Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen„Natürlich habe ich auch Unmut provoziert“

Lesezeit 7 Minuten
Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen

Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen

Köln – Am letzten Arbeitstag wirkt das Amtszimmer von Guido Kahlen im Rathaus noch nicht so, als wollte hier jemand ausziehen. Der Stadtdirektor bittet an den Konferenztisch, den bewegliche Kameras über zwei riesigen Monitoren im Blick haben. Nicht ohne Stolz berichtet er von modernster Technik, die den Krisenstäben zu Verfügung steht, wenn Katastrophen bewältigt werden müssen.

Hier hat sich die Stadt unter seiner Leitung auf Katastrophen aller Art vorbereitet: Pandemien, Hochwasser oder Flüchtlingsnothilfe. Für den Fall von Attentaten auf die Kölner U-Bahn habe man die „Verantwortlichkeiten durchdekliniert“, in einer Übung wurde ein Überfall aufs Dom-Hotel simuliert.

In der öffentlichen Wahrnehmung spielt das keine große Rolle: Der Mann, der die Krise nach dem Archiveinsturz managte, ist seit der Kommunalwahl für viele Probleme verantwortlich gemacht worden, für das schwarz-grüne Bündnis war er immer wieder der Sündenbock.

Alles zum Thema Henriette Reker

Wie lebt es sich mit dem Image des Buhmanns?

Natürlich sind Machtwechsel immer der Anlass zu sagen: Wir müssen jetzt aufräumen. Aufgrund seiner Machtstellung steht ein Stadtdirektor nun einmal im Fokus. Man braucht immer Gesichter und auch bestimmte Stories. Dass sich Ratspolitiker und ebenso Bürger an mir reiben, ist doch klar.

Das klingt sehr abgeklärt. Prallt Kritik an Ihnen ab?

Was mir wirklich unter die Haut gegangen ist, ist die Debatte um die Nachzählung bei der Kommunalwahl.

Wegen der Vorwurfs, es gehe Ihnen um die SPD und nicht um Gewissheit über das Wahlergebnis?

Weil ich merkte, ich komme mit meiner Argumentation nicht durch. Selbst der von mir beauftragte Gutachter wurde in die Nähe der SPD gerückt wurde, nicht zuletzt von Ihnen.

Das Gutachten hat die Sache vernebelt, anstatt sie zu klären. Eine Ergebniskontrolle erschien ja fast schon als so etwas wie ein Rechtsbruch. Heute müssten Sie doch sagen: Gut dass die Stimmen neu ausgezählt wurden, selbst wenn Ihre eigene Partei, die SPD, dadurch den entscheidenden Sitz zur Mehrheit verloren hat. Köln hätte sonst keinen legitimierten Stadtrat.

Es ist im Nachhinein richtig, wie alles gelaufen ist. Und ich habe jedenfalls nie gesagt, eine Nachzählung ist ausgeschlossen. Der Staatsgerichtshof Bremen hat zwischenzeitlich die Anforderungen an eine Nachzählung rechtlich anders beurteilt.

Sie hätten schon früher in Pension gehen können, haben ihren Vertrag aber um drei Jahre verlängert. Wenn Sie an all das denken, was danach passiert ist – bedauern Sie, nicht beizeiten aufgehört zu haben?

Punktuell ja. Aber erstens lässt sich so etwas nicht vorhersehen. Und zweitens habe ich den Eindruck, unsere Verwaltung ist in der Lage, die Schwierigkeiten zu managen. Wir haben exzellente Leute, man muss sie nur lassen. Insofern bin ich der Meinung, dass meine Erfahrung in gewisser Weise gefragt war. Natürlich macht man auch Fehler.

Wie geht es weiter mit der Hubschrauberstation auf dem Kalkberg?

Die Halde wird mit einer Art Steingürtel gegen ein Abrutschen der Böschung gesichert. Danach wird man in einem Jahr sachlich diskutieren können: Hält man am Standort fest oder entscheidet man sich für einen anderen? Genehmigungsrechtlich wäre das nicht ganz einfach.

Sie haben das Thema von ihrem Vorgänger übernommen. Haben Sie nicht gedacht: Welch ein Irrsinn, eine Hubschrauber-Station auf einer Deponie für Chemie-Müll zu bauen?

Das werfe ich früheren Stadtregierungen vor: Sie haben den Hubschrauberplatz in Merheim aufgegeben, ohne zu wissen, wo der neue Standort sein soll und ohne eine bestandskräftige Luftverkehrsrechtliche Genehmigung aus Düsseldorf. Aber für mich war damals auch klar: Das Problem haben wir im Griff. Alle möglichen Fachleute und Gutachter haben bestätigt, dass wir den Kalkberg kaufen können. Ich habe mich aber mit der Aussage schwergetan, dass er alternativlos ist, und zusätzlich 19 Alternativen prüfen lassen.

Aber warum sehen dann die Leute in Ihnen den Schuldigen?

Ich bin nie einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen, habe Verwaltungspositionen durchaus hart formuliert. Dadurch habe ich natürlich auch Unmut provoziert.

Der Einsturz des Stadtarchivs war eine Zäsur in ihrer Amtszeit. Das Krisenmanagement im Anschluss ist eng mit ihrem Namen verknüpft.

