Kölner Pfarrer„Ich wünsche mir, dass wir realisieren, Minderheit zu werden“

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Thomas Frings ist Pfarrer in der Innenstadt

Thomas Frings ist Pfarrer in der Innenstadt

Köln – Thomas Frings, geboren 1960, ist Priester des Bistums Münster. 2015 legte er sein Amt als Pfarrer in einer Münsteraner City-Pfarrei nieder und begründete den Schritt unter anderem in dem Bestseller „Aus, Amen, Ende? So kann ich nicht mehr Pfarrer sein“. Nach einer Auszeit in einem niederländischen Kloster kam er ins Erzbistum Köln, wo er seit 2018 in der Großpfarrei Innenstadt wirkt.

Herr Frings, wie kompliziert ist Ostern für einen Pfarrer?

Ich weiß ja, was kommt. Das ist das Gute an unseren Feiertagen. Die Kar- und Ostertage sind allerdings schon eine Herausforderung: besonders im Ablauf, anspruchsvoll im Inhalt.

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Weil es um so etwas Unglaubliches geht wie die Auferstehung von den Toten? Erlebt hat so etwas ja noch niemand.

Mir wird immer deutlicher, dass genau das unsere Antwort im Glauben ist. Karfreitag ist den Menschen heute als „Feiertag“ immer schwerer zu vermitteln. Es geht an diesem Tag darum, dass jemand stirbt. „Ja gut“, sagen die Leute, „das müssen wir alle. Sollen doch die Christen machen, was sie wollen, aber warum müssen alle anderen sich danach richten?“

Das ist in der Tat nicht ohne Weiteres erklärbar. Mit dem Osterfest ist es etwas anderes. Alles im Leben, was uns Menschen nicht logisch ist, kleiden wir in die Form des Festes. Bestes Beispiel: Hochzeit. Ein großes Fest, weil das, was gefeiert wird, nicht „vernünftig“ ist. Es geht um etwas, was uns selbst übersteigt.

So wie die Auferstehung?

Selbst Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Gedanken an Auferstehung haben, sagen oft: „Eine Hoffnung auf Leben habe ich aber doch.“ Diese Hoffnung wird eben mit einem großen Fest begangen. Das ist etwas Gutes, etwas sehr Menschliches – und übrigens religionsübergreifend.

Sie behaupten im Titel Ihres neuen Buches: „Gott funktioniert nicht.“ Was soll dieser seltsame Satz bedeuten?

Wer mit Gott rechnet im Sinne einer Berechenbarkeit, der verrechnet sich. Ich glaube, dass viele Menschen deshalb mit Gott abschließen, weil er sich ihren Wünschen, Ansprüchen und Berechnungen nicht fügt, wenn es für sie in den Nöten des Lebens darauf angekommen wäre.

Das Buch

„Gott funktioniert nicht. Deswegen glaube ich an ihn“ von Thomas Frings, Herder Verlag, 192 Seiten, 20 Euro.

Wie reagiert Gott denn dann überhaupt, auch jenseits der Not?

Das festzustellen, ist etwas sehr Persönliches, Individuelles. Aber der letzte Halbsatz Ihrer Frage ist wichtig: jenseits der Not! Wer Gott nur als Notnagel versteht, wird ihm nicht gerecht, aber auch sich selbst nicht. Wer dagegen im ganzen Leben nach Gott sucht, gibt ihm viel mehr Möglichkeiten, dass er sich finden lässt.

Aber sagt nicht die gesamte Religionsgeschichte, dass der Glaube an Gott sich an den Grenzen des Lebens bewähren muss?

Für mich kommt Gott ausdrücklich ins Spiel, wo ich an meine Grenzen gerate oder wo andere bei mir an Grenzen stoßen. Das ist der Fall bei den entscheidenden Lebensthemen: Liebe, Schuld und Tod. Können wir einander immer so viel Liebe geben, wie wir brauchen? Ich würde sagen, nein. Können wir jeden unserer Fehler, durch den andere zu Schaden gekommen sind, wiedergutmachen? Offenkundig nein. Und können wir der Unausweichlichkeit des Todes entgehen? Ganz sicher nicht. Gegen dieses dreifache Nein steht das Ja Gottes. Er wird mich nicht vor dem Tod retten. Aber ich glaube, dass er mich im Tod rettet. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

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Was ist Ihr Osterwunsch 2019?

Vor kurzem ist in Köln der Anteil der Kirchenmitglieder – katholischer und evangelischer zusammen – auf unter 50 Prozent gesunken. Ich wünsche mir, dass wir realisieren, Minderheit zu werden. Vor 50 Jahren haben die Kirchen in vielerlei Hinsicht das Leben der Menschen gestaltet. Heute stellen die Menschen sie infrage.

Was folgt daraus?

Wir müssen als Minderheit lernen, von unserem Glauben anders zu sprechen als zu einer Zeit, in der mehr oder weniger alle ihn teilten. Fromme Floskeln überzeugen niemanden mehr. Sie gefährden viel mehr als früher die christliche Botschaft und die Glaubwürdigkeit der Kirche.

Wir müssen in der Verkündigung nach zusätzlichen neuen Formen suchen. Ich persönlich kann mit dem Tradierten viel anfangen, gehöre damit aber zu einer bald schon exklusiven Minderheit, selbst in der Kirche. Doch ich habe die Hoffnung, dass die Botschaft von Ostern eine ist für die ganze Welt!

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