Kölner Priester„Ich hoffe wir merken, dass nicht alles in unserer Hand liegt“

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Auch die Kirche wird durch die Corona-Krise massiv verändert.

  • Auch für Priester ist seit Corona nichts, wie es war. Die Karwoche, Ostern und bald die Erstkommunion – das alles fällt als gemeinsame Feier aus oder wird verschoben.
  • Wir haben einen Pastor nach seinem Alltag in der Krise gefragt.
  • In seinem Gastbeitrag sagt Karl-Josef Windt: „Es wäre schön, wenn es auch nach der Krise wieder menschenwürdiger zugeht, das das Wertschätzende des Anderen wieder mehr in den Vordergrund tritt.“

Köln – Ich bin seit mehr als dreißig Jahren Pfarrer und erstmals in einer Art Homeoffice. Obwohl ich ein sehr kommunikativer Mensch bin, bin ich zur Zeit von meiner Gemeinde isoliert. Der persönliche Kontakt zu den Menschen liegt mir sehr am Herzen, die Seelsorge. Jetzt werde ich weitgehend reduziert auf Home-Exerzitien. Das ist eine Durststrecke, die nicht nur für mich, sondern auch für uns als Kirche, als Pfarrgemeinde sehr schwierig ist.

Mein Tagesablauf ist geregelt, ich stehe immer früh auf. Alles ist jetzt sehr entschleunigt. Auch wir Priester stecken ja sonst oft in so einem Hamsterrad. Der ganze Tag ist durchgetaktet. Das gibt mir jetzt Gelegenheit zu einer geistlichen Besinnung und Erneuerung. Durch Gebet und Meditation – das geht ja sehr gut zu Hause.

Ostern online

Ich bete, ich lese und komme zu Sachen, für die ich sonst keine Zeit habe. Dinge sortieren, den Schreibtisch neu ordnen. Vieles verlagert sich auf Telefonate oder E-Mails. Gottesdienste sehe ich mir jetzt täglich auf der Domradio-Internetseite an. Aber das ist schon schwer, wenn man wie ich etwa acht bis zehn Gottesdienste pro Woche mit der Gemeinde feiert, und jetzt praktisch auf Null gefahren wird. Für mich gehört bei einem Gottesdienst auch die Gemeinde dazu. Natürlich geht das auch nur mal mit der Küsterin und dem Organisten, aber es fehlt das Lebendige. Das ist alles sehr, sehr bescheiden. Allein in der Kirche zu feiern, oder auch in der Wohnung. Das wir so wichtige Termine wie die Kar- und Ostertage nicht mit der Gemeinde feiern können, ist sehr schmerzhaft.

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Wir haben die Palmweihe als Stream auf unsere Homepage gesetzt. Auch zur Osternacht werden wir ein Video machen und es dann Ostersonntag ins Netz stellen. Aber das reduziert sich auf die Weihe der Osterkerzen. Alles andere wie auch das Osterfeuer entfällt. Da sollen die Menschen zumindest Osterkerzen erhalten – die können Sie sich in den Kirchen abholen.

Kölner Priester vermisst das Singen

Was mir auch sehr fehlt, ist das Singen, ich singe total gerne. Gott sei Dank gibt es die ganzen Lieder aus dem „Gotteslob“ ja heutzutage im Netz. Da höre ich mir dann öfter welche an und singe oder pfeife mit. Aber zu Hause singen, ist eben nicht dasselbe wie in einer vollen Kirche. Meine Lieblingslieder sind „Wohl mir, dass ich Jesum habe“ von Bach, und der „Canon“ von Pachelbel.

Das Bistum hat festgelegt, dass bis Pfingsten alle Erstkommunionen ausgesetzt werden. Viele hatten da schon mit gerechnet. Ich habe den Eltern einen Brief geschrieben, dass wir nicht wissen, ob wir das dann vor oder erst nach den Sommerferien nachholen können. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben – wir werden schön Erstkommunion feiern. Natürlich sind vor allem die Kinder enttäuscht, aber ich traf eine Mutter beim Einkaufen, und die war ganz entspannt – wir müssen jetzt das Beste draus machen.

Beerdigungen sind nicht flexibel

Beerdigungen kann man nicht aufschieben. Ich hatte schon einige Beerdigungen, nur im allerengsten Familienkreis und nur draußen. Vor der Trauerhalle habe ich dann einen kleinen Gottesdienst gefeiert. Zum Grab gehen, ohne zu kondolieren wie sonst, das ist schon sehr traurig.

Auch die Trauerbegleitung, die Kondolenzgespräche, kann ich nur per Telefon erledigen. Das ist sehr störend, dass es nicht möglich ist, dem Anderen dabei in die Augen zu schauen oder vielleicht tröstend eine Hand zu halten. Dass es nicht möglich ist, jemanden in den Arm zu nehmen. Trotzdem bemühen wir uns, auch in diesen schweren Zeiten die Beerdigungen würdevoll zu gestalten.

Kölner Prieser: Nicht alles liegt in unseren Händen

Und die Hauskranken, die ich sonst regelmäßig mit der Heiligen Kommunion besuche, habe ich angerufen. Gefragt, wie es ihnen geht, ob sie versorgt sind. Können wir sie mit Einkäufen oder ähnlichem unterstützen? Wir haben in der Gemeinde Leute, die sich bereit erklärt haben, auch für ältere Menschen einkaufen zugehen. Dieses Zusammenrücken, soweit das möglich ist, sollte in schwierigen Zeiten auch ein Zeichen sein für eine gute Gemeinschaft in der Gesellschaft. Diese Solidarität, die man jetzt spürt. Ich wünsche mir, dass das auch über die Corona-Krise hinaus geht. Dass die Leute merken, es ist nicht alles machbar, es ist nicht alles grenzenlos.

Dass nicht immer alles in unseren Händen liegt. Dass auch die Beziehung zu Gott, die wir in den Pfarrgemeinden leben, wichtig ist. Wir haben uns im Seelsorgeteam mal gefragt, was der Herrgott uns mit dieser Krise sagen will. Sie ist vielleicht keine Prüfung Gottes, aber sie sollte uns schon zum Nachdenken bringen. Das Zusammenrücken beispielsweise auch im Bundestag, wo auf einmal Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Wir sollten unsere Lehren aus der Krise ziehen. Freundschaft und Familie zählen auf einmal wieder viel mehr.

Es wäre schön, wenn es auch nach der Krise wieder menschenwürdiger zugeht, das das Wertschätzende des Anderen wieder mehr in den Vordergrund tritt. Man merkt, wie unwichtig mache Dinge werden. Wir können Ballast abwerfen, Wesentliches vom Unwesentlichen trennen. Isoliert zu sein, ist schon schwierig, besonders für Ältere. Meine Mutter ist 92 und lebt seit fast einem Jahr in einem Seniorenheim in Sürth. Die kann ich im Heim nur telefonisch erreichen, höchstens mal von der Straße winken. Das ist sehr schwer. Was schön ist, ist dass Leute anrufen und fragen, wie es mir geht. Da merkt man, dass der Mensch zählt. Der Zusammenhalt sollte uns Mut machen. Das Interesse am Mitmenschen sollte bleiben und sich vertiefen, das würde ich mir wünschen. Und dass die Menschen den Lebensmut nicht verlieren – an diesem so ungewöhnlichen Osterfest in schwierigen Zeiten.

www.rheinbogen-kirche.de

Aufgezeichnet von Stefan Worring 

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