Ich war froh darüber, dass wir ähnliche Situationen schon trainiert hatten. Wir waren professionell vorbereitet.

Der Archiveinsturz steht im Bewusstsein der Kölner aber auch für ein Versagen der Stadt. Finden Sie das unfair?

Nein. Bauwirtschaft, Stadtverwaltung, KVB – alle sind vom Vertrauensverlust betroffen. Der Archiveinsturz markiert einen Bewusstseinswandel. Wesentliche Bestandteile des kölschen Grundgesetzes gelten nicht mehr. Et hätt noch immer joot jejange? Das ist hinfällig. Wir dürfen nichts mehr auf die leichte Schulter nehmen. Aber auch der Paragraf „Wat fott es, es fott“ gilt nicht mehr. Wir konnten 95 Prozent der Schriftstücke aus dem Archiv sichern.

Was sagen Sie den Kölnern, die der Überzeugung sind, dass die Stadt auf allen Kosten sitzen bleiben wird?

Ich bin dankbar dafür, dass die Menschen Geduld haben, dass sich die Beweisführung so lange hinzieht. Es ist wichtig, da weiterhin mit höchster Präzision zu arbeiten. Wir sind auf einem guten Weg, dass der Schaden nicht am Steuerzahler hängen bleibt. Außerdem sage ich ihnen: Wir haben gelernt. Und in vielen Bereichen Fortschritte erzielt. Seit Jahren gibt es zum Beispiel keine Korruptionsskandale mehr.

Und dann erwischt es Sie von einer ganz anderen Seite: Die massenhaften Übergriffe an Silvester stehen für viele für Behördenversagen.

Das hat mich sehr beschäftigt, zumal das ein gigantischer Imageschaden für Köln war. Aber auch in diesem Fall kann ich sagen: Wir haben gelernt. Ein zentraler Punkt ist, wie wir die Kommunikation in solchen Krisensituationen verbessern. Das haben wir an Karneval, dem 11.11. oder auch bei den Demos zur Politik in der Türkei schon getan. Wir können nun in Sekundenschnelle Informationen sammeln, bewerten und dann entscheiden, wie und wer für die Lösung des Problems verantwortlich antritt.

Sie haben im Untersuchungsausschuss des Landtages eine andere Aussage als die Oberbürgermeisterin gemacht. Henriette Reker sagte, sie sei nicht gut informiert worden. Die Stadt habe nichts falsch gemacht. Sie sagten das Gegenteil.

Es gab in der ersten Januarwoche mehrere Gespräche mit Polizei, Ausländerbehörden, Feuerwehr oder Innenministerium. Es wurde eine Task Force gegründet, und es war klar, dass hier die ganze Stadtverwaltung involviert sein wird. Wir haben bereits am 4. Januar alles angeworfen, um unsere Lektionen zu lernen. Ich meine, Frau Reker über diese Dinge informiert zu haben. Weil ich für Sicherheit zuständig bin und in diesem Bereich Praxiserfahrungen, habe ich wohl eine andere Möglichkeit, Schlussfolgerungen zu ziehen.

Wenn jemand sagt, dass er nicht genug wusste und nichts falsch gemacht hat, drückt er sich dann um die Verantwortung?

Für die Bürger und Gäste ist wichtig, zu wissen: Wir haben unser Sicherheitsmanagement weiter verbessert.

Sie haben in ihrer Abschiedsrede im Stadtrat die Politiker kritisiert. Sie sollten der Verwaltung mehr vertrauen und sich weniger einmischen, dann würde vieles schneller gehen. Wie war die Resonanz?

Es gab viel Zuspruch. Es fehlt an Teamgeist, um etwas für die Stadt zu erreichen. Die Verwaltungsreform von Frau Oberbürgermeisterin Reker setzt voraus, dass Politik verantwortlich ihren Beitrag leistet, Verwaltung produktiver arbeiten zu lassen.

Was hätten Sie gerne noch in ihrer Amtszeit geschafft?

Mit der Digitalisierung wäre ich gerne noch ein paar Schritte weiter gekommen.

Zur Person

Guido Kahlen wurde in Köln geboren und ist 67 Jahre alt. Er war als Stadtdirektor der zweithöchste  Beamte der Verwaltung. Der Jurist begann seine Laufbahn  1979 als persönlicher Referent des damaligen Oberbürgermeisters Norbert Burger. 1995 wechselte Kahlen als Rechtsdezernent und  enger Berater der  Stadtchefin  Bärbel Dieckmann nach Bonn.

Nach seiner Rückkehr leitete er  erst  das Schuldezernat, von 2006 an dann das Ressort für Personal, Recht,  öffentliche Ordnung, Feuerwehr und  Rettungsdienst. Zu seinem Dezernat gehören mehr als 5500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kahlen  ist verheiratet, er hat drei Söhne und einen Enkel. 

Zum Nachfolger Guido Kahlens hat der Stadtrat auf Vorschlag der CDU den Düsseldorfer Juristen Stephan Keller gewählt. Der 45-jährige Christdemokrat ist noch bis Jahresende Verkehrsdezernent der Stadt Düsseldorf. Keller wird seinen Dienst in Köln am 2. Januar des kommenden Jahres antreten. (adm)

KStA abonnieren