Kölner SPDAndreas Kossiski zum OB-Kandidaten gewählt – Scharfe Kritik an Reker

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Erleichtert: Fraktionschef Christian Joisten (l.) und Christiane Jäger (r.) nach der Wahl von Andreas Kossiski (M.)

Köln – Die Kölner SPD hat Andreas Kossiski zu ihrem Oberbürgermeisterkandidaten gewählt. Über 71 Prozent der Delegierten stimmten bei der Wahlkreiskonferenz im Chorweiler Bürgerzentrum für den Landtagsabgeordneten und ehemaligen Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Kölner Region. 

In seiner Bewerbungsrede übte er scharfe Kritik an Amtsinhaberin Henriette Reker, die er im kommenden September bei den Kommunalwahlen herausfordern wird. Er sei die „Alternative zur gescheiterten Amtsinhaberin“. „Fünf Jahre Stillstand“ seien genug. „Diesen Zustand hat Köln keinen weiteren Tag verdient.“

Kritik an Reker – Wohnungs- und Schulpolitik als Schwerpunkte

Der ehemalige Polizist kündigte an, „im Wahlkampf in allen Stadtteilen auf Streife gehen“, zu wollen. „Frau Reker kümmert sich nicht um die Sorgen der Kölner.“ Er wolle dagegen „genau hinsehen“. Schwerpunkte im Wahlkampf werden die Wohnungspolitik sowie der Mangel an Schul- und Kitaplätzen. Jeden Tag würden durchschnittlich 30 Kinder in Köln zur Welt kommen. Es könne nicht sein, dass sich Familien schon im Kreißsaal Sorgen um deren Zukunft machen müssen. „Familien müssen sich auf ihre Stadt und die Stadtspitze verlassen können.“

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Die Schaffung von Gesamtschulplätzen werde Priorität bekommen, der Elternwille müsse bei der Schulwahl wieder entscheidend sein. Kossiski kündigte an, das eingeschlafene „Kölner Bündnis für Familien“ zu reaktivieren. Das „Bündnis für Arbeit“ werde er zur Chefsache machen. Immer mehr Menschen in Köln seien arm. Es könne nicht sein, dass Familien, wo beide Eltern arbeiten gehen, am Ende des Monats kein Geld mehr hätten, um mit ihren Kindern in den Zoo oder auf die Kirmes zu gehen.

Vor dem Hintergrund der Debatten um mehr Umweltschutz sagte Kossiski: „Klima- und umweltpolitische Maßnahmen dürfen nicht nur aus dem Blickwinkel der Wohlhabenden getroffen werden. Sie müssen auch denjenigen nützen, die mehr Angst vor dem Ende des Monats als vor dem Ende der Welt haben.“ Für eine „fortschrittliche Sicherheitspolitik“ sei es nötig, mehr „Veedelspolizisten“ einzustellen und die Kriminalprävention zu verstärken.

Die amtierende Oberbürgermeisterin sei „wankelmütig“. Ein OB müsse aber verlässlich sein und Gegenwind standhalten. Für ihn als Polizisten, der an der Nordseeküste aufgewachsen ist, sei das kein Problem. Auch SPD-Bundesvorsitzender Norbert Walter-Borjans und der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, kritisierten Reker in ihren Grußworten. Kossiski sei die Alternative zur OB, „die vieles im Ungefähren gelassen hat, und nach getroffenen Entscheidungen so tut, als habe sie mit ihnen nichts zu tun“, so Mützenich. Die Stadt bringe „ihr Potenzial nicht auf den Boden“, weil sie schlecht geführt werde, sagte Walter-Borjans. Die beiden Kölner Bundespolitiker zeigten mit kraftvollen Reden, wie man die sozialdemokratische Seele pflegt.

Rodenkirchener Bezirksbürgermeister Mike Homann mit Frontalangriff gegen Parteichefin Christiane Jäger

Unfreiwillig machten sie so aber auch deutlich, woran es dem Kölner OB-Kandidaten fehlt: Ein mitreißender Redner ist er noch nicht. Kossiski war die Nervosität deutlich anzumerken, für die auch der Rodenkirchener Bezirksbürgermeister Mike Homann verantwortlich gewesen sein dürfte.

Homann hatte sich im Vorfeld des Parteitags nicht davon abbringen lassen, von einer Gegenkandidatur abzusehen. Den Verzicht inszenierte er mit einer Bewerbungsrede, die zum Frontalangriff gegen die Parteichefin Christiane Jäger wurde. Das Nominierungsverfahren sei unfair, intransparent, unsolidarisch und ungerecht gewesen, rief er in den Saal. Es gehe ein Riss durch die Partei, den man nicht einfach überkleben könne. Es gebe keine Flügelkämpfe wie in vergangenen Zeiten, aber doch ein „Klima des Misstrauens“ zwischen zwei Gruppen. Homann – selbst einer der Exponenten einer dieser Gruppen – bekam durchaus Applaus von vielen Delegierten, denen er dann aber kein Personalangebot machte. Mit den letzten zwei Sätzen seiner „Bewerbungsrede“ zog er die Kandidatur zurück und sagte Kossiski seine Unterstützung zu.

Die Kritisierten konnten sich gegen die Vorwürfe nicht wehren, denn eine Aussprache war nach den Reden der Bewerber, von denen einer am Ende seiner Redezeit keiner mehr war, nicht vorgesehen. Homann dürfte sich mit seiner Kritik an der Parteiführung ein paar Freunde gemacht haben, aber auch die Zahl seiner Gegner dürfte gewachsen sein. „Nach so einer Rede muss man sich auch zur Wahl stellen“, kritisierte nicht nur Kossiskis Vorgänger als DGB-Chef, Wolfgang Uellenberg-van Dawen.

Bei der anschließenden Abstimmung, bei der nur noch Kossiski zur Wahl stand, stimmten 20 Prozent der Delegierten mit „Nein“, etwa neun Prozent enthielten sich oder gaben einen ungültigen Stimmzettel ab - der Protest dürfte weniger Kossiski als der Parteispitze gegolten haben. SPD-Chefin Jäger und der Chef der Ratsfraktion, Christian Joisten, haben in den vergangenen Wochen zwar mehrfach betont, ihre Querelen beizulegen. Den Personalvorschlag für die OB-Wahl unterstützten beide. Doch hinter den Kulissen geht das Gezerre weiter. Nachdem sich Jäger überraschend als Ratskandidatin in Ehrenfeld aufstellen ließ, wird ihr nachgesagt, Joisten die Fraktionsführung abnehmen zu wollen. Mit der Wahl Kossiskis kommt eine neue Variante ins Spiel. Er könnte als OB-Kandidat den ersten Listenplatz bei der Stadtratswahl für die SPD beanspruchen. Für den Fall, dass er bei der OB-Wahl verliert, wäre er dann der Favorit für den Fraktionsvorsitz.

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