machen. Genauer gesagt im „Strandhotel zum Wilden Mann“, ein Hotel direkt am See mit einer alten und authentischen Einrichtung aus den 1950er Jahren.

Hier wurde, wenn überhaupt, nur sehr behutsam renoviert. Und da passt Konrad genau hin. Vor zwei Jahren waren wir mit einem Volvo Amazon dort und die Touristen haben Schlange gestanden, um von sich, dem alten Haus und dem Wagen davor Fotos zu machen. Wir standen daneben und haben dabei viel Spaß gehabt.

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