Kölner Schulpsychologin„Wahl der falschen Schulform kann gravierende Folgen haben“

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Schule SYMBOL DPA 070922

Für viele Viertklässler steht im kommenden Jahr eine wichtige Entscheidung an.

Köln – Das neue Schuljahr ist jetzt erst knapp einen Monat alt. Trotzdem richtet sich der Blick der Eltern von Viertklässlern schon jetzt auf den Übergang auf die weiterführende Schule. Im Herbst sind die ersten Beratungsgespräche in den Grundschulen und die Kölner weiterführenden Schulen stellen sich an den Tagen der offenen Tür vor. Viele Eltern sind sich unsicher, welche Schulform sie wählen sollen. „Der Beratungsbedarf ist hoch“, konstatiert Lena Scheel, Schulpsychologin bei der Stadt Köln. Daher hat die Stadt eine digitale Beratungsveranstaltung aufgelegt. Gleichzeitig gibt es für Kölner Familien auch die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Einzeltermins von einer Schulpsychologin beraten zu lassen.

Überforderung mit Konsequenzen

Im Nachhinein falsche Schulformentscheidungen hätten für Kinder oft gravierende Folgen, weil sich dauerhafte Unter- und vor allem auch Überforderung auswirkten. In der Einzelberatung habe sie dann häufig mit den Folgen zu tun, berichtet Scheel. Manche Kinder verlören ihre Lernfreude, zögen sich traurig zurück oder würden durch störendes und aggressives Verhalten auffallen. Andere entwickelten Bauch- und Kopfschmerzen.

Scheel

Schulpsychologin Lena Scheel.

Auf ihrem Weg zu einer Entscheidung gibt sie den Eltern vor allem einen Rat: „Es ist wichtig, den Blick umzuschwenken.“ Oft liege der Fokus der Eltern stark auf dem Abschluss, der auf der jeweiligen Schulform erzielt werden kann. Dabei sei das System sehr durchlässig: „Egal welche Schulform ich wähle, mein Kind kann trotzdem später Abitur machen.“ Auch von der Realschule und sogar von der Hauptschule führen Wege zum Abitur. Ein solcher Blickwechsel nehme den Druck.

„Weg von den eigenen Erwartungen“

Wichtig sei außerdem zu versuchen, „den Blick weg von den eigenen Erwartungen darauf zu richten, wie ich mein Kind erlebe.“ Sie ermutigt, das Kind zu beobachten im Hinblick auf Motivation, Konzentrationsfähigkeit und Lern- und Arbeitsverhalten. Viele Eltern unterschätzten diese Faktoren. Sie rät dazu, eine Schulform zu wählen, wo das Kind eine Chance habe, „sofort erfolgreich zu sein“. „Wenn man Bauchschmerzen hat und denkt, man müsste das Kind bis zur Einschulung an der weiterführenden Schule noch inhaltlich stark fördern. Wenn man ahnt, dass das alles sehr anstrengend wird, sollte man sich den Weg gut überlegen.“

Sich einfach zu sagen, dann wechsele das Kind eben zur Not nach der 6. Klasse auf die Realschule, sei problematisch. Für Kinder, die ein solches Scheitern erleben, sei dies ein tiefer Einschnitt ins Selbstbewusstsein. „Ein solcher zweiter Start, der oft als Scheitern erlebt wird, macht etwas mit einem Kind. Diese Erfahrung nimmt es mit.“ Davon abgesehen, dass es angesichts überfüllter Kölner Schulen schwierig ist, nach der 6. Klasse einen Platz auf einer anderen Schulform zu finden.

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Eltern sollten versuchen zu differenzieren, was ihrem Kind entspricht und was ihr eigenen Wünsche und Erwartungen sind. „Allein, wenn man das reflektiert, ist schon viel gewonnen.“ Bei der Veranstaltung wird auch vorgestellt, worin sich die einzelnen Schulformen in Konzept, Pädagogik und Größe unterscheiden. Auch das Kennen dieser Unterschiede könne Entscheidungshilfen geben. Zumal alle Eltern, die für ihr Kind die Gesamtschule gewählt haben, ohnehin einen Plan B brauchen: Rund 1000 Kinder wurden im vergangenen Jahr an dieser Schulform abgelehnt.

Grundsätzlich, das betont Scheel, seien Eltern die absoluten Experten in Bezug auf ihre Kinder. „Sie kennen diese am allerbesten.“ Gerade aber wenn die Empfehlung der Grundschule und die Eigenwahrnehmung auseinanderklaffen, empfiehlt Scheel in den direkten Austausch mit der Lehrerin zu gehen und auch vor sich selbst kritisch zu prüfen, ob man die Wahrnehmung des Kindes durch die Lehrkraft nachvollziehen kann.

Entscheiden sollen die Eltern

Klar ist laut Scheel allerdings, wer letztlich entscheidet, welche Schulform gewählt wird: Es sind die Eltern. Das Kind selbst könne die Folgen dieser Entscheidung für sich nicht beurteilen. Wenn die Freundinnen aufs Gymnasium gehen, die Eltern aber das Gefühl haben, das diese für ihr eigenes Kind nicht die beste Wahl ist, sei das schwer. „Aber wenn die Eltern sich in ihrer Entscheidung sicher sind, diese auch begründen, wird das Kind das auch spüren und annehmen.“

Auf sieben digitale Informationsveranstaltungen zum Thema „Übergang in die Weiterführende Schule“ sollen Eltern von Viertklässlern in ihrer Entscheidungskompetenz gestärkt werden. Diese finden am Mittwoch, 14. September, 18 Uhr, Donnerstag, 15. September, um 10 Uhr und 18 Uhr, Dienstag, 20. September um 13.30 Uhr sowie am Mittwoch, 21. September, um 16 Uhr und am Donnerstag, 29. September um 10 und 18 Uhr statt. Die Veranstaltungen dauern jeweils 90 Minuten. Anmeldungen sind aufgrund begrenzter Teilnehmerzahl per Mail jeweils mit Angabe des Wunschtermins an viertklassveranstaltungen@stadt-koeln.de erforderlich. Darüber hinaus können Eltern auch einen einzelnen Beratungstermin beim Schulpsychologischen Dienst unter der Rufnummer 221-29001 oder 221-29002 ausmachen.

